Wien (OTS) - Obwohl bei Kommentaren grundsätzlich die
Meinungsfreiheit weit reicht, bewertete der Senat 2 des Presserats
den Kommentar "Das sagt Österreich - Soll ein Teamchef Söldner
sein?", erschienen am 28.10.2013 auf "www.oe24.at" sowie am
29.10.2013 auf Seite 2 der Tageszeitung "Österreich", als
persönlichkeitsverletzend und somit als Verstoß gegen den Ehrenkodex
für die österreichische Presse.
Beleidigungen
Zwei Passagen qualifizierte der Senat als Beleidigungen: Zum einen
den Vorwurf des Kommentators, Marcel Koller verfüge nicht über den
erforderlichen Mindestcharakter für den Posten des Nationaltrainers.
Zum anderen den Vorwurf, der Teamchef habe sein Team "verraten".
Durch diese Wertungen sollte der vermeintliche Abgang des
Teamtrainers in die Schweiz kritisiert werden. Allerdings hat Marcel
Koller letzten Endes seinen Vertrag mit dem ÖFB verlängert und das
ÖFB-Team nicht verlassen. Der Kommentator ist von einer Situation
ausgegangen, die gar nicht eingetreten ist. Marcel Koller wurde
bereits vorab für etwas verunglimpft, das er dann gar nicht getan
hat. Erschwerend kommt also hinzu, dass die beleidigende Kritik an
der Realität vorbeigegangen ist, so der Senat weiter.
Selbst wenn der Teamchef das Team tatsächlich verlassen hätte, wäre
ihm nach Auffassung des Senats keine Pflichtverletzung vorzuwerfen
gewesen, da sein Vertrag mit dem ÖFB ja ausgelaufen ist. Die Vorwürfe
des "Verrats" und des "fehlenden Mindestcharakters" sind daher in
jedem Fall unangebracht.
Verletzung der Menschenwürde
Die Aufforderung des Kommentators an den ÖFB, Marcel Koller "in einem
Packerl an die Schweizer zu schicken", verletzt nach Ansicht des
Senats die Menschenwürde des Betroffenen. Der Aufruf lässt den
Schluss zu, dass der Betroffene "nicht in einem ganzen Stück" zurück
in die Schweiz geschickt werden soll.
Diese Passage wird übrigens auch von den österreichischen
Nationalspielern in einem offenen Brief vom 13.11.2013 an die
Tageszeitung "Österreich" kritisiert.
Pauschalverunglimpfung der Schweizer
Schließlich verstößt auch die Wendung des Kommentators, Geld sei für
Schweizer immer ein Motiv, nach Ansicht des Senats gegen den
Ehrenkodex, da es sich dabei um eine Pauschalverunglimpfung aller
Schweizer handelt.
Keine ausreichende Entschuldigung des Kommentators
Der Senat merkt an, dass sich der Kommentator in einem nachfolgenden
Kommentar mit dem Titel "Hut ab - und danke an Koller", erschienen am
31.10.2013, bei Teamchef Marcel Koller dafür bedankt hat, dass er
weiterhin das österreichische Fußballnationalteam betreuen wird und
vorgeschlagen hat, diesen zum "Ehren-Österreicher" zu machen. Darin
erkennt der Senat keine umfassende Entschuldigung und Zurücknahme der
Beleidigungen; eingangs wird in diesem Kommentar im Hinblick auf die
ursprünglichen Wertungen von berechtigter Kritik an Marcel Koller
wegen seines langwierigen Vertragspokers gesprochen. Aufgrund der
Schwere der Herabwürdigungen erscheint es dem Senat außerdem
fraglich, ob eine Entschuldigung hier überhaupt ausgereicht hätte, um
von einem Verstoß gegen den Ehrenkodex absehen zu können.
SELBSTÄNDIGES VERFAHREN AUFGRUND MEHRERER MITTEILUNGEN VON
LESERN
Der Presserat ist ein Verein, der sich für verantwortungsvollen
Journalismus einsetzt und dem die wichtigsten Journalisten- und
Verlegerverbände Österreichs angehören. Die Mitglieder der beiden
Senate des Presserats sind weisungsfrei und unabhängig.
Im vorliegenden Fall hat der Senat 2 des Presserats aufgrund mehrerer
Mitteilungen von Lesern ein Verfahren durchgeführt (selbständiges
Verfahren aufgrund einer Mitteilung). In diesem Verfahren äußert der
Senat seine Meinung, ob ein Artikel den Grundsätzen der Medienethik
entspricht. Von der Möglichkeit, an dem Verfahren teilzunehmen, haben
die Medieninhaberinnen von "www.oe24.at" und der Tageszeitung
"Österreich" keinen Gebrauch gemacht.
Bisher haben sich die Medieninhaberinnen von "www.oe24.at" und der
Tageszeitung "Österreich" der Schiedsgerichtsbarkeit des Presserats
nicht unterworfen.
Die Entscheidung im Langtext finden Sie unter www.presserat.at.
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