Die neue Ärzteausbildung ist beschlossen, die Finanzierung bleibt unklar "ET 24.10.2014"
Utl.: Die neue Ärzteausbildung ist beschlossen, die Finanzierung
bleibt unklar "ET 24.10.2014" =
Wien (OTS) - Den Gott in Weiß gibt es nicht mehr: Der Arzt, der
zwischen Operationssaal, Golfplatz und Capri tingelt, ist nichts als
Klischee, das mit dem Arztberuf wenig gemein hat. Die Realität sieht
anders aus: lange Arbeitszeiten, Nacht- und Wochenenddienste,
übervolle Ambulanzen und Wartezimmer. Ärzte, die sich mit
Routinetätigkeiten herumschlagen müssen und mehr Zeit mit
Zettelwirtschaft als mit Patienten verbringen: Sie sind übermüdet und
überarbeitet. Die Patienten haben Besseres verdient; die Ärzte auch.
Der Berufsstand der Götter ist zu einem Berufsstand der Ausgebrannten
geworden. Das System krankt und macht Ärzte krank. Aber nicht die
unbefriedigenden Arbeitsbedingungen haben zu einem Umdenken und in
der Folge zum neuen, am Donnerstag beschlossenen
Ärzteausbildungsgesetz geführt, sondern der Mangel an Arbeitskräften.
Der Aufstand gegen das System ging von den Jungärzten aus. Bis zu
einem Drittel gehen ins Ausland. Weil es jahrelang ein Überangebot an
Turnusärzten gab, wurden die "Frischgefangten" als Systemerhalter in
den Krankenhäusern eingesetzt. Der Fokus lag weniger auf der
Ausbildung, sondern auf Blutabnahmen und Infusionen. Das System
drohte zu kollabieren. Erst als ein Engpass entstand und die
"Deppenarbeit" liegenblieb, wurde reagiert. Nun soll wieder die
Ausbildung der Jungärzte im Zentrum stehen, um sie im Land zu halten.
Neun Monate Basisausbildung statt drei Jahren Turnus, dann ein halbes
Jahr Lehrpraxis. Erst danach beginnt die Facharztausbildung.
Wirklich ausgereift ist das
neue Ausbildungsgesetz aber nicht. Die Lehrpraxis bei einem
Allgemeinmediziner, die die Jungärzte auf den Praxisalltag
vorbereiten soll, ist mit sechs Monaten zu kurz, sagen Kritiker - und
noch nicht einmal finanziert, räumt auch Gesundheitsministerin Sabine
Oberhauser ein. Nach Ausbildungspraxen wird händeringend gesucht,
Anreize für die Mediziner gibt es bisher aber kaum. Der ausbildende
Arzt musste bisher dafür sorgen, dass der Auszubildende angemessen
bezahlt wird. Ob das so bleibt, ist trotz Gesetzesbeschluss noch
unklar.
Im Krankenhaus gibt es aber
noch eine andere Baustelle: die Ärztearbeitszeit. Seit einem guten
Jahrzehnt kritisiert die EU die geltenden Arbeitszeiten in
Österreich, ein Vertragsverletzungsverfahren drohte. Erst jetzt
passiert das Gesetz von Sozialminister Rudolf Hundstorfer das
Parlament. Von 72 Wochenstunden wird schrittweise auf eine
48-Stunden-Woche reduziert. Zur Erinnerung: Der durchschnittliche
Österreicher arbeitet 38,5 Stunden pro Woche. Warum wurde das so
lange in Kauf genommen? Weil die Nacht- und Wochenenddienste auch ein
finanzieller Anreiz waren. Das Grundgehalt für Ärzte ist in
Österreich verglichen mit anderen EU-Ländern niedrig. Wird die
Arbeitszeit gekürzt, sinkt auch der Verdienst. Zu Recht fordern die
Ärzte einen Ausgleich für den Lohnentfall. Wer will plötzlich ein
Drittel weniger verdienen?
In der Steiermark wurde der Forderung nachgegeben. Zunächst übernimmt
das Land - wo eingespart wird, ist nicht bekannt. Auch hier lautet
die zentrale Frage: Wer soll das bezahlen? Das ist das Grundproblem
der heimischen Gesundheitspolitik. Wie auch bei der Lehrpraxis oder
bei der Gratiszahnspange gilt: Gesetz beschlossen, zu Ende gedacht
ist es nicht.
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