• 03.12.2013, 19:47:08
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Tiroler Tageszeitung, Ausgabe vom 4. Dezember 2013; Leitartikel von Cornelia Ritzer: "Mittelmaß darf nicht das Ziel sein"

Innsbruck (OTS) - Utl: Nach dem PISA-Schock 2009 haben sich die
österreichischen Schüler verbessert. Grund zum Jubeln ist das keiner.
Denn immer noch dominiert Mittelmaß, Ideologie versperrt den Weg zu
wirklichen Veränderungen.

Für Unterrichtsministerin Claudia Schmied war die Präsentation der
jüngsten PISA-Studie ein erfreulicher Termin. Die scheidende
SPÖ-Politikerin konnte noch einmal - wie sie es gerne und oft tat -
ihre zahlreichen Projekte von Bildungsstandards bis zum
verpflichtenden Kindergartenjahr aufzählen. Und sie konnte von
positiven PISA-Ergebnissen berichten. Die österreichischen Schüler
haben beim Bildungstest aufgeholt, die Kompetenzen der 15- bis
16-Jährigen liegen nun im Durchschnitt der Industriestaaten.
Das ist eine gute Nachricht nach dem großen PISA-Schock 2009.
Damals sackten die Leistungen der Schüler im internationalen
Vergleich ab, Kritik an Bildungspolitik und Unterrichtsministerin
waren enorm. Nun hat sich Österreich wieder verbessert - doch nur auf
den ersten Blick. Sieht man genauer hin, ähneln die aktuellen Zahlen
jenen der vergangenen Jahre. Bei der Lesekompetenz sind wir da
angekommen, wo wir im Jahr 2000 schon waren. In Mathematik schaffte
man das Ergebnis von 2003. Und in den Naturwissenschaften wiederholte
man ähnliche Leistungen wie 2006. Von wirklichen Fortschritten keine
Spur, vielmehr haben sich die Leistungen der Noch-Pflichtschüler
stabilisiert. Und zwar auf nicht besonders hohem Niveau.
Was nun? In den nächsten Jahren werden noch einige Reformen
schlagend, so der Trost der Politik. Die größten Probleme sind der
Zusammenhang zwischen sozialer Herkunft und gutem Zeugnis, der
Startnachteil von Migranten im Schulwesen und dass 26 Prozent der
Pflichtschulabgänger in zumindest einem Fach so große Schwierigkeiten
haben, dass sie nur die allereinfachsten Aufgaben lösen können. Aber
auch die Talentierten hinken nach. Denn ja, die Gruppe der
schwächs█ten Schüler ist kleiner geworden. Die Gruppe jener, die
ausgezeichnet rechnen und lesen können, aber leider nicht größer.
Der PISA-Test ist eine Momentaufnahme, die Ergebnisse dürfen und
sollen hinterfragt werden. Doch noch immer wird Bildung in Österreich
mit ideologischen Scheuklappen betrachtet, wie man bei den laufenden
Koalitionsverhandlungen beobachten kann. Die kaum ausgereifte Idee
einer "Gesamtschule light" wurde rasch vom Tisch gefegt, das
Festhalten der ÖVP am Gymnasium ist genauso vorhersehbar wie der
Jubel der SPÖ über die Neue Mittelschule. Solange Ideologie die
bessere Idee übertrumpft, wird Österreich in Sachen Bildung Mittelmaß
bleiben. Und das darf nicht das Ziel sein.

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