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Presserat: Berichterstattung über FPÖ-Lokalpolitikerin verstößt gegen Ehrenkodex

Wien (OTS) - Der Senat 2 des Presserats beschäftigte sich mit den Artikeln "Vollrausch-Video bringt FP-Politikerin unter Druck" und "Stockbetrunken - Eklat um blaue NÖ-Politikerin", die am 10.11.2014 auf "www.heute.at" bzw. "www.oe24.at" erschienen sind.

Nach Meinung des Senats verstoßen die beiden Artikel gegen Punkt 5 des Ehrenkodex für die österreichische Presse (Persönlichkeitsschutz).

In den Artikeln wird berichtet, dass eine in den Artikeln namentlich genannte Lokalpolitikerin an einem Samstagmorgen auf dem Weg nach Hause stark betrunken angetroffen worden sei. Bei beiden Artikeln wurde jeweils ein Foto, auf dem die Frau zu erkennen ist, und ein Video, das sie an diesem Morgen allem Anschein nach betrunken zeigt, veröffentlicht.

Der Senat hält zunächst fest, dass Politiker grundsätzlich weniger Persönlichkeitsschutz genießen als Privatpersonen. Dies ist damit zu rechtfertigen, dass Politiker bewusst die Öffentlichkeit suchen. Jeder ihrer Auftritte steht unter genauer und kritischer Beobachtung - nicht nur durch die Medien, sondern auch durch die Öffentlichkeit. Das heißt jedoch nicht, dass Politiker überhaupt keinen Anspruch auf Persönlichkeitsschutz und Privatsphäre haben, so der Senat weiter. Auch politisch engagierten Menschen ist ein Privatbereich zuzugestehen, in dem sie sich unbeobachtet fühlen können und den die Medien respektieren müssen.

In den beiden Artikeln wurde über eine FPÖ-Politikerin berichtet, die die Parteiobfrau in einem Ort nahe Wien ist. Es ging nicht um eine führende Funktionärin der FPÖ, sondern um eine Lokalpolitikerin einer kleinen Gemeinde.
Der Artikel handelt alleine davon, dass die Frau betrunken war. Beigefügt wurden Bilder und ein Video, die dies dokumentieren.
Der Senat betont, dass es bei den Veröffentlichungen keinen relevanten Konnex zur Ausübung des politischen Amts der Betroffenen gibt. Die Funktionärin hat zwar am Vorabend der Bildaufnahmen an einer Parteisitzung ihrer FPÖ-Ortsgruppe teilgenommen, der offenbar übermäßige Alkoholkonsum hat jedoch erst im Anschluss an diese Sitzung (also in der Freizeit) stattgefunden.

Nach Ansicht des Senats ist es den beiden Medien hier darum gegangen, die Lokalpolitikerin bloß zu stellen und ihren angeschlagenen Zustand öffentlich zur Schau zu stellen. Legitime Informationsinteressen erkennt der Senat nicht.
Die Veröffentlichungen verletzen daher nach Meinung des Senats den Persönlichkeitsschutz iSd. Ehrenkodex.

Der Senat fordert die betroffenen Medieninhaberinnen auf, die vorliegende Entscheidung freiwillig zu veröffentlichen.

SELBSTÄNDIGES VERFAHREN AUS EIGENER WAHRNEHMUNG

Der Presserat ist ein Verein, der sich für verantwortungsvollen Journalismus einsetzt und dem die wichtigsten Journalisten- und Verlegerverbände Österreichs angehören. Die Mitglieder der beiden Senate des Presserats sind weisungsfrei und unabhängig.
In den vorliegenden Fällen hat der Senat 2 des Presserats aus eigener Wahrnehmung ein Verfahren durchgeführt (selbständiges Verfahren aus eigener Wahrnehmung). In diesem Verfahren äußert der Senat seine Meinung, ob ein Artikel den Grundsätzen der Medienethik entspricht. Die Medieninhaberinnen von "www.heute.at" und "www.oe24.at" haben von der Möglichkeit, an dem Verfahren teilzunehmen, keinen Gebrauch gemacht.
Die Medieninhaberinnen der Tageszeitungen "Heute" und "Österreich" haben sich der Schiedsgerichtsbarkeit des Presserats bisher nicht unterworfen.

Rückfragen & Kontakt:

Andreas Koller, Sprecher des Senats 2, Tel.: 01-53153-830

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