• 09.04.2015, 09:00:16
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  • OTS0017 OTW0017

Familienleistungen und familienpolitische Instrumente im internationalen Vergleich

Wien (OTS) - In den letzten Jahren setzte die österreichische
Familienpolitik wichtige Schritte zur Verbesserung der Vereinbarkeit
von Familie und Beruf sowie zur Erhöhung der Väterbeteiligung. Nach
wie vor überwiegen allerdings in Österreich - gemessen an
internationalen Vergleichszahlen - die Geldleistungen. Im
internationalen Vergleich unterscheiden sich sowohl die Ausrichtung
als auch das Instrumentarium der Familienpolitik beträchtlich.
Vielfach genießt aber der Ausbau des Kinderbetreuungsangebotes
Priorität, in einigen Ländern gewinnt auch das Anliegen einer
Steigerung der Väterbeteiligung an Bedeutung.

In den letzten Jahren setzte die österreichische Familienpolitik
mehrere Schritte zur Verbesserung der Vereinbarkeit von Familie und
Beruf sowie zur Erhöhung der Väterbeteiligung: die Einführung von
nicht übertragbaren Partnermonaten für den Bezug von
Kinderbetreuungsgeld, die Ergänzung der ursprünglichen
Pauschalvarianten des Kinderbetreuungsgeldes um eine
einkommensabhängige Variante mit kurzer Bezugsdauer, die Einführung
einer individuellen Zuverdienstgrenze von 60% der Letzteinkünfte in
den Pauschalvarianten des Kinderbetreuungsgeldes, um eine
Teilzeit-Erwerbstätigkeit in der Kleinstkindphase zu ermöglichen, den
Ausbau der Betreuungseinrichtungen vor allem für die unter 3-Jährigen
und der schulischen Nachmittagsbetreuung sowie die Einführung des
"Papamonats" im öffentlichen Dienst. Diese Leistungen sollen die
Anreize und Rahmenbedingungen für eine gleichmäßigere Aufteilung der
bezahlten wie der unbezahlten Arbeit zwischen Müttern und Vätern
verbessern.

Die Aufwendungen der öffentlichen Hand für Familien im engeren
Sinne stiegen in Österreich seit Mitte der 2000er-Jahre von 7,9 Mrd.
Euro (2006) auf knapp 9,3 Mrd. Euro (2013). Mit 2,9% des BIP
entsprachen sie 2013 knapp dem Wert des Jahres 2006 (3%). Bezogen auf
die langfristig rückläufige Zahl der Kinder und Jugendlichen bis 19
Jahre hält seit Mitte der 2000er-Jahre auch die langfristige Tendenz
steigender Pro-Kopf-Familienleistungen an: Von 4.400 Euro pro Kind
2006 stiegen sie bis 2013 auf etwa 5.500 Euro. Dabei wiesen die
Ausgaben für Kinderbetreuungseinrichtungen pro Kind (unter 6 Jahren)
die größte Dynamik auf: Sie verdoppelten sich zwischen 2006 und 2013
fast auf 3.661 Euro. Dagegen stiegen die gesamten Familienleistungen
pro Kind um 25%, die direkten Geldleistungen pro Kind um 11% und die
Steuererleichterungen pro Kind um 17%.

Seit Mitte der 2000er-Jahre verändert sich die Struktur der
Familienleistungen merklich. Der Anteil der Ausgaben für
Betreuungseinrichtungen nahm zwischen 2006 und 2013 von 11,2% auf
18,8% der Gesamtausgaben zu. Im Rahmen der seit 2008 verstärkten
Bemühungen zum Ausbau der Kinderbetreuungseinrichtungen vor allem für
die unter 3-Jährigen werden sich diese Ausgaben mittelfristig weiter
erhöhen. Nach der nationalen Erhebungsmethode waren im
letztverfügbaren Jahr 2013 in Österreich laut Statistik Austria 23%
der unter 3-Jährigen in institutioneller Betreuung. Hinzu kommen die
knapp 5.100 von Tageseltern zur Verfügung gestellten
Betreuungsplätze. Die gesamte Betreuungsquote betrug daher 25,1%.
Damit sind in den letzten Jahren deutliche Fortschritte auf dem Weg
zur Erreichung des Barcelona-Ziels einer Betreuungsquote von 33% für
unter 3-Jährige zu verzeichnen. 2007 hatte die Betreuungsquote
einschließlich Betreuungsplätzen bei Tageseltern erst 13,9% betragen.

Allerdings überwiegen die monetären Transfers - und hier die
direkten Geldleistungen - mit knapp zwei Dritteln der Gesamtausgaben
(2013) immer noch deutlich. Diese Struktur der Familienleistungen
unterstützt, im Zusammenspiel mit weiteren Regelungen wie etwa den
Kinderbetreuungsgeldvarianten mit langer Dauer sowie der im
Durchschnitt deutlich geringeren Entlohnung von Frauen auf dem
Erwerbsarbeitsmarkt und nicht zuletzt einer ausgeprägten Skepsis in
der Bevölkerung gegenüber einer Erwerbstätigkeit von Müttern mit
kleinen Kindern, tendenziell ein Familienmodell, in dem Mütter den
größeren Teil der Betreuungsarbeit übernehmen und Väter den größeren
Teil der Erwerbsarbeit.

Als ein Element der Steuerreform 2016 wird der 2009 eingeführte
Kinderfreibetrag, der zu versteuernde Einkommen über 11.000 Euro
entlastet, von 220 Euro (bzw. 132 Euro pro Elternteil, wenn er von
beiden in Anspruch genommen wird) auf 440 Euro (bzw. 164 Euro pro
Elternteil) verdoppelt. Der resultierende Steuerausfall wird auf 100
Mio. Euro jährlich geschätzt. Die Geldleistungen werden damit - nach
der 2014 beschlossenen Erhöhung der Familienbeihilfe in drei
Schritten bis 2018 mit kumulierten budgetären Kosten von 830 Mio.
Euro - weiter ausgeweitet. Gegenüber den zusätzlichen Mitteln von
insgesamt 750 Mio. Euro, die zwischen 2014 und 2018 in den Ausbau der
Betreuungseinrichtungen sowie die Nachmittagsbetreuung an Schulen
fließen sollen, nimmt sich die Ausweitung der Geldleistungen durch
Erhöhung von Familienbeihilfe und Kinderfreibetrag mit insgesamt
kumuliert über 1,1 Mrd. Euro im Zeitraum 2014 bis 2018 relativ
umfangreich aus. Eine deutliche Trendwende der Struktur der
Gesamtausgaben für Familienförderung, die in Österreich auch im
internationalen Vergleich insgesamt im oberen Mittelfeld liegen,
dabei aber gemessen an wichtigen familienpolitischen Zielen eher
mäßige Ergebnisse erzielen, wird daher mit den jüngsten
familienpolitischen Maßnahmen nicht eingeleitet.

In ausgewählten EU-Ländern, die unterschiedlichen
familienpolitischen bzw. wohlfahrtsstaatlichen Modellen zuzuordnen
sind, unterscheiden sich sowohl die Ausrichtung als auch das
Instrumentarium der Familienpolitik beträchtlich: Deutschland und die
Niederlande als Vertreter eines eher konservativen
kontinentaleuropäischen Modells, Schweden und Dänemark als
Repräsentanten eines sozialdemokratisch- egalitären Modells und
Frankreich mit einer familialistischen Familienpolitik.

Die traditionell geprägte deutsche Familienpolitik wurde in den
letzten Jahren mit dem Ziel der Steigerung der Frauenerwerbstätigkeit
und der Vereinbarkeit von Familie und Beruf auch für Männer in
einigen Bereichen grundlegend reformiert. Sie ist jedoch, da die
Reformen wesentliche Bereiche aussparten (System der
Haushaltsbesteuerung) bzw. ihre Umsetzung nur mittelfristig möglich
ist (Ausbau der Kinderbetreuungseinrichtungen versus Betreuungsgeld),
derzeit in sich wohl am wenigsten konsistent. Allerdings werden
weiterhin Schritte zur Stärkung der Vereinbarkeit von Familie und
Beruf und zur Erhöhung der Väterbeteiligung (ElterngeldPlus und
Flexibilisierung ab Mitte 2015) gesetzt.

Die pronatalistische Familienpolitik Frankreichs zielt auf eine
gleichzeitige Steigerung der Frauenerwerbstätigkeit und der
Fertilität ab. In den Niederlanden setzt die Familienpolitik
einerseits stark auf an die Erwerbstätigkeit gekoppelte monetäre
Transfers, andererseits auf sowohl hinsichtlich der Arbeits- als auch
der Betreuungszeit teilzeitorientierte Arbeitsfreistellungsregelungen
zur Kinderbetreuung und fördert somit ein Zuverdienermodell.

In Schweden liegt der familienpolitische Fokus auf der
Unterstützung der Frauenerwerbstätigkeit durch
Kinderbetreuungseinrichtungen, aber auch auf der Sicherstellung einer
gewissen Väterbeteiligung sowie auf Armutsverringerung durch
großzügige monetäre Transfers. Die dänische Familienpolitik forciert
durch kurze Bezugsdauer von Kinderbetreuungsgeld bei einer hohen
Einkommensersatzrate und gesetzlichem Anspruch auf institutionelle
Kinderbetreuung schon für sehr junge Kinder den schnellen
Wiedereinstieg von Eltern in die Berufstätigkeit; dies ist ein
zentrales Charakteristikum des nordischen familienpolitischen
Modells. Die eher schwachen expliziten Anreize zur Erhöhung der
Väterbeteiligung teilt Dänemark dagegen mit Frankreich und den
Niederlanden.

In jüngeren Reformen insbesondere der Freistellungsregelungen
schlägt sich in einigen Ländern zunehmend das Anliegen einer
Steigerung der Väterbeteiligung nieder: etwa in Frankreich
(Einführung nicht übertragbarer Partnermonate ab dem zweiten Kind),
Schweden (Gleichstellungsbonus) oder Deutschland
(Partnerschaftsbonus). In Deutschland und Österreich sind bereits
seit einigen Jahren mehrere Monate der Freistellung für den zweiten
Partner reserviert und verfallen, wenn sie nicht in Anspruch genommen
werden. Auch die Einführung von einkommensabhängigen Ersatzleistungen
während der Freistellung zur Kinderbetreuung in Deutschland und
Österreich, wie es sie in Dänemark und Schweden schon länger gibt,
setzt Anreize für eine intensivere Väterbeteiligung in der
Kleinstkindphase. Nicht zuletzt stehen im Zuge der krisenbedingten
Konsolidierungsprogramme, die in den meisten EU-Ländern seit Anfang
der 2010er-Jahre umgesetzt werden, auch die Familienleistungen unter
Druck. Sowohl in Dänemark (seit 2014) als auch in Frankreich (seit
2015) wurde das vormals universelle, einkommensunabhängige Kindergeld
für Eltern mit hohem Einkommen eingeschränkt. Beide Länder gehören
damit - wie aktuell auch Großbritannien - zur kleinen Gruppe von
Ländern, die keine universelle einkommensunabhängige
Kindergeldleistung (mehr) gewähren. In den Niederlanden wurden in den
vergangenen Jahren Geldleistungen verstärkt einkommensabhängig
gemacht und im Rahmen der jüngsten Reformen 2015 durch die
Zusammenlegung von Geldleistungen vereinfacht und fokussiert.
Lediglich in Deutschland werden wie in Österreich neben den
Betreuungseinrichtungen auch die Geldleistungen tendenziell eher
ausgebaut, während das mit hohen öffentlichen Kosten verbundene
Ehegattensplitting auch in der jüngsten Budgetkonsolidierungsphase
nie zur Diskussion stand. Gleichzeitig wird in allen hier
betrachteten Ländern - die die damit repräsentativ für die große
Mehrheit der EU- bzw. OECD-Länder sein dürften - der Ausbau der
Kinderbetreuungseinrichtungen forciert.

Nähere Informationen entnehmen Sie bitte dem WIFO-Monatsbericht
3/2015 (http://monatsberichte.wifo.ac.at/57855,
http://monatsberichte.wifo.ac.at/57856)

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