- 25.09.2014, 08:43:05
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Gratwanderung zwischen Autonomie und Herdenimmunität
Experten tagen zu rechtlichen, ethischen und medizinischen Aspekte von Schutzimpfungen.
Utl.: Experten tagen zu rechtlichen, ethischen und medizinischen
Aspekte von Schutzimpfungen. =
Wien (OTS) - Namhafte ExpertInnen aus unterschiedlichsten Bereichen
diskutierten im Rahmen einer Tagung des Instituts für Ethik und Recht
in der Medizin und der Plattform Patientensicherheit über rechtliche,
ethische und medizinische Aspekte von Schutzimpfungen.
Schutzimpfungen zählen zu den wirksamsten primären Präventivmaßnahmen
in der Medizin. Darüber gibt es wissenschaftlich keine Zweifel. Mit
ihrer Hilfe ist es gelungen, viele Krankheiten zu überwinden oder
effizient zu bekämpfen. Aus medizinischer und volkswirtschaftlicher
Sicht ein unbestreitbarer Benefit, ist damit allerdings aus
psychologischer Sicht auch ein gewisses Gefahrenpotenzial verbunden.
Bedrohungsszenarien sind verschwunden und haben in Teilen der
Bevölkerung zur Impfskepsis und Impfmüdigkeit geführt.
"Die Risikowahrnehmung ist abhängig vom Erfolg der Impfprogramme",
erläuterte Prof. Dr. Ursula Wiedermann-Schmidt, Leiterin des
Instituts für Spezifische Prophylaxe und Tropenmedizin an der
Medizinischen Universität Wien: "Weil Programme so erfolgreich waren,
ist der Schrecken verloren gegangen." Laut Wiedermann-Schmidt
verfolgen Impfprogramme generell vier Ziele: den Individualschutz,
den kollektiven Schutz, die Reduktion von Erkrankungsinzidenz - also
die Verhinderung von Epidemien - sowie die regionale Elimination bzw.
globale Eradikation von Krankheitsbildern, wie dies bei den Pocken
gelungen ist. Das wesentliche Erfolgskriterium für nationale
Impfprogramme ist für Wiedermann-Schmidt das Erreichen einer
"Herdenimmunität".
Besonders emotional wurde die Diskussion über Pro und Contra von
Schutzimpfungen, über Autonomie und Verantwortung, im Zusammenhang
mit dem Kinderimpfprogramm geführt. Prof. Dr. Reinhold Kerbl, Leiter
der Abteilung für Kinder und Jugendliche am LKH Leoben, hat vier
Elterngruppen identifiziert: 40 Prozent aller Eltern befolgen demnach
die Impfempfehlungen des Nationales Impfgremiums zu 100 Prozent, ein
fast ebenso großer Teil befürwortet Impfungen zwar grundsätzlich,
modifiziert die Pläne der Experten aber. Die Impfskeptiker tun dies
in einem noch viel größeren Maße. Die Impfgegner schließlich lehnen
jede Impfung kategorisch ab. Der Gruppe sind immerhin drei bis vier
Prozent der Eltern zuzurechnen. Kerbls Appell: "Ja es gibt
Impfnebenwirkungen, in sehr seltenen Fällen auch Impfkomplikationen,
aber die stehen medizinisch in keinem Verhältnis zu den
Komplikationen, die aus den Krankheiten entstehen können.
Mit der Aufklärungspflicht im Rahmen von Schulimpfungen setzte sich
Prof. Dr. Andreas Kletecka von der Universität Salzburg auseinander.
Er berichtete, dass im Zusammenhang mit einer Gerichtsentscheidung
aus dem Jahr 2010 Zweifel daran laut wurden, ob Schulimpfungen
überhaupt rechtmäßig durchgeführt werden können. Vor einer Impfung
wäre nämlich ein Aufklärungsgespräch mit den Eltern zu führen, zu dem
es in der Praxis kaum einmal komme. Im Auftrag des Bundesministeriums
für Gesundheit hatte Kletecka ein Gutachten erstellt, dessen
Empfehlungen nun vom Ministerium übernommen wurden. Der Zivilrechtler
schlägt darin eine Kombination aus schriftlicher Aufklärung mit der
Nennung der wichtigsten Risiken und einem Verzicht für jene Eltern
vor, die das angebotene Aufklärungsgespräch nicht führen wollen.
Kontakt: Dr. Maria Kletecka-Pulker, maria.kletecka@univie.ac.at,
0664/6027722202
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