- 20.08.2014, 10:52:27
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WWF und GLOBAL 2000: Schwarz-Grünes Licht für Österreichs größtes Öko-Desaster?
Tiroler Landesregierung darf sich nicht zum Handlanger der TIWAG machen.
Utl.: Tiroler Landesregierung darf sich nicht zum Handlanger der
TIWAG machen. =
Innsbruck/Wien (OTS) - Im Juli hat sich die Tiroler Landesregierung
mit dem so genannten "Maßnahmenpaket 2014" zum massiven Ausbau der
Wasserkraft im Oberland bekannt. Der entsprechende
"Wasserwirtschaftliche Rahmenplan" der TIWAG (Tiroler Wasserkraft AG)
für die Errichtung von sechs naturzerstörerischen Mega-Kraftwerken
liegt derzeit zur öffentlichen Einsicht auf. Der WWF und Österreichs
führende Umweltorganisationen GLOBAL 2000, Greenpeace und das ÖKOBÜRO
analysieren diesen TIWAG-Plan als energiepolitisch veraltet,
ökologisch desaströs, rechtlich fragwürdig und demokratiepolitisch
bedenklich. Viele der vorgeschlagenen Ausgleichsmaßnahmen zur
angeblichen Reduktion der vielfältigen Umweltschäden, die durch die
Wasserkraftwerke entstehen würden, seien vielfach bestenfalls als
Kosmetik zu bezeichnen und naturschutzfachlich nicht nachvollziehbar.
"Wir erwarten uns von der Tiroler Landesregierung und ganz besonders
von den Grünen bis zum 8. September eine negative Stellungnahme zu
den Ausbauplänen der TIWAG bei Umweltminister Andrä Rupprechter - zum
Schutz der Umwelt und der SteuerzahlerInnen", fordern die NGOs. Am 8.
9. 2014 endet die Stellungnahmefrist beim Umweltminister.
Ihre Kritik am "Wasserwirtschaftlichen Rahmenplan
Großwasserkraftwerksvorhaben Tiroler Oberland", die sie heute in
Innsbruck vorstellten, stützen der WWF und eine breite Allianz der
Umwelt-NGOs auf eine gründliche Erstanalyse des 800-Seiten-Werkes der
TIWAG.
Im Rahmenplan listet die TIWAG die Umweltauswirkungen der jeweiligen
Kraftwerksstandorte auf und beurteilt diese tabellarisch. So soll die
Zerstörung von 17 Hektar jahrhundertealter, einmaliger Moorflächen im
Platzer- und Längental wettgemacht werden, indem in den Staubecken
von Inn-Kraftwerken künstliche Ersatzlebensräume angelegt werden.
"Das ist, als würde man dem Goldenen Dachl die wertvollsten Schindeln
entreißen und die entstandenen Löcher mit goldenem Bonbonpapier
kaschieren", veranschaulicht Christoph Walder vom WWF. Insgesamt
sollen den TIWAG-Kraftwerken 180 Hektar Feuchtgebiete, Moore,
Trockenrasen und einzigartige Flüsse, Bäche und Auen geopfert werden
- wertvollste Natur und Habitate für bedrohte Arten. "Dabei stehen im
Oberinntal bereits 300 Kraftwerke - damit hat die Region ihren
Beitrag zum Wasserkraftausbau wohl schon geleistet", rechnet DI
Thomas Diem vom WWF vor.
Nicht nur die Umweltverbände, sondern sogar die TIWAG selbst rechnet
mit negativen oder erheblich negativen ökologischen Auswirkungen
ihrer Vorhaben auf die Tiroler Natur. Im Wasserwirtschaftsplan
schätzt der Energiekonzern die eigenen Kraftwerke mittels einer Art
Checkliste anhand von 16 Themenfeldern in Punkto Umweltauswirkungen
ein. Demnach rechnet man für die Speicherkraftwerke in über 60
Prozent der untersuchten Themenbereiche mit negativen Folgewirkungen
auf Landschaft, Tourismus, Lebensräume von Tieren und Pflanzen und
andere Bereiche. Es sei jedoch, heißt es in dem Papier, "davon
auszugehen", dass sämtliche negativen Auswirkungen durch
Ausgleichsmaßnahmen auf ein "vertretbares Maß" reduziert werden
können und somit voraussichtlich vertretbar oder vernachlässigbar
seien - ein Ausgleichsmaßnahmensystem, das für die Umwelt-NGOs
fachlich nicht nachvollziehbar ist und deshalb von ihnen abgelehnt
wird.
Dr. Reinhard Uhrig, Energieexperte der Umweltorganisation GLOBAL
2000, gibt zu bedenken, dass die von der TIWAG vorgeschlagenen
Kraftwerksprojekte aus der Zeit vor dem Atom-Ausstieg Deutschlands
nach der Fukushima-Katastrophe 2011 stammen. Basierend auf einem
ersten Entwurf aus dem Jahr 2008, muss der Rahmenplan der TIWAG
mittlerweile in weiten Teilen als überholt bezeichnet werden. Er
entspricht nicht mehr den aktuellen Anforderungen und Erkenntnissen
der massiv an Fahrt gewonnenen Energiewende. Konnten vor wenigen
Jahren noch mit dem Preisunterschied zwischen billigem
Nacht-Pumpstrom und teuer verkauftem Mittags-Wasserkraft-Strom gute
Gewinne mit Pumpspeicherkraftwerken erzielt werden, ist die Situation
nach dem massiven Ausbau der Sonnenkraftwerke auf über 36 000
Megawatt installierte Leistung in Deutschland völlig anders: Die
ehemals einträgliche Mittags-Spitze ist zur Delle im Strompreis
geworden, weshalb das bisherige Hauptgeschäft der
Pumpspeicherbetreiber verloren gehen wird. Mit der Erweiterung der
Pumpspeicher im Kaunertal bzw. im Kühtai drohe Tirol demnach eine
Naturzerstörung riesigen Ausmaßes ohne energiewirtschaftliche
Notwendigkeit.
In einer aktuellen Untersuchung des renommierten Fraunhofer Instituts
in Deutschland wird festgestellt, dass für die Versorgungssicherheit
keine neuen Stromspeicher gebraucht werden, weil Europa die
schwankende Stromerzeugung durch Sonne und Wind aufgrund der
Flexibilisierung des Strommarktes ausgleichen kann. Auch die
E-Control als oberster Energieregulator Österreichs stellte im Juni
2014 klar, dass Österreich keine zusätzlichen Kraftwerke benötigt.
Demnach verbraucht Österreich an kalten Wintertagen etwa 10.000
Megawatt an Spitzenleistung; kann aber auf Kraftwerke mit einer
Gesamtleistung von etwa 23.000 Megawatt zurückgreifen. "Wir sehen die
realistische Gefahr, dass neben grober Umweltzerstörung zum Bau von
einigen wenigen Megawatt auch noch die Tiroler SteuerzahlerInnen in
eine Schulden-Lawine gesteuert werden", warnt Uhrig. "Eine
verantwortliche Landesregierung als Alleinbesitzer des Projektwerbers
TIWAG muss hier die ökonomische und ökologische Notbremse ziehen."
Für die Umweltorganisationen wiegt außerdem besonders schwer, dass
der TIWAG-Plan keiner frühzeitigen und effektiven Bürgerbeteiligung
unterzogen wurde. "Der Öffentlichkeit wurde erst Ende Juli - mitten
in der Urlaubszeit - der im Wesentlichen fertige Plan vorgelegt",
kritisiert Mag. Thomas Alge, Geschäftsführer des ÖKOBÜRO - Allianz
der Umweltbewegung. "Das steht im Widerspruch zum europäischen Recht,
wonach die Öffentlichkeit zu einem Zeitpunkt einbezogen werden muss,
an dem noch alle Optionen offen sind - auch die Null-Option", so der
Umweltjurist.
Schon allein deshalb sei ein Festhalten der Tiroler Landesregierung
am TIWAG-Plan inakzeptabel. Alge unterstreicht: "Österreich wurde
erst unlängst von der EU-Kommission wegen fehlender Einbindung der
Öffentlichkeit in Umweltverfahren gerügt und ein Beschwerdeverfahren
gegen die Republik eröffnet. Ich glaube nicht, dass das Land Tirol
dafür verantwortlich sein will, wenn Österreich deswegen von der EU
verurteilt wird."
WWF, GLOBAL 2000, Greenpeace und das ÖKOBÜRO erwarten sich deshalb,
dass die Tiroler Landesregierung die Notbremse beim vorliegenden
TIWAG-Rahmenplan zieht. "Niemand, dem die Ökologie und der
Naturschutz ein Anliegen sind, kann diesen Rahmenplan unterstützen
oder dulden. Die Tiroler Landesregierung darf diesem Öko-Desaster
kein schwarz-grünes Licht erteilen und sich nicht zum Handlanger der
TIWAG machen", stellen die NGOs klar. "Auch wirtschaftlich darf die
TIWAG keine Hypothek für das Land werden", so die Umweltverbände
abschließend.
Faktenblatt "Erstanalyse des TIWAG-Rahmenplans" zum Download auf
www.wwf.at/presse
Aktuelle Studie der renommierten ETH Zürich, in welcher die Autoren
zum Schluss kommen, dass sich Neuinvestitionen in
Pumpspeicherkraftwerke nicht lohnen, unter www.global2000.at
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