- 20.05.2014, 17:12:31
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Wiener Zeitung: Leitartikel von Reinhard Göweil: "Grünes Kleinkaro"
Ausgabe vom 21. Mai 2014
Utl.: Ausgabe vom 21. Mai 2014 =
Wien (OTS) - Die Grünen drohen bei der EU-Wahl zu den großen
Verlierern zu werden, zumindest sieht es laut einer Hochrechnung von
"VoteWatch Europe" so aus. Von jetzt 58 auf 42 Abgeordnete im
751-Mitglieder-Parlament könnte die Fraktion schrumpfen. Das ist vor
allem auf Frankreich zurückzuführen, dort tritt Daniel Cohn-Bendit,
Zugpferd und Figur der 68er-Bewegung, nicht mehr an. In Deutschland
haben sich die Grünen nicht mehr erholt, seit sie Joschka Fischer
nicht mehr haben. Und auch in Österreich werden sich manche wehmütig
an die Gründergeneration zurückerinnern. Die Jungen kennen
Persönlichkeiten wie Freda Meissner-Blau bestenfalls aus
zeithistorischen Texten.
Warum kann aber die jetzige Grün-Generation die Aufbruchsstimmung
nicht mehr vermitteln? Der Klimawandel ist ein Riesenthema, die
furchtbaren Überschwemmungen am Balkan zeigen das aktuell. Als Folge
der Ukraine-Krise entsteht eine neue (vollkommen unsinnige)
Rüstungseuphorie. Bei diesen Themen punkten die Grünen; mit diesen
Themen haben sie sich in den Parlamenten festgesetzt.
Eines scheint eindeutig: Die Bürger des Jahres 2014 verlangen ein
größeres Maß an Selbstbestimmung, als dies noch in den 1980ern der
Fall war. Und sie verlangen auch mehr Flexibilität. In Linz ist es
nett, von "grünen" Jobs zu reden, aber wenn die Voestalpine einen
Hochofen zusperren würde, wäre Schluss mit lustig.
Und das zeigt das eigentliche Dilemma: Die Grünen haben ihren
über-nationalen Ansatz verloren, weil sie nun froh sind, in
nationalen und regionalen Parlamenten zu sitzen. Der Klimawandel ist
ein internationales, auch europäisches Thema - kein nationales. Im
Nationalrat einen In-Fight zum Budget zur Hauptaussage zu
stilisieren, wäre der Gründergeneration der Grünen wohl eher
kleinkariert erschienen. Für diese EU-Wahl wird es zu spät sein, aber
für die nächste Wahl 2019 sollten sich die Grünen nicht nur eine
Spitzenkandidatin suchen, sondern sie auch unterstützen und Europa
vorleben. Mit grundsätzlichen Themen.
Die grüne Spitzenkandidatin für die EU-Wahl heißt übrigens Ska Keller
und sitzt bereits im EU-Parlament. Anders als SPÖ und ÖVP, die mit
ihren Kandidaten Martin Schulz und Jean-Claude Juncker groß in Wien
unterwegs waren, blieb Keller hier im Hintergrund. Was das Problem
der Grünen wohl ganz gut beschreibt ...
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