• 07.05.2014, 18:44:14
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Wiener Zeitung: Leitartikel von Reinhard Göweil: "Frei und Handel"

Ausgabe vom 8. Mai 2014

Utl.: Ausgabe vom 8. Mai 2014 =

Wien (OTS) - Eines vorweg und höflich ausgedrückt: Das G'spür der
österreichischen Bundesregierung für Europa-Themen kann sich noch
deutlich verbessern. Bei wesentlichen Themen glänzen heimische
Minister immer wieder durch Abwesenheit, jetzt also Reinhold
Mitterlehner bei einer Zwischenbilanz zum Handelsabkommen der EU mit
den USA. Natürlich werden dabei keine Entscheidungen gefällt, aber es
gibt ein Update, was bei der nächsten Verhandlungsrunde auf der
Agenda steht. Da fällt es schwer zu glauben, dass eine niedrige
Wahlbeteiligung bei der EU-Wahl die heimischen Politiker ernsthaft
beunruhigt.

Sollte es aber, vor allem bei einem Thema wie dem Freihandelsabkommen
zwischen der EU und den USA. Natürlich hat der offene Brief des
Rewe-Austria-Chefs Frank Hensel an die Europaabgeordneten, laut dem
die heimische Lebensmittelqualität durch das Abkommen gefährdet sei,
eine "Ja, natürlich"-Marketingkomponente. Aber so einen Brief zu
schreiben, ist auch keine Kleinigkeit.

Selbst liberale Verfechter des freien Marktes sind sich nicht mehr
sicher, ob das Abkommen wirklich eine gute Idee ist. Zu
unterschiedlich ist der Zugang der Europäer und Amerikaner beim
Konsumentenschutz und der Produktsicherheit.

Schließlich, und das ist wohl das gewichtigste Argument, sehen solche
Abkommen bei Streitigkeiten private Schiedsgerichte vor. Das mag bei
einem Investitionsschutzabkommen zwischen zwei kleinen Ländern
ausreichen. Aber die USA und die EU vereinen etwa ein Drittel des
gesamten Welthandels auf sich, eine unvorstellbare Summe. In dieser
Größenordnung Branchen-Anwälte in einem nicht-öffentlichen Verfahren
(ohne Rechtsweg) über Milliarden entscheiden zu lassen, bedeutet, den
Rechtsstaat zu verlassen.

Der Rechtsstaat zählt aber zu den Fundamenten einer demokratischen
Gesellschaft, und wer wenn nicht Europa und die Vereinigten Staaten
repräsentiert die demokratische Gesellschaft?

An den Verhandlungen zum Freihandelsabkommen mit den USA gibt es
daher viel zu kritisieren, auch die Tatsache, dass genau dieser
Verhandlungspunkt bis zur Konstituierung einer neuen EU-Kommission im
Herbst ausgesetzt wurde.

Freier Handel ist eine gute Sache, aber nur, wenn er transparent
vereinbart worden ist und die ökologischen und sozialen Standards
dadurch weltweit steigen. Sonst ist er bloß Abzocke.

www.wienerzeitung.at/leitartikel

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