• 10.06.2014, 09:35:31
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Fußball-WM: Warum Spiegelneuronen beim Jubeln eine Rolle spielen

Wien (OTS) - Am kommenden Donnerstag startet in Brasilien die
Fußball-Weltmeisterschaft. Wenn man als Fußball-Fan mitjubelt, weil
der persönliche Favorit siegt, oder bei einer Niederlage zutiefst
traurig ist, dann sind die sogenannten Spiegelneuronen mit im Spiel.

Der Effekt ist bekannt: Wer jemanden lächeln sieht, lächelt
unwillkürlich mit. Wenn jemand weint, wird man selber traurig oder
beginnt sogar selbst zu weinen. Bei diesem empathischen Verhalten
spielen die Spiegelneuronen eine wichtige Rolle. Diese Neuronen
spiegeln im Gehirn äußere Eindrücke und lassen uns miterleben, was um
uns herum passiert. "Spiegelneuronen könnten dafür verantwortlich
sein, dass wir uns in jemanden hineinfühlen können, und uns in die
Lage versetzen, das 'Selbst' vom 'Nicht-Selbst' zu unterscheiden",
erklärt Ornella Valenti von der Abteilung für Kognitive Neurobiologie
am Zentrum für Hirnforschung der MedUni Wien.

Je mehr das Gesehene unseren früheren Erfahrungen, insbesondere in
Bezug auf die Beobachtung von motorischen Aktivitäten, entspricht,
desto stärker feuern die Spiegelneuronen. Daher ist es auch möglich,
dass bei einem Fußballmatch die Fans der siegreichen Elf feiern,
während die anderen gleichzeitig weinen. Wenn Menschen eine bekannte
motorische Tätigkeit beobachten, sind viele Hirnareale aktiviert.
Darunter auch jenes Areal, das das Signal für "Belohnung" aussendet,
erklärt Valenti.

Das Resonanzsystem der Spiegelneuronen ist auch noch für einen
anderen Effekt zuständig: Fans, die selbst viel Fußball spielen oder
gespielt haben, die wissen, wie das Spiel funktioniert, können ein
Spiel besser "lesen". Valenti: "Studien haben gezeigt, dass diese
Fußball-Experten während des Spiels die Aktionen besser vorhersagen
können. Dabei feuern die Spiegelneuronen mehr als bei anderen, die
weniger vom Fußball verstehen." Bei Kontrollgruppen, die noch nie
oder selten ein Fußballmatch gesehen und selbst nicht gespielt
hatten, feuerten die Spiegelneuronen nicht oder kaum. Valenti:
"Spiegelneuronen befähigen uns offenbar dazu, die Absichten anderer
intuitiv zu erfassen. Und umso mehr, je besser uns diese Absichten
oder Handlungen aus eigener Erfahrung bekannt sind."

Am Anfang war die Erdnuss

Noch steht die Spiegelneuronen-Forschung am Anfang. Begonnen hat
alles vor 30 Jahren in der italienischen Stadt Parma: mit einem
Affen, einem Versuchsleiter und einer Erdnuss. Eigentlich hatte die
ForscherInnengruppe um den Physiologen Giacomo Rizzolatti lediglich
erforschen wollen, wie Handlungen im Gehirn geplant und umgesetzt
werden. Griffen die Tiere nach Futter, konnten sie entsprechende
neuronale Aktivität messen. Doch plötzlich schlug das Messgerät auch
aus, als einer der Forscher nach einer Nuss griff. Dabei saß der Affe
ganz ruhig da. Weitere Untersuchungen zeigten, dass Spiegelneuronen
sogar die Absicht hinter einer Handlung erkennen können. Die
Nervenzellen des Affen sandten offenbar bereits Signale aus, wenn er
die Bewegung oder nur eine Absicht beobachtete, sie spiegelten das
Verhalten des Gegenübers.

Wichtig für soziale Interaktion und das Lernen

Spiegelneurone sind im menschlichen Gehirn vor allem in jenen
Regionen verbreitet, in denen Handlungen geplant oder initiiert
werden. Dieses System umfasst neben dem primären motorischen Cortex,
der Bewegungsimpulse an die Muskeln schickt, vor allem das
prämotorische sowie das supplementär-motorische Areal. Sie haben die
Aufgabe, komplexere Bewegungsabläufe zu planen und notwendige
Einzelschritte zu koordinieren.

Nach Ansicht der Hirnforschung hängen wichtige soziale Interaktionen
von den Spiegelneuronen ab. Dann kann es etwa zu Autismus kommen.
Studien haben gezeigt, dass Spiegelungen bei Autisten im
prämotorischen Cortex nicht stattfinden.

Spiegelneuronen werden auch in der Rehabilitationsmedizin bei
Schlaganfall-PatientInnen eingesetzt: Den PatientInnen werden am
Bildschirm zunächst Übungen gezeigt, die sie später selbst
durchführen sollen. Die Aktivierung der Spiegelneuronen soll ihnen
helfen, die Lähmungen wenigstens teilweise zu überwinden.

"Generell tragen Spiegelneuronen positiv zum Lernverhalten und zur
Kommunikation bei, etwa auch bei Kleinkindern, die uns imitieren", so
Valenti. Bestimmte Handlungen und Grimassen kann ein Baby ja bereits
nach wenigen Tagen nachmachen und imitieren. Wahrscheinlich lässt
sich auch das auf eine Aktivität von Spiegelneuronen zurückführen.
Das gilt übrigens auch für das Erlernen und Imitieren der
Schusshaltung beim Kicken eines Fußballs.

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