- 23.10.2013, 18:42:21
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"Kleine Zeitung" Kommentar: "Der Streik der Metaller ist ein Stellvertreterkrieg" (Von Ernst Sittinger)
Ausgabe vom 24.10.2013
Utl.: Ausgabe vom 24.10.2013 =
Graz (OTS/Vorausmeldung) - Der Krach in der Metaller-Lohnrunde
hatte sich schon im Wahlkampf abgezeichnet, als die absurde
"Zwölf-Stunden-arbeiten"-Debatte losbrach. Absichtliche
Missverständnisse gab es auch danach. Nicht einmal auf eine
Interpretation der Inflationsrate konnte man sich einigen. Mit
allerlei Finten, Stichwort Rauchpausen-Freizeit, machte man einander
das Leben schwer.
Jetzt sind die Gespräche geplatzt. Bei genauem Hinhören erweist sich,
dass es gar nicht so sehr ums "Geld" geht, sondern ums Prinzip. Unter
der Tünche der angeblich eh intakten Sozialpartnerschaft haben sich
die Partner längst kulturell auseinandergelebt.
Zwei Welten prallen aufeinander: Die Industrie denkt global, sie will
Arbeitskraft flexibel einsetzen und althergebrachte Fesseln des
Arbeitsrechtes über Bord werfen. Arbeit dann, wenn sie anfällt - das
ist das Ziel. Die Gewerkschaft aber hält gar nichts davon, die
Belegschaften dem rauen Wind des Standortwettbewerbs auszusetzen. Das
Argument, man wolle sich nicht zum "Tagelöhner" degradieren lassen,
hat Gewicht. Denn aus der Sicht der jeweils individuellen
Alltagszwänge sind unkalkulierbare Arbeitszeiten ein harter Eingriff.
Von der Vereinbarkeit Beruf/Familie braucht man jedenfalls nicht mehr
zu reden, wenn Kindergärten, Schulen und Geschäfte pünktlich
schließen, aber die Eltern in der Fabrik festhängen. Von
Frauenerwerbsquote über Bildungsnotstand bis zu Bewegungsmangel und
Scheidungsraten sind hier viele Stichworte berührt.
Anders sieht es freilich aus, wenn man die Wettbewerbsfähigkeit des
Landes im Blick hat. Starre Arbeitszeiten ohne Rücksicht auf die
Marktlage sind in der "Just-in-time"-Fertigungsgesellschaft ein
Anachronismus oder zumindest ein Luxus, den man sich erst einmal
leisten können muss. Können wir das? Wer das glaubt, läuft Gefahr,
durch Leiharbeiter und Fernost-Konkurrenz ersetzt zu werden - eben
durch jene, die flexibler sind.
Die Lösung kann nur in der Mitte liegen. Die Gewerkschaft sollte
schleunigst vom Dogma der Fixarbeitszeit abgehen, dafür aber eine
Rechte-Katalog erstreiten, der Familienleben möglich macht. Es muss
ja nicht jeder in jedem Lebensalter alle Flexibilisierungsübungen
mitmachen. Umgekehrt ist es ein schwer erträglicher Unfug, wenn die
Wirtschaft jetzt das Streikrecht infrage stellt, nur weil dieses -
zugegeben - nicht so wie die Kammern in der Verfassung steht. Solche
Fleißaufgaben sollten mit Unvermögenssteuer belegt werden. ****
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