- 17.10.2014, 18:00:35
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OÖNachrichten-Leitartikel: "Der Bürger - ein gespaltenes Wesen", von Gerald Mandlbauer
Ausgabe vom 18. Oktober 2014
Utl.: Ausgabe vom 18. Oktober 2014 =
Linz (OTS) - Das interessanteste innenpolitische Experiment der
letzten zwei Jahre findet in der Steiermark statt, wo sich
Landeshauptmann und Stellvertreter in einer Art Blutsbrüderschaft
aufeinander eingelassen und darauf verständigt haben, mittels
Kraftakt die "schwarze Null" in den Landesfinanzen zu erwirtschaften.
Vor einigen Wochen ist es so weit gewesen. Die Null steht.
Dazu wurden, gegen den Willen vieler, vor allem jedoch gegen den
vieler Bürgermeister, eine Menge Gemeinden fusioniert. Das wird die
Steiermark nach vorne bringen, das sehen auch die Steirer so. Laut
einer Umfrage der "Kleinen Zeitung" meinen sechs von zehn, dass die
Änderungen und der Reformkurs in den kommenden fünf Jahren der
Steiermark einen Vorsprung vor anderen Ländern bringen würden.
Entsprechende Reaktionen haben Hinweise und Fragen zur
"Reformpartnerschaft" Voves/Schützenhöfer bei anderen
Landeshauptleuten zur Folge, Blutdrucksteigerung und Änderung der
Gesichtsfarbe ist noch das Mindeste. Dies hat vor allem damit zu tun,
dass die Steirer ihren politischen Jargon geändert haben, sie
sprechen die Dinge unverschnörkelt an. Gut im Ohr ist uns noch der
Sager von Franz Voves: "Glaubt's doch denen nicht, die immer
behaupten, dass wir so weiterwursteln können wie bisher und dass
Gemeindefusionen nichts bringen."
Der Ausgang der steirischen Radikalkur ist offen. Nächstes Jahr wird
gewählt und wie die Prognosen aussehen, glaubt zwar eine Mehrheit,
dass sich der Reformkurs auszahlen werde. Trotzdem werden Voves und
Schützenhöfer am Wahltag mit Einbußen rechnen müssen, auch das deutet
die oben zitierte Umfrage der "Kleinen" an.
Wie ist das zu erklären? Sind die Bürger tatsächlich in sich
Zerrissene, wenn sie auf der einen Seite Maßnahmen als wirkungsvoll
und erfolgreich bezeichnen - und wenn sie zugleich für diese ihrer
Meinung nach sinnvollen Vorhaben Watschn austeilen?
Diese Gespaltenheit hat mit einer tief in uns verankerten
Grundhaltung zu tun. Wir werten die Gegenwart immer höher als die
Zukunft. Die Mühen von heute werden als schwerwiegender empfunden als
der übermorgen zu erwartende Effekt. Das Warten hat damit seine
Bedeutung verloren, das gilt erst recht für die Politik, die den
"Sofortismus" und die Kurzatmigkeit besonders nachdrücklich zu spüren
bekommt.
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