• 05.11.2014, 14:11:14
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Politisches Desinteresse als Gefahr für Medien und Demokratie?

Matinee über gemeinsame demokratiepolitische Herausforderungen für Politik und Medien im Parlament

Utl.: Matinee über gemeinsame demokratiepolitische Herausforderungen
für Politik und Medien im Parlament =

Wien (PK) - Wie können und sollen Politik und Medien auf die
zunehmende Politikverdrossenheit und die gleichzeitig sinkende
Wahlbeteiligung reagieren? Ist uns alles egal? Und wenn ja, warum?
Mit diesen alarmierenden Tendenzen und hochaktuellen Fragestellungen
haben sich heute VertreterInnen aus Politik, Medien, Wissenschaft und
Kultur im Palais Epstein auseinandergesetzt. Zur Matinee geladen hat
der Zweite Präsident des Nationalrats Karlheinz Kopf gemeinsam mit
dem Verband Österreichischer Zeitungen (VÖZ).

Kopf: Starkes Bemühen um die Zukunft der Demokratie notwendig

"Medien, Politik, Verlagshäuser, demokratische Institutionen,
JournalistInnen und PolitkerInnen sitzen alle in ein und demselben
Boot", konstatierte der Zweite Präsident des Nationalrats in seiner
Begrüßung, weil alle mit dem gleichen Problem zu kämpfen hätten. Denn
wenn das Interesse an der Politik sinke, bleibe auch das Interesse am
Qualitätsjournalismus aus, wenn die Politikverdrossenheit zunehme,
gingen jedem Medium, das für Qualität steht, zuerst die LeserInnen
und später das Geld verloren. Kopf kam zu dem prekären Schluss:
"Nimmt die Politikverdrossenheit zu, besteht eine Gefahr für die
Medien und für die Demokratie".

Selbstkritisch gestand Kopf zudem ein, dass die Kluft zwischen den
BürgerInnen und der Politik noch nie so groß gewesen sei. Sichtbar
werde diese Tatsache heute vor allem in sozialen Netzwerken, in denen
sich viele gegenüber politischen AkteurInnen ablehnend äußern würden.
Diese Wahrnehmung der BürgerInnen zwinge die Politik zu einem
Nachdenkprozess, dabei werde demnächst auch im Parlament eine
Diskussion über die Neugestaltung der Demokratie im Zuge der Enquete-
Kommission in Gang gesetzt. Laut Kopf kann ein Mehr an direkter
Demokratie wesentlich dazu beitragen, Politik- und vor allem
Parteienverdrossenheit abzubauen. "Das ist ein Instrument, aber kein
Allheilmittel", sagte Kopf und stand dafür ein, vor allem auch in der
Politik selbst anzusetzen. Die Frage, ob auch manipulierende Medien
eine Mitschuld am bereits vielerorts postulierten Bankrott der
Demokratie haben und was der unzufriedene Bürger selbst leisten muss
und kann, um die Verdrossenheit zu überwinden, brachte Kopf außerdem
in Diskussion. "Politik, Medien und die BürgerInnen sind Teil des
demokratischen Systems und alle gleichzeitig verantwortlich", sagte
er und appellierte für ein starkes Bemühen um die Zukunft der
Demokratie.

Kralinger: Medienkonsum muss an Schulen erlernt werden

Damit sich die BürgerInnen umfassend informieren können, brauche es
unabhängige Medien, die Inhalte mit Relevanz und Mehrwert liefern,
postulierte der Präsident des Verbandes Österreichischer Zeitungen
(VÖZ) und verwies zudem darauf, dass diese Leistung vor allem von
VÖZ-Medien erbracht werde. Eine vom VÖZ in Auftrag gegebene Studie
veranschauliche ebenfalls, warum eine demokratische Gesellschaft
Kaufzeitungen und -magazine brauche. Diese Medien würden nämlich
Diskussionen anstoßen und Themen aufs Tapet bringen, die manche
lieber unter den Teppich kehren. Gar nicht selten würden damit auch
Veränderungen angestoßen, was keinem öffentlich-rechtlichen Rundfunk
alleine gelinge und auch keiner Armada an Agenturmeldungen oder ein
paar tausend Tweets oder Blog-Einträgen. Was es brauche, sei eine
vitale Pressekultur, so Kralinger.

Sorge mache er sich um die Zukunft, weil für Jugendliche mittlerweile
andere Nutzungskanäle wie Soziale Netzwerke eine größere Rolle
spielen. Deshalb sei es auch Aufgabe der Medienhäuser, diese jungen
Menschen wieder an die verlegerischen Produkte heranzuführen und
ihnen beizubringen, wo unabhängig und professionell aufbereitete
Information abrufbar ist. Eine mögliche Lösung bestand für Kralinger
darin, bereits in den Schulen Medienkonsum zu lehren und Zeitungen
sowie Magazinen mehr in den Unterricht zu integrieren. Gemeinsam mit
der Politik und den Schulen könne es gelingen, den Jugendlichen den
Mehrwert darin zu zeigen, sagte der VÖZ-Präsident.

Donsbach: Qualitäts- und Funktionsunterschied zwischen
professionellen und nicht professionellen Medien noch stärker
aufzeigen

In seiner Keynote sprach Wolfgang Donsbach von der Technischen
Universität Dresden von der zunehmenden Marginalisierung des
professionellen Journalismus. Donsbach brach mit der landläufigen
Auffassung, dass die Boulevardisierung der Medien und die sogenannten
Pop Politics mit dem Internet eingesetzt haben. Bereits davor sei
diese Kommerzialisierung und Umsonst-Kultur zu beobachten gewesen,
das Internet habe diesen Wandel beschleunigt, aber nicht ausgelöst.

Laut Donsbach ist vor allem bei den Jugendlichen das Vertrauen in
JournalistInnen zurückgegangen. Hinzu kommt, dass sich immer weniger
Menschen professionell aufbereiteten journalistischen Inhalten
zuwenden, so der Keynote-Speaker. Ursachen dafür sah Donsbach zum
einen in einer Werteveränderung der Gesellschaft, wonach sich die
Menschen immer weniger engagieren, was eine Privatisierung der
Demokratie zur Folge hätte, zum anderen in einer Veränderung der
Medienlandschaft. Denn es sei noch nie so einfach gewesen, dem
Eskapismus in allen möglichen Verbreitungskanälen wie Youtube fernab
von ernstzunehmenden Inhalten zu frönen. "Politik und anderes
Ernsthaftes wird zur Nadel im Heuhaufen", so Donsbach. Eine Folge
davon sei, dass BürgerInnen nicht mehr zwischen professionellen und
nicht professionellen Inhalten unterscheiden können. Sprich, wirklich
zu erkennen, wohinter professioneller Journalismus oder
Interessengruppen stecken.

Was es laut Donsbach zu tun gibt, ist die ausreichende Erhebung von
wissenschaftlichen Daten und Erkenntnissen über die
Nachrichtennutzung, die Auswirkungen auf das gesellschaftliche Wissen
oder die Qualitätsunterschiede zwischen nicht professionellen und
professionellen Medien. Außerdem müsse, wie auch VÖZ-Präsident
Kralinger angedeutet hat, bei der politischen Bildung und der
Vermittlung von Medienkompetenz an Schulen angesetzt werden. Der
Ausweg könne nur sein, den Qualitäts- und Funktionsunterschied
zwischen professionellen und nicht professionellen Medien noch
stärker aufzuzeigen, sagte Donsbach.

Wenn Medien für Medien Themen setzen

Die Geschäftsführerin der APA-MediaWatch Julia Wippersberg
präsentierte eine Studie, ob und wie heimische Medien Themen für die
Berichterstattung in anderen Medien bereitstellen. Untersucht wurde
im Zeitraum von zwei Monaten im ersten Halbjahr 2014, welche und wie
viele neue Themen, sogenannte genuine Inhalte, die nicht einfach von
anderen Quellen oder Nachrichtenagenturen übernommen, sondern selbst
produziert oder recherchiert wurden, von Medien auf die Agenda für
die Berichterstattung anderer Medien gesetzt wurden. Die untersuchten
Medien waren ausschließlich General-Interest-Medien, darunter
Tageszeitungen, Wochenzeitungen, Magazine, aber auch audiovisuelle
Medien mit einem Anspruch auf journalistische Universalität. In ihrer
Conclusio zur Studie zeigte Wippersberg auf, dass österreichische
Medien durch ihre Eigenleistung Themen für die Medien- und in Folge
für die Publikums-Agenda bereitstellen und damit zum Public Value,
dem sogenannten öffentlichen Mehrwert wie Wissen und Orientierung,
für eine umfassend informierte und interessierte Öffentlichkeit
beitragen. In Auftrag gegeben wurde die Studie vom VÖZ.

An der anschließenden Podiumsdiskussion nahmen VÖZ-Präsident Thomas
Kralinger, Bundesministerin Sophie Karmasin, Wolfgang Donsbach von
der Technischen Universität Dresden, der stellvertretende
Chefredakteur der Salzburger Nachrichten Andreas Koller und der
Kabarettist Robert Stachel teil. Moderiert wurde die Matinee von Ina
Sabitzer. (Schluss) keg

HINWEIS: Fotos von dieser Matinee Pressekonferenz finden Sie im
Fotoalbum auf www.parlament.gv.at.

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