- 23.10.2014, 12:14:52
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- OTS0141 OTW0141
Grenzkontrollgesetz: Massive menschen- und kinderrechtliche Probleme
Netzwerk Kinderrechte kritisiert, dass "alle Kinder und Jugendlichen sicherheitshalber vorläufig an der Ausreise aus Österreich gehindert und ihnen der Pass entzogen werden kann".
Utl.: Netzwerk Kinderrechte kritisiert, dass "alle Kinder und
Jugendlichen sicherheitshalber vorläufig an der Ausreise aus
Österreich gehindert und ihnen der Pass entzogen werden kann". =
Wien (OTS) - "Wir vermissen in diesem Gesetzesvorschlag jegliche
Auseinandersetzung mit Grund- und Menschenrechten von Kindern und
Jugendlichen und sehen gleichzeitig massive menschen- und
kinderrechtliche Probleme mit dem vorliegenden Entwurf verbunden."
beginnt die Stellungnahme des Netzwerks Kinderrechte Österreich zum
"Ministerialentwurf betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das
Grenzkontrollgesetz und das Staatsbürgerschaftsgesetz 1985 geändert
werden", dessen Begutachtungsfrist am gestrigen 22. Oktober 2014
endete. Der Dachverband der 42 Organisationen, die sich für die
Umsetzung der UN-Kinderrechtskonvention in Österreich einsetzen, regt
an, "die Zielsetzungen und Mittel dieses Entwurfs nochmals
grundsätzlich zu überdenken".
Aus dem Gesetzesvorschlag: "Die Organe des öffentlichen
Sicherheitsdienstes sind im Rahmen der Grenzkontrolle ermächtigt, bei
Minderjährigen zu überprüfen, ob das Einverständnis dessen zum
Grenzübertritt vorliegt, dem [...] das Recht zur Bestimmung des
Aufenthaltes zukommt, sofern Zweifel daran bestehen. Bis zur
Ausräumung dieser Zweifel sind die Organe ermächtigt, dem
Minderjährigen den Grenzübertritt zu verwehren und dessen
Reisedokument einzubehalten." und weiters: "Einem Staatsbürger, der
freiwillig für eine bewaffnete Gruppe aktiv an Feindseligkeiten im
Ausland im Rahmen eines bewaffneten Konfliktes teilnimmt, ist die
Staatsbürgerschaft zu entziehen, wenn er dadurch nicht staatenlos
wird."
Das Netzwerk Kinderrechte hält dazu in seiner Stellungnahme fest: "Es
gibt ein Grundrecht auf Freizügigkeit (Art 2 Absatz 2 des 4.
Zusatzprotokoll der EMRK), welches das Recht jeder Person "jedes
Land, einschließlich seines eigenen, zu verlassen" beinhaltet. Dieses
Grundrecht gilt grundsätzlich auch für Kinder. Durch die nun
vorgeschlagenen Änderungen zum Grenzkontrollgesetz werden allerdings
im Ergebnis alle Minderjährigen gleichsam unter Generalverdacht
gestellt, dass ihre Eltern nicht mit der Ausreise einverstanden sind.
Alle Kinder und Jugendlichen können "sicherheitshalber" vorläufig an
der Ausreise gehindert und ihnen der Pass entzogen werden. Beides
sind Grundrechtseingriffe und bedürfen der Rechtfertigung. Aber auf
das Vorliegen eines konkreten Verdachts auf Begehung einer Straftat
oder ähnliches kommt es nicht an. Und um eine Zustimmung zur Ausreise
zu überprüfen ist laut Erläuterungen "eine telefonische
Kontaktaufnahme mit dem Obsorgeberechtigten" vorgesehen. Wie soll das
in der Praxis durchgeführt werden? Dies erscheint ein unzulängliches
und untaugliches Mittel: So können Eltern nicht erreichbar oder
unbekannt (Kriegsflüchtling) bzw. die Minderjährigen sogar auf der
Flucht vor ihnen sein (Menschenhandel, Zwangsverheiratung)."
Zur Entziehung der Staatsbürgerschaft heißt es: "Die Bestimmung
unterscheidet nicht zwischen Volljährigen und Minderjährigen. Unklar
ist, ob die "Freiwilligkeit" von unter/über 18-Jährigen an dieselben
Maßstäbe zu knüpfen ist. Problematisch ist, die Einsichtsfähigkeit
für die geforderte Freiwilligkeit auch in diesen Fällen der Teilnahme
an bewaffneten Konflikten ab 14 Jahren gesetzlich einfach zu
vermuten. Können mögliche Betroffene unter 18 Jahren diese
Freiwilligkeit inklusive der Tragweite ihrer Handlungen unter diesen
besonderen Umständen (manipulative Rekrutierungspraktiken) wirklich
einschätzen? Erfahrungen zeigen, dass Minderjährige zum Beispiel
"gebrieft" werden und ihnen falsche Versprechungen gemacht werden -
wie kann man hier von Freiwilligkeit sprechen?"
Abschließend weisen die 42 Kinderrechts-Organisationen darauf hin,
dass völkerrechtlich die Rekrutierung Minderjähriger für den Einsatz
in bewaffneten Konflikten eine massive Kinderrechtsverletzung (Art 4
Fakultativprotokoll zur Kinderrechtskonvention betreffend Beteiligung
von Kindern an bewaffneten Konflikten) und ein Kriegsverbrechen (vgl.
Art 8 Abs 2 lit b xxvi Rom-Statut des Internationalen
Strafgerichtshofs) darstellt. Es erscheine angebracht, "dass sich die
Republik Österreich vorrangig dafür einsetzt, die Akteure dieser
Kriegsverbrechen zur Verantwortung zu ziehen, und nicht in Bezug auf
davon betroffene Jugendliche diese primär mittels
Staatsangehörigkeitsentzug zu "bestrafen" versucht." Präventive
Maßnahmen im Inland etwa im Bereich der Kinder- und Jugendarbeit
vorab zur Verhinderung dieser Kriegsverbrechen seien der richtige
Weg.
Die vollständige Stellungnahme des Netzwerks Kinderrechte Österreich
findet sich neben weiterer Stellungnahmen wie der
Bundesjugendvertretung und der Asylkoordination auf
http://www.parlament.gv.at/PAKT/VHG/XXV/ME/ME_00060/index.shtml
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