- 29.01.2014, 13:17:18
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Raiffeisen-Swap: EX-RLB-Chef Hameseder: "Ein Gifterl"
Ex-Hypo-NÖ-Vorstand als Zeuge: "RLB hat St. Pölten unbeschränktes und unsteuerbares Verlustrisiko verkauft."
Utl.: Ex-Hypo-NÖ-Vorstand als Zeuge: "RLB hat St. Pölten
unbeschränktes und unsteuerbares Verlustrisiko verkauft." =
St. Pölten (OTS) - Am Handelsgericht Wien kam es gestern, Dienstag,
28. Jänner 2014, zu einer neuerlichen Tagsatzung im Rechtstreit
zwischen der Stadt St. Pölten und der Raiffeisen Landesbank NÖ-Wien.
Wie bekannt, hatte die Stadt St. Pölten die RLB NÖ-Wien auf
Rückabwicklung eines Swap-Geschäfts aus dem Jahr 2007 geklagt, da das
Geschäft für die Stadt St. Pölten nicht erkennbare Risken enthält und
zur Kommunalfinanzierung völlig ungeeignet ist. Die Stadt wirft der
Bank unter anderem schwere Beratungsfehler und die Verletzung von
Informationspflichten vor.
Im Mittelpunkt der gestrigen Tagsatzung stand die mehr als
fünfstündige Einvernahme von Mag. Dr. Günter Matuschka. Der ehemalige
Vorstandsdirektor der Hypo Niederösterreich hatte die Stadt St.
Pölten ab Dezember 2008 zur Risikoabschätzung des Swap-Geschäfts mit
der RLB Wien-Niederösterreich beratend begleitet.
Aus Sicht der Stadt St. Pölten brachte die gestrige Verhandlung
folgende wesentliche Erkenntnisse:
- Das Geschäft mit der RLB Wien Niederösterreich hatte bereits bei
Abschluss einen negativen Marktwert von 3,6 Millionen Euro, der der
Stadt St. Pölten verschwiegen wurde. Die Stadt bekam von der für den
negativen Marktwert erzielten Prämie nur 1,5 Millionen. Den Rest
teilten sich die RLB - sie bekam 817.000 Euro - und Merrill Lynch
auf.
- Der damalige Finanzdirektor der Stadt war laut Matuschka
"verzweifelt", als er die Situation realisierte. "Der Finanzdirektor
hätte das Geschäft sicher nicht abgeschlossen, wenn er die Tragweite
gewusst hätte.", so der Zeuge. Um die Funktionen des Swaps und der
Berechnung des Barwerts inhaltlich zu verstehen, müsse man
Finanzmathematiker sein, so Matuschka.
- Die Strategie der Stadt war dann, mit der Bank Kontakt
aufzunehmen, um eine gemeinsame Lösung zu finden. "Wir haben auch
gesagt, dass die Stadt das Geschäft bei Kenntnis des Risikos nicht
abgeschlossen hätte und haben eine Rückabwicklung besprochen".
- Seitens der Bank habe es stets geheißen, der negative Barwert sei
nicht überzubewerten, der Markt werde sich schon wieder beruhigen.
- Trotzdem wurden von der Bank "Restrukturierungsvorschläge"
vorgelegt - diese waren aber laut dem Zeugen Matuschka unbrauchbar,
weil das Risiko noch größer geworden wäre.
- Laut einem von Günter Matuschka im Zuge seiner Einvernahme
vorgelegten Aktenvermerk gab es am 15. Juni 2009 ein "Gipfelgespräch"
zwischen den Vertretern der Stadt St. Pölten und der RLB
Wien-Niederösterreich samt ihrem damaligen Generaldirektor und
heutigen Aufsichtratsvorsitzenden, Erwin Hameseder. Hameseder, so
geht aus dem Aktenvermerk hervor, bezeichnete das umstrittene
Swap-Geschäft als "Gifterl".
- Laut Aktenvermerk hat Hameseder im Zuge des "Gipfelgesprächs" auch
von einer Risikobegrenzung des damals bereits schwer in Schieflage
geratenen Swap-Geschäfts abgeraten, da dies aufgrund der damit
verbundenen Kosten nicht sinnvoll sei. Darüber hat Hameseder, so der
Aktenvermerk, auf andere Problemfälle verwiesen, die sich durch
Zuwarten von selbst gelöst hätten.
- Laut dem Zeugen Matuschka hat RLB Wien-Niederösterreich-Chef
Hameseder mehrfach darauf hingewiesen, "dass Raiffeisen noch nie
einen Kunden im Stich gelassen hat" und er habe gesagt, "wenn was
passiert, dann setzen wir uns wieder zusammen." Matuschka verwies
ausdrücklich darauf, dass aus seiner Erfahrung eine Zusage eines
Landesbank-Chefs gegenüber dem Bürgermeister der Landeshauptstadt
"eine gewisse Verbindlichkeit" habe.
- Matuschka betonte auch, dass aus seiner Sicht der St. Pöltner
Bürgermeister auf die Zusage von Hameseder vertrauen konnte und auch
vertraut hatte.
- Zur Verdeutlichung des mit dem Swap-Geschäfts verbundenen, aber
verschwiegenen Risikos führte Matuschka aus, dass beispielsweise die
niederösterreichische Hypo-Gruppe als mittelgroße Bankengruppe ein
solches Geschäft wie es die RLB der Stadt St. Pölten verkauft hat,
nie hätte riskieren können. "Die Hypo hätte zum schlechtesten
Zeitpunkt acht Jahresgewinne oder zwei Drittel ihres Eigenkapitals
mit diesem Geschäft vernichten können - das ist ein Risiko, das keine
Bank nimmt und für eine Stadt wie St. Pölten ist es überhaupt völlig
ungeeignet".
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