- 27.05.2014, 11:20:42
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Alarm für Senioren: ELGA kommt, der Hausarzt geht?
Wien (OTS) - Der Österreichische Hausärzteverband veranstaltet am 17.
Juni einen Diskussionsabend über die höchst problematischen
Konsequenzen von ELGA und Gesundheitsreform für ältere Menschen.
Für einen notwendigen Kurswechsel in der heimischen
Gesundheitspolitik ist es fünf Minuten nach zwölf, ist man beim
Österreichischen Hausärzteverband (ÖHV) überzeugt. Innerhalb von drei
Jahrzehnten halbierte sich die Hausärztequote hierzulande auf nur
mehr neun Prozent. Ärztliche Urfunktionen drohen in einer alles
überwuchernden Gesundheitsbürokratie unterzugehen. Mit der
elektronischen Gesundheitsakte ELGA wurde ein neuer Meilenstein auf
dem Weg ins Desaster gesetzt. Statt ausführliche Gespräche mit
Patienten zu führen, vergeudet der Kassen-Allgemeinmediziner künftig
die Zeit mit der Suche nach alten, unsortierten ELGA-Befunden, so der
ÖHV.
Genug Zündstoff also für einen spannenden Diskussionsabend, der am
17. Juni vor allem den Folgen dieser Entwicklung für die ältere
Generation gewidmet ist. Diese sind von der Misere in besonderem Maße
betroffen. Laut Statistik besuchen mehr als 90 Prozent der
Österreicherinnen und Österreicher über 60 Jahren regelmäßig eine
Hausarztpraxis, die Anzahl der Ordinationsbesuche ist in dieser
Altersgruppe mehr als doppelt so hoch wie im Schnitt der Bevölkerung.
Senioren ohne Computererfahrung
"Der Bogen ist freilich weit gespannt. Da gibt es jene, die mit
Seniorenverbänden in hundertfacher Gesellschaft alljährlich
komfortable Auslandsreisen unternehmen. Und jene, die darunter
leiden, dass die Sozialversicherung kein Fahrgeld zu medizinischen
Einrichtungen in die Bezirkshauptstadt mehr bezahlt", betont
Hausärzte-Präsident Dr. Christian Euler. "Wir Hausärzte sind durch
unsere tägliche Arbeit in diesem Bogen sehr eindeutig positioniert,
bei den politischen Seniorenvertretern bin ich mir da nicht so
sicher", so Euler. Selbst eine Zweidrittelmehrheit elektronik- und
computerferner Seniorinnen und Senioren sei für diese nämlich
offenbar kein Anlass, die Sinnhaftigkeit einer elektronischen
Gesundheitsakte für ihr Klientel zu hinterfragen.
Um die eigenen Gesundheitsdaten künftig zu verwalten, ist ein PC
mit Internetanschluss, eine Bürgerkarte oder Handysignatur zwingend
notwendig. Nur eine absolute Minderheit der älteren Menschen verfügt
jedoch über eine solche Ausstattung. Bedenkt man, dass nicht einmal
zehn Prozent der Senioren E-Banking betreiben, erübrigt sich die
Diskussion über die Daten-Selbstverwaltung. Fast noch ein Glück, wie
ÖHV-Sprecher Dr. Wolfgang Geppert meint, denn sonst müsse der
Aufnahmearzt oft wie ein Kriminalbeamter ausgeblendete oder gelöschte
Befunde eruieren, die auf Diagnose und Therapie entscheidenden
Einfluss haben könnten.
Keinerlei Datensicherheit
Zudem haben auch die Senioren längst erkannt, dass ihnen in Sachen
Datenschutz von den ELGA-Betreibern Sand in die Augen gestreut wird.
Seit NSA und BIFIE-Datenleck ahnt, ja weiß man, dass bei 100.000
Zugriffsberechtigten ein Datenmissbrauch nicht ausgeschlossen werden
kann, selbst wenn Strafe angedroht wird. "Besonders bedenklich bei
ELGA ist die Zwangsverpflichtung aller Patienten", betont Dr. Hans
Zeger, Obmann der ARGE Daten, der darin eine glatte Verletzung der
europäischen Datenschutzgrundsätze sieht: "Zustimmung setzt
Information und die freiwillige Willenserklärung des Betroffenen
voraus."
ELGA diene, so Zeger, viel mehr als Projektionsfläche zur Lösung
zahlreicher Probleme im Gesundheitswesen: überlastete Ärzte, lange
Wartezeiten, verweigerte Behandlungen, unverständliche Therapien, zu
wenig Kommunikation, Doppelgleisigkeiten. Solange aber von ELGA nur
millionenschwere Konzepte, vage Ideen und Zukunftsprojektionen
existieren, sollten Patienten davon Abstand nehmen, statt Technikern
und Bürokraten ein Feld zum Experimentieren mit ihren
Gesundheitsdaten zu überlassen.
Hausarzt oder Selbstbedienungsladen?
Seniorenrats-Präsident Univ.-Prof. Dr. Andreas Khol lässt im
Vorfeld des mit Spannung erwarteten Diskussionsabends wissen, dass
für Österreichs Seniorinnen und Senioren der Hausarzt von besonderer
Bedeutung ist. "Ihm vertrauen wir. Daher muss bis zur Jahresmitte das
Hausärzte-NEU-Paket der Bundesregierung erstellt und sogleich
umgesetzt werden. Dabei soll der Hausarzt zum zentralen Angelpunkt
der Patientenversorgung werden."
Die Hausärzte orten darin ein Lippenbekenntnis. "Das heimische
Gesundheitssystem ist in Wahrheit zum Selbstbedienungsladen
verkommen. Herr und Frau Österreicher steuern nach Belieben
Spitalsambulanzen und niedergelassene Spezialisten an", verdeutlicht
Hausärzte-Sprecher Geppert. Die unkoordiniert durch das System
stolpernden Patienten benötigen dringendst die Koordination durch den
Hausarzt und nicht durch ständig wechselnde Ansprechpartner in
"Gesundheitszentren", durch Apotheker oder durch "Dr. Google". Die
Bestrebungen der Gesundheitsreform mit ihrer Speerspitze ELGA zielen
freilich massiv in die Gegenrichtung.
Diskussionsabend des Österreichischen Hausärzteverbands "Alarm für Senioren: ELGA kommt, der Hausarzt geht?" Diskutanten: Univ.-Prof. Dr. Andreas Khol Präsident des Österreichischen Seniorenrats Bundesobmann des Österreichischen Seniorenbunds Karl Blecha Präsident des Österreichischen Seniorenrats Präsident des Pensionistenverbands Österreich Dr. Hans Zeger Obmann der ARGE Daten Dr. Christian Euler Präsident des Österreichischen Hausärzteverbands Moderation: Dr. Wolfgang Geppert Sprecher des Österreichischen Hausärzteverbands Weitere Informationen unter www.hausaerzteverband.at Datum: 17.6.2014, um 19:00 Uhr Ort: ORF KulturCafe im RadioKulturhaus Argentinierstraße 30a, 1040 Wien
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