Zusatztafeln unter den historischen Bildern im Parlamentsklub sollen sowohl Licht- als auch Schattenseiten beleuchten
Utl.: Zusatztafeln unter den historischen Bildern im Parlamentsklub
sollen sowohl Licht- als auch Schattenseiten beleuchten =
Wien (OTS/ÖVP-PK) - ÖVP-Klubobmann Dr. Reinhold Lopatka plädiert
anlässlich des 80. Todestages des ehemaligen christlichsozialen
Bundeskanzlers Engelbert Dollfuß für eine differenzierte Betrachtung
seiner Persönlichkeit:
Positiv anzurechnen sei Dollfuß, dass er an dieses Österreich zu
einem Zeitpunkt glaubte, als viele den Glauben schon aufgegeben
hatten. Er erweckte 1933 und 1934 den österreichischen
Selbstbehauptungswillen gegenüber dem nationalsozialistischen Terror.
Dem Nationalsozialismus galt Dollfuß als explizites Feindbild.
Bereits am 3. Oktober 1933 war er bei einem Schussattentat im
Parlament verletzt worden. Er bezahlte den Widerstand gegen den
Nationalsozialismus schließlich mit seinem Leben. Im Zuge des
NS-Putschversuchs vom 25. Juli 1934, also genau vor 80 Jahren, wurde
er von nationalsozialistischen Attentätern im Bundeskanzleramt
erschossen. Nach der Niederschlagung des Schutzbundaufstandes vom 12.
Februar 1934, der standrechtlichen Hinrichtung mehrerer
Schutzbundfunktionäre und dem Verbot der Sozialdemokratischen Partei
erfolgte mit 1. Mai 1934 die Inkraftsetzung einer neuen autoritären
(und undemokratischen) Verfassung.
Für Lopatka gibt es aber auch die dunkle Seite des Engelbert Dollfuß
zu beleuchten. "Die Aufhebung der Verfassung und des Parlaments hat
er auch zu verantworten. Nach dem Rücktritt der drei Präsidenten des
Nationalrats am 4. März 1933 schlug Bundeskanzler Dollfuß im
Einvernehmen mit den Spitzen der Christlichsozialen Partei einen
autoritären Kurs ein und regierte ohne Nationalrat mit Hilfe
kriegswirtschaftlicher Notverordnungen. Die Parteien wurden
schrittweise aus dem politischen Leben verdrängt; unter Bruch der
Verfassung wurde der Verfassungsgerichtshof ausgeschaltet."
Anlässlich des Gedenktages spricht Lopatka vor allem das viel
zitierte Dollfuß-Bild im Parlamentsklub an: "Dieses Bild ist Teil
eines historischen Ensembles von Bildern. Als man diese bei der
Etablierung des Klubs Ende der 40er-Jahre anschaffte, hat man diese
Auswahl getroffen. Drei der Köpfe repräsentierten die damals
existierenden drei Bünde: Leopold Kunschak, Leopold Figl und Julius
Raab. Dazu kommen andere wichtige Exponenten der Christlichsozialen
wie Jodok Fink, Ignaz Seipel und Parteigründer Karl Lueger." Um eine
differenzierte Sichtweise auf die Geschichte zu ermöglichen, werden
nun über den Sommer Zusatztafeln unter den Bildern angebracht, die
die Arbeit der dargestellten Politiker beleuchten soll. Für den
Inhalt der Tafeln, die jeweils auf ca. einer A4-Seite die Facetten
des Wirkens der Politiker darstellen soll, zeichnet Mag. Dr. Helmut
Wohnout verantwortlich, der Dozent für Neuere österreichische
Geschichte an der Universität Graz ist.
Der Inhalt der Zusatztafel zu Engelbert Dollfuß wird aus aktuellem
Anlass hier angehängt:
-Engelbert Dollfuß-
"Engelbert Dollfuß wurde 1892 im niederösterreichischen Texing
geboren. Er studierte, unterbrochen von seinem Kriegsdienst während
des Ersten Weltkriegs, an der Wiener Universität Jus und trat 1922 in
die Niederösterreichische Landes-Landwirtschaftskammer ein, deren
Kammeramtsdirektor er 1927 wurde. Im März 1931 wurde er unter
Bundeskanzler Otto Ender als Bundesminister für Land- und
Forstwirtschaft in die Bundesregierung berufen. Nach dem Zerbrechen
der Regierung Buresch in Folge der erdrutschartigen Gewinne der
Nationalsozialisten bei den Landtagswahlen im April 1932 wurde er mit
der Bildung der Bundesregierung beauftragt. Mangels der Bereitschaft
anderer Parteien in das Kabinett einzutreten, bildete er eine
Koalition aus Christlichsozialen, Landbund und der Heimwehrfraktion,
wobei die parlamentarische Mehrheit dieser Koalition von Beginn an
unsicher schien. Gegen den erbitterten Widerstand der Opposition
gelang im Sommer 1932 die parlamentarische Beschlussfassung der
Lausanner Völkerbundanleihe. Ab diesem Zeitpunkt sollten sich die
weltanschaulichen Gräben weiter vertiefen.
Nach dem Rücktritt der drei Präsidenten des Nationalrats vom 4. März
1933 schlug Dollfuß im Einvernehmen mit den Spitzen der
Christlichsozialen Partei den autoritären Kurs ein und regierte ohne
Nationalrat mit Hilfe der kriegswirtschaftlicher Notverordnungen. Die
Parteien wurden schrittweise aus dem politischen Leben verdrängt;
unter Bruch der Verfassung wurde der Verfassungsgerichtshof
ausgeschaltet. Nach der Niederschlagung des Schutzbundaufstandes vom
12. Februar 1934, der standrechtlichen Hinrichtung mehrerer
Schutzbundfunktionäre und dem Verbot der Sozialdemokratischen Partei
erfolgte mit 1. Mai 1934 die Inkraftsetzung einer neuen autoritären
(und undemokratischen) Verfassung.
Zugleich erweckte Dollfuß den österreichischen
Selbstbehauptungswillen gegenüber dem nationalsozialistischen Terror,
der insbesondere nach dem Machtantritt Hitlers als Deutscher
Reichskanzler immer aggressiver auf eine nationalsozialistische
Regierungsbeteiligung und in weiterer Folge auf eine
nationalsozialistische Machtübernahme abzielte. Dem
Nationalsozialismus galt Dollfuß als explizites Feindbild. Bereits am
3. Oktober 1933 war er bei einem Schussattentat im Parlament verletzt
worden. Im Zuge des NS-Putschversuchs vom 25. Juli 1934 wurde er von
nationalsozialistischen Attentätern im Bundeskanzleramt erschossen."
(Schluss)
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