- 06.02.2015, 10:00:35
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Presserat: Berichterstattung über FPÖ-Lokalpolitikerin verstößt gegen Ehrenkodex
Wien (OTS) - Der Senat 2 des Presserats beschäftigte sich mit den
Artikeln "Vollrausch-Video bringt FP-Politikerin unter Druck" und
"Stockbetrunken - Eklat um blaue NÖ-Politikerin", die am 10.11.2014
auf "www.heute.at" bzw. "www.oe24.at" erschienen sind.
Nach Meinung des Senats verstoßen die beiden Artikel gegen Punkt 5
des Ehrenkodex für die österreichische Presse
(Persönlichkeitsschutz).
In den Artikeln wird berichtet, dass eine in den Artikeln namentlich
genannte Lokalpolitikerin an einem Samstagmorgen auf dem Weg nach
Hause stark betrunken angetroffen worden sei. Bei beiden Artikeln
wurde jeweils ein Foto, auf dem die Frau zu erkennen ist, und ein
Video, das sie an diesem Morgen allem Anschein nach betrunken zeigt,
veröffentlicht.
Der Senat hält zunächst fest, dass Politiker grundsätzlich weniger
Persönlichkeitsschutz genießen als Privatpersonen. Dies ist damit zu
rechtfertigen, dass Politiker bewusst die Öffentlichkeit suchen.
Jeder ihrer Auftritte steht unter genauer und kritischer Beobachtung
- nicht nur durch die Medien, sondern auch durch die Öffentlichkeit.
Das heißt jedoch nicht, dass Politiker überhaupt keinen Anspruch auf
Persönlichkeitsschutz und Privatsphäre haben, so der Senat weiter.
Auch politisch engagierten Menschen ist ein Privatbereich
zuzugestehen, in dem sie sich unbeobachtet fühlen können und den die
Medien respektieren müssen.
In den beiden Artikeln wurde über eine FPÖ-Politikerin berichtet, die
die Parteiobfrau in einem Ort nahe Wien ist. Es ging nicht um eine
führende Funktionärin der FPÖ, sondern um eine Lokalpolitikerin einer
kleinen Gemeinde.
Der Artikel handelt alleine davon, dass die Frau betrunken war.
Beigefügt wurden Bilder und ein Video, die dies dokumentieren.
Der Senat betont, dass es bei den Veröffentlichungen keinen
relevanten Konnex zur Ausübung des politischen Amts der Betroffenen
gibt. Die Funktionärin hat zwar am Vorabend der Bildaufnahmen an
einer Parteisitzung ihrer FPÖ-Ortsgruppe teilgenommen, der offenbar
übermäßige Alkoholkonsum hat jedoch erst im Anschluss an diese
Sitzung (also in der Freizeit) stattgefunden.
Nach Ansicht des Senats ist es den beiden Medien hier darum gegangen,
die Lokalpolitikerin bloß zu stellen und ihren angeschlagenen Zustand
öffentlich zur Schau zu stellen. Legitime Informationsinteressen
erkennt der Senat nicht.
Die Veröffentlichungen verletzen daher nach Meinung des Senats den
Persönlichkeitsschutz iSd. Ehrenkodex.
Der Senat fordert die betroffenen Medieninhaberinnen auf, die
vorliegende Entscheidung freiwillig zu veröffentlichen.
SELBSTÄNDIGES VERFAHREN AUS EIGENER WAHRNEHMUNG
Der Presserat ist ein Verein, der sich für verantwortungsvollen
Journalismus einsetzt und dem die wichtigsten Journalisten- und
Verlegerverbände Österreichs angehören. Die Mitglieder der beiden
Senate des Presserats sind weisungsfrei und unabhängig.
In den vorliegenden Fällen hat der Senat 2 des Presserats aus eigener
Wahrnehmung ein Verfahren durchgeführt (selbständiges Verfahren aus
eigener Wahrnehmung). In diesem Verfahren äußert der Senat seine
Meinung, ob ein Artikel den Grundsätzen der Medienethik entspricht.
Die Medieninhaberinnen von "www.heute.at" und "www.oe24.at" haben von
der Möglichkeit, an dem Verfahren teilzunehmen, keinen Gebrauch
gemacht.
Die Medieninhaberinnen der Tageszeitungen "Heute" und "Österreich"
haben sich der Schiedsgerichtsbarkeit des Presserats bisher nicht
unterworfen.
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