Grenzkontrollgesetz: Massive menschen- und kinderrechtliche Probleme
Netzwerk Kinderrechte kritisiert, dass "alle Kinder und Jugendlichen sicherheitshalber vorläufig an der Ausreise aus Österreich gehindert und ihnen der Pass entzogen werden kann".
Wien (OTS) - "Wir vermissen in diesem Gesetzesvorschlag jegliche Auseinandersetzung mit Grund- und Menschenrechten von Kindern und Jugendlichen und sehen gleichzeitig massive menschen- und kinderrechtliche Probleme mit dem vorliegenden Entwurf verbunden." beginnt die Stellungnahme des Netzwerks Kinderrechte Österreich zum "Ministerialentwurf betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Grenzkontrollgesetz und das Staatsbürgerschaftsgesetz 1985 geändert werden", dessen Begutachtungsfrist am gestrigen 22. Oktober 2014 endete. Der Dachverband der 42 Organisationen, die sich für die Umsetzung der UN-Kinderrechtskonvention in Österreich einsetzen, regt an, "die Zielsetzungen und Mittel dieses Entwurfs nochmals grundsätzlich zu überdenken".
Aus dem Gesetzesvorschlag: "Die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes sind im Rahmen der Grenzkontrolle ermächtigt, bei Minderjährigen zu überprüfen, ob das Einverständnis dessen zum Grenzübertritt vorliegt, dem [...] das Recht zur Bestimmung des Aufenthaltes zukommt, sofern Zweifel daran bestehen. Bis zur Ausräumung dieser Zweifel sind die Organe ermächtigt, dem Minderjährigen den Grenzübertritt zu verwehren und dessen Reisedokument einzubehalten." und weiters: "Einem Staatsbürger, der freiwillig für eine bewaffnete Gruppe aktiv an Feindseligkeiten im Ausland im Rahmen eines bewaffneten Konfliktes teilnimmt, ist die Staatsbürgerschaft zu entziehen, wenn er dadurch nicht staatenlos wird."
Das Netzwerk Kinderrechte hält dazu in seiner Stellungnahme fest: "Es gibt ein Grundrecht auf Freizügigkeit (Art 2 Absatz 2 des 4. Zusatzprotokoll der EMRK), welches das Recht jeder Person "jedes Land, einschließlich seines eigenen, zu verlassen" beinhaltet. Dieses Grundrecht gilt grundsätzlich auch für Kinder. Durch die nun vorgeschlagenen Änderungen zum Grenzkontrollgesetz werden allerdings im Ergebnis alle Minderjährigen gleichsam unter Generalverdacht gestellt, dass ihre Eltern nicht mit der Ausreise einverstanden sind. Alle Kinder und Jugendlichen können "sicherheitshalber" vorläufig an der Ausreise gehindert und ihnen der Pass entzogen werden. Beides sind Grundrechtseingriffe und bedürfen der Rechtfertigung. Aber auf das Vorliegen eines konkreten Verdachts auf Begehung einer Straftat oder ähnliches kommt es nicht an. Und um eine Zustimmung zur Ausreise zu überprüfen ist laut Erläuterungen "eine telefonische Kontaktaufnahme mit dem Obsorgeberechtigten" vorgesehen. Wie soll das in der Praxis durchgeführt werden? Dies erscheint ein unzulängliches und untaugliches Mittel: So können Eltern nicht erreichbar oder unbekannt (Kriegsflüchtling) bzw. die Minderjährigen sogar auf der Flucht vor ihnen sein (Menschenhandel, Zwangsverheiratung)."
Zur Entziehung der Staatsbürgerschaft heißt es: "Die Bestimmung unterscheidet nicht zwischen Volljährigen und Minderjährigen. Unklar ist, ob die "Freiwilligkeit" von unter/über 18-Jährigen an dieselben Maßstäbe zu knüpfen ist. Problematisch ist, die Einsichtsfähigkeit für die geforderte Freiwilligkeit auch in diesen Fällen der Teilnahme an bewaffneten Konflikten ab 14 Jahren gesetzlich einfach zu vermuten. Können mögliche Betroffene unter 18 Jahren diese Freiwilligkeit inklusive der Tragweite ihrer Handlungen unter diesen besonderen Umständen (manipulative Rekrutierungspraktiken) wirklich einschätzen? Erfahrungen zeigen, dass Minderjährige zum Beispiel "gebrieft" werden und ihnen falsche Versprechungen gemacht werden -wie kann man hier von Freiwilligkeit sprechen?"
Abschließend weisen die 42 Kinderrechts-Organisationen darauf hin, dass völkerrechtlich die Rekrutierung Minderjähriger für den Einsatz in bewaffneten Konflikten eine massive Kinderrechtsverletzung (Art 4 Fakultativprotokoll zur Kinderrechtskonvention betreffend Beteiligung von Kindern an bewaffneten Konflikten) und ein Kriegsverbrechen (vgl. Art 8 Abs 2 lit b xxvi Rom-Statut des Internationalen Strafgerichtshofs) darstellt. Es erscheine angebracht, "dass sich die Republik Österreich vorrangig dafür einsetzt, die Akteure dieser Kriegsverbrechen zur Verantwortung zu ziehen, und nicht in Bezug auf davon betroffene Jugendliche diese primär mittels Staatsangehörigkeitsentzug zu "bestrafen" versucht." Präventive Maßnahmen im Inland etwa im Bereich der Kinder- und Jugendarbeit vorab zur Verhinderung dieser Kriegsverbrechen seien der richtige Weg.
Die vollständige Stellungnahme des Netzwerks Kinderrechte Österreich findet sich neben weiterer Stellungnahmen wie der Bundesjugendvertretung und der Asylkoordination auf
http://www.parlament.gv.at/PAKT/VHG/XXV/ME/ME_00060/index.shtml
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