• 11.06.2014, 12:43:35
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  • OTS0172 OTW0172

Energieeffizienzgesetz: Wirtschaftskammer sieht erhebliche Mängel aus rechtsstaatlicher Sicht

Industrie, Gewerbe und Haushalte sollen kräftig zur Kasse gebeten - keine Zustimmung der WKÖ zu unausgereiftem Schnellschuss

Utl.: Industrie, Gewerbe und Haushalte sollen kräftig zur Kasse
gebeten - keine Zustimmung der WKÖ zu unausgereiftem
Schnellschuss =

Wien (OTS/PWK395) - Das im Ministerrat heute, Mittwoch, angenommene
Energieeffizienzgesetz findet in der derzeitigen Form nicht die
Zustimmung der Wirtschaftskammer Österreich (WKÖ): "Zu viele
Einschränkungen, zu hohe Kosten, zu viel Bürokratie", fasst Stephan
Schwarzer, Leiter der WKÖ-Abteilung Umwelt- und Energiepolitik, die
Gesamtbeurteilung der Wirtschaftskammer zusammen. Tenor der
zahlreichen eingegangenen Stellungnahmen: Der Gesetzesvorschlag sei
"unpraktikabel, unausgegoren, in einigen Teilen schlicht unzumutbar".

Einer der Hauptkritikpunkte ist die geplante
Lieferantenverpflichtung. Es ist Energielieferanten aus Sicht der WKÖ
nicht zumutbar, die Rolle des Staates zu übernehmen und
Effizienzmaßnahmen bei Verbrauchern finanziell zu fördern. "Das wäre
so, wie wenn ein Schnitzelwirt seine Gäste dazu motivieren müsste,
fleischlos zu essen", sagt Schwarzer. Zudem sollen
Unternehmensleitungen mit jährlichen Verwaltungsstrafen von bis zu
100.000 Euro belangt werden, wenn sie die auferlegten Einsparziele
nicht erfüllen. Derart krasse Strafzahlungen, gegen deren Verhängung
die Betriebe sich nicht einmal rechtlich zur Wehr setzen können,
werden vorab in die Energietarife eingepreist und damit letztlich von
den Energiekonsumenten getragen werden müssen. Bereits im Herbst
könnte ein Preissprung bei allen Energieträgern und für alle
Energiekonsumenten drohen.

Weiterer Kritikpunkt: Wenn der Gesetzgeber schon an
Lieferantenverpflichtungen festhält, sollten zumindest die Pflichten
fair und praktikabel gestaltet werden. Dies ist, trotz Verbesserungen
gegenüber dem Begutachtungsentwurf, nicht der Fall. Dazu kommen als
zweite Kostenbelastung die Investitionskosten für Maßnahmen, um die
Konsumenten zu mehr Energieeffizienz zu bewegen - etwa durch
großzügige finanzielle Angebote. "Die Kosten dafür trägt letztlich
wiederum der Konsument", warnt der WKÖ-Umweltexperte.

Ein dritter zusätzlicher Kostenfaktor ergibt sich aus dem Mehr an
Bürokratie, da jede einzelne Energiesparmaßnahme buchhalterisch
erfasst, dokumentiert und registriert werden muss. Die dafür
vorgesehene Monitoringstelle wird Dutzende Mitarbeiterinnen und
Mitarbeitern beschäftigen müssen, um die gesamtösterreichische
Energiebuchhaltung auf die Kilowattstunde genau zu führen. Schwarzer:
"In Zeiten des Bürokratieabbaus ist dieses "Erbsenzählen" ein großer
Schritt in die falsche Richtung."

Mehr als problematisch ist auch der geplante breite
Geltungsbereich des Energieeffizienzgesetzes: Neben den bekannten
großen Energieversorgern sollen auch Einkaufszentren, Flughäfen,
Bahnhöfe und Kulturbetriebe, die an Shops und Gastronomiebetriebe
Energie weitergeben, zu "Energielieferanten wider Willen" gestempelt
werden. Sogar für reine Produktionsbetriebe sollen die
Lieferantenverpflichtungen gelten, wenn z.B. eine
Schwestergesellschaft mit Energie handelt. Konsequenz: Ein- und
derselbe Energiefluss wird finanziell zweimal belastet, einmal beim
echten Lieferanten und das zweite Mal beim Produktionsbetrieb, der
die Energie verbraucht.

Zwar enthält die Regierungsvorlage im Vergleich zum
Begutachtungsentwurf auch Verbesserungen - so wird bei Geschäften
zwischen Privaten nun doch auf das Vergaberecht verzichtet, fällt die
Rückwirkung per 1.1.2014 und wird die Bagatellschwelle von einem
freilich sehr niedrigen Niveau angehoben (25 statt wie ursprünglich
geplant 10 Gigawattstunden). Ohne eine schlank und fair geregelte
Lieferantenverpflichtung bleiben diese Verbesserungen aber weitgehend
Makulatur.

Sehr kritisch zu sehen ist auch, dass der Entwurf im Vergleich zur
EU-Richtlinie einiges an "gold plating" für Industrie und Gewerbe
enthält, also den EU-Vorgaben noch eines draufsetzt. Sehr
verwunderlich ist beispielsweise, dass ein Energieeffizienzgesetz
unter der Federführung des Wirtschaftsministeriums private
Unternehmungen aus Energieunternehmen hinausdrängt.
Produktionsbetriebe, die mehrheitlich an Energiefirmen beteiligt
sind, werden nämlich mit - im Endeffekt prohibitiven -
Lieferantenverpflichtungen für alle ihre Produktionseinheiten
"bestraft". "Das kommt einer "kalten Verstaatlichung" nahe", so
Schwarzer.

Zudem sind Industrie- und Gewerbebetriebe ebenso wie die Haushalte
die Leidtragenden, wenn die Energiekosten in die Höhe schnellen, die
sich Schätzungen zufolge von 500 Millionen bis sogar 1 Milliarde pro
Jahr belaufen können. "Kostensteigerungen im zweistelligen Ausmaß
sind dann nicht mehr zu vermeiden", so die Befürchtung der WKÖ. Fatal
ist deshalb, dass die noch im Februar 2014 akkordierte
Ausgleichszahlung, die als Sicherheitsventil für den -
wahrscheinlichen - Fall gedacht war, dass in der Anfangsphase
Energieeffizienzeinheiten sehr teuer werden, nun aus dem Entwurf
entfernt wurde - und das, weil sich die Ministerien nicht über die
Verwendung des Geldes einigen konnten.

Wie auch der Verfassungsdienst des Bundeskanzleramtes hält die WKÖ
die heute beschlossene "Tischvorlage" für nicht ausgereift. Scheinbar
willkürlich werden Bestimmungen in den Verfassungsrang gehoben,
wirken Strafbestimmungen generell weit überhöht und lassen sie die
notwendigen Differenzierungen vermissen. Die WKÖ plädiert hier
vehement für einfachgesetzliche Regelungen, die einer Kontrolle durch
das Höchstgericht zugänglich sind. Es wurde zudem verabsäumt, das
Regelwerk einem Praxischeck zu unterziehen. "Vor einer allfälligen
Beschlussfassung im Wirtschaftsausschuss des Nationalrats müssen die
zahlreichen Mängel unbedingt ausgebügelt werden", fordert Schwarzer
abschließend. (SR)

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