- 04.06.2014, 10:49:59
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ÖÄK-Enquete "40 Jahre Mutter-Kind-Pass - eine Erfolgsgeschichte" - 1
Säuglings- und Müttersterblichkeit gesunken - neue Herausforderungen im Bereich der Geburtshilfe und der Kinderheilkunde
Utl.: Säuglings- und Müttersterblichkeit gesunken - neue
Herausforderungen im Bereich der Geburtshilfe und der
Kinderheilkunde =
Wien (OTS) - Unter dem Motto "40 Jahre Mutter-Kind-Pass - eine
Erfolgsgeschichte" lud die Österreichische Ärztekammer (ÖÄK) heute,
Mittwoch, zu einer festlichen Enquete ins Billrothhaus der
Gesellschaft der Ärzte in Wien. Im Beisein von Gesundheitsminister
Alois Stöger betonte der Präsident der Österreichischen Ärztekammer
(ÖÄK), Artur Wechselberger, dass der außergewöhnliche Erfolg dieses
Präventionsprogramms wesentlich auf der Begleitung durch Mediziner
und auf laufenden Anpassungen an den wissenschaftlichen Standard
beruhe.
In den anschließenden Vorträgen forderten auch Experten aus dem
Bereich der Frauen- und Kinderheilkunde die Fortsetzung der bewährten
Kooperation von Gesundheitspolitik und Medizin. Minister Stöger
würdigte die Leistung seiner Amtsvorgängerin Ingrid Leodolter, die
1974 die Einführung des Mutter-Kind-Passes durchgesetzt hatte. Für
Stöger sei es wichtig, dass dieses Vorsorgeinstrument auch in den
nächsten 40 Jahren die Vorreiterrolle in der Gesundheitsförderung
übernimmt.
Ziel 1974: Sterblichkeit senken
"Anfang der 1970er-Jahre starben in Österreich doppelt so viele
Kinder um die Geburt und im ersten Lebensjahr wie in den meisten
westeuropäischen Ländern", sagte Univ.-Prof. Sepp Leodolter in seinem
Vortrag. Hauptziel der damaligen Gesundheitsministerin und Ärztin
Ingrid Leodolter sei es gewesen, die Perinatale bzw.
Säuglingssterblichkeit sowie die Müttersterblichkeit zu senken. Die
Perinatale Sterblichkeit umfasst Totgeborene und Kinder, die
innerhalb der ersten Lebenswoche sterben, mit Säuglingssterblichkeit
sind Todesfälle innerhalb des ersten Lebensjahres gemeint. Die
Müttersterblichkeit gibt an, wie viele Frauen bei oder infolge einer
Geburt sterben.
Schon in den ersten Jahren enthielt der Mutter-Kind-Pass Anzahl und
Zeitpunkt der Untersuchungen für Schwangere und Neugeborene sowie
eine Reihe von Labortests. Dank der Koppelung an eine erhöhte
Geburtenbeihilfe nahmen werdende Mütter zu fast hundert Prozent am
Programm teil und es zeigten sich schon nach wenigen Jahren deutliche
Erfolge: Von 1973 bis 1979 sanken die Perinatale und die
Säuglingssterblichkeit um je 40 Prozent und auch die
Müttersterblichkeit war in den ersten ersten fünf Jahren nach
Einführung des Mutter-Kind-Passes um fast die Hälfte geringer als in
den fünf Jahren davor.
Dazu Professor Leodolter, selbst Gynäkologe und Sohn der damaligen
Ministerin: "In keinem anderen Teilbereich der Humanmedizin wurden in
den vergangenen 40 Jahren solche Fortschritte gemacht wie in der
Peri- und Neonatalmedizin."
Neue Herausforderung: Hohe Frühgeburtenrate
Auf jüngere Entwicklungen im Bereich der Geburtshilfe verwies ao.
Univ.-Professorin Dagmar Bancher-Todesca. Mit einer aktuellen
Säuglingsterblichkeit von 3,2 Promille und einer perinatalen
Sterblichkeit von 5,1 Promille liege Österreich im internationalen
Vergleich sehr gut, "diese Raten kann man kaum noch weiter senken".
Ein "Meilenstein" in der Entwicklung der Vorsorgeuntersuchungen für
Schwangere sei der orale Glukosetoleranztest gewesen, der nach
jahrelangem Ringen 2009 eingeführt werden konnte. "Dank diesem
Mutter-Kind-Pass-Screening können wir heute die von
Schwangerschaftsdiabetes betroffenen Frauen frühzeitig behandeln und
gravierende Spätfolgen für das Kind verhindern oder zumindest
mildern."
Aus Sicht der Neonatologie müsse sich das Mutter-Kind-Pass-Programm
heute vor allem darauf konzentrieren, die Frühgeburtenrate in den
Griff zu bekommen, die seit Jahren auf hohem Niveau stagniere. "Vor
allem aufgrund des steigenden Gebäralters und der Zunahme an
In-vitro-Befruchtungen kommt in Österreich etwa jedes zwölfte Baby zu
früh auf die Welt, was oft zu gefährlichen Komplikationen mit hohen
Folgekosten führt." Mit moderner Pränataldiagnostik ließen sich
Wachstumsstörungen frühzeitig erkennen. Es sei daher dringend nötig,
dass ein wissenschaftliches Komitee, wie es die seit 2010 nicht mehr
bestehende Mutter-Kind-Pass-Kommission gewesen sei, evaluiere, welche
Untersuchungen in das Mutter-Kind-Pass-Programm aufgenommen werden
sollen. Denn, so Bancher-Todesca abschließend, "nur durch Prävention
kann längerfristig auf ökonomische Weise noch mehr Gesundheit für
Eltern und Kinder erreicht werden".
Schulkinder einbinden - Auf Datenbasis gezielte Maßnahmen setzen
"Der ungebrochene Erfolg des Mutter-Kind-Passes beschränkt sich
keineswegs auf die geglückte Senkung der Sterblichkeitsraten",
betonte der Präsident der Österreichischen Gesellschaft für Kinder-
und Jugendheilkunde, Univ.-Prof. Reinhold Kerbl, in seinem Vortrag.
Vielmehr konnten Tausende Kinder durch die im Lauf der Zeit
hinzugekommenen Untersuchungen und Präventivmaßnahmen vor
Erkrankungen bewahrt oder rechtzeitig behandelt werden. Als Beispiele
nannte Kerbl Stoffwechsel- und Hörscreening, Hüftultraschall und
Routineimpfungen.
Neben den fünf Schwangeren-Untersuchungen sind auch fünf
Untersuchungen in den ersten 14 Lebensmonaten des Kindes
Voraussetzung für den Bezug von Kinderbetreuungsgeld. Bis ins fünfte
Lebensjahr sind weitere vier Vorsorgeuntersuchungen vorgesehen. Aus
Sicht der Kinder- und Jugendheilkunde wäre es sinnvoll, den
Mutter-Kind-Pass auf Schulkinder auszudehnen. Darüber hinaus sollten
die erhobenen Untersuchungsdaten elektronisch erfasst und analysiert
werden, um den Gesundheitszustand von Schwangeren, Neugeborenen und
Kleinkindern in Österreich beurteilen und weitere gezielte Maßnahmen
setzen zu können.
"Auch aus pädiatrischer Sicht ist der Mutter-Kind-Pass eine
Erfolgsgeschichte, die es fortzusetzen gilt", so Kerbl. Anpassungen
des Untersuchungs- und Betreuungsspektrums sollten von Experten - wo
immer möglich - auf der Basis wissenschaftlicher Evidenz beurteilt
und begleitet werden. Erweiterungen im Bereich der psychosozialen und
der Zahngesundheit seien ebenso überlegenswert wie Maßnahmen gegen
Übergewicht und Bewegungsmangel. (ar) - (Fortsetzung)
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