Statt versprochener Reformen wollen SPÖ und ÖVP den ORF untereinander aufteilen
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untereinander aufteilen =
Wien (OTS) - Mit wachsender Sorge lesen wir in diversen Medien über
die Pläne der künftigen Regierung für den ORF. Demnach soll der ORF
Teil der Koalitions-Vereinbarung werden. Anstatt der angekündigten
Ent-Parteipolitisierung schaut es derzeit aber nach Partei-Proporz
aus. Die ÖVP will einen zweiten, gleichberechtigen Geschäftsführer
einsetzen. Die Idee dahinter ist offensichtlich die Aufteilung der
Geschäftsführung in einen "roten" und einen "schwarzen" Chef. "Das
wäre ein Rückfall in den finstersten Parteien-Proporz der 60er Jahre
- vor dem Rundfunk-Volksbegehren. Denn unter den beiden
Generaldirektoren sollen offenbar auch viele andere
Führungsfunktionen im rot-schwarzen System aufgeteilt werden",
befürchtet Redakteursrats-Vorsitzender Dieter Bornemann.
Im April 2012 - nach der Causa Pelinka - haben Bundeskanzler
Werner Faymann und Vizekanzler Michael Spindelegger Reformen
angekündigt. Anlass war damals der Widerstand der ORF-Journalistinnen
und Journalisten gegen partei-politische Postenbesetzung. Dieser
Widerstand wurde von einer breiten Zustimmung des ORF-Publikums
getragen. BK Faymann sagte damals: "Die Österreicher wollen in erster
Linie einen unabhängigen ORF. Das werden wir wohl hinkriegen." Und
Vizekanzler Spindelegger kündigte für den ORF "eine gewaltige Reform"
an.
Seit diesen Versprechen ist wenig bis nichts geschehen.
Durchgerungen haben sich die beiden Parteien - laut öffentlichen
Aussagen - zu einer geplanten Verkleinerung des Stiftungsrates. Von
den derzeit 35 Stiftungsrats-Mitgliederns gelten nur vier (!) als
unabhängig, der Rest kann einer Partei zugeordnet werden. Ziel der
künftigen Regierung ist es offenbar, die Stiftungsräte auf 15 zu
reduzieren. Aber statt dabei parteiferne, wirkliche Fachleute
auszuwählen, die alleine dem ORF und dem Publikum verpflichtet sind,
sollen vielmehr fünf Stiftungsräte der SPÖ nahestehen, fünf von der
ÖVP kommen und fünf von der Belegschafts-Vertretung (mit
eingeschränktem Stimmrecht in Personalfragen). Das wäre das Gegenteil
unserer Forderung nach einem professionalisierten Aufsichtsrat. Wir
fordern klare gesetzliche Bestimmungen für die Qualifikation und
einen nachvollziehbaren Bestellungsprozess. Dabei darf
parteipolitische Nähe keine Rolle spielen.
Zu den kolportierten Ablösegerüchten von Fernseh-Direktorin
Kathrin Zechner halten wir fest: Offenbar sehen SPÖ und ÖVP den
großen Erfolg der ORF-Wahlberichterstattung beim Publikum als einen
wesentlichen Faktor für die Stimmen-Verluste ihrer Parteien.
Angekreidet wird Zechner, dass der Opposition zu viel Redezeit
eingeräumt wurde. Das ORF-Publikum war zufrieden mit unserer
Berichterstattung - die Regierungsparteien hingegen weniger. Die
zuständige Direktorin - trotz hoher Zuschauerquote - abzulösen, wäre
ein einmaliger Vorgang in der Geschichte des öffentlich-rechtlichen
Rundfunks. Zechner lässt die Journalistinnen und Journalisten
unbeeinflusst arbeiten. Und hat sich damit offenbar den Unmut der
Regierung zugezogen.
Wenig überraschend ist auch die lange Diskussion über die
Sicherung der Finanzierung des ORF. Inhaltliche Unabhängigkeit kann
es nur mit finanzieller Unabhängigkeit geben. So lange der
ORF-Generaldirektor dazu gezwungen wird, mit dem Hut in der Hand
vorstellig zu werden, so lange sind partei-politischen
Begehrlichkeiten Tür und Tor geöffnet. Denn wenn die
Berichterstattung nicht so ausfällt, wie es den Regierenden gefällt,
wird dem ORF der Geldhahn zugedreht. Deswegen fordern wir eine
nachhaltige und langfriste Finanzierung des öffentlich-rechtlichen
Rundfunks. Das seit Jahren laufende Sparprogramm hat bereits viele
Redaktionen im ORF auf eine Minimalbesetzung schrumpfen lassen.
Auch wenn die beiden ehemaligen Großparteien SPÖ und ÖVP auf nur
noch knapp über 50 % der Stimmen kommen, wollen sie sich den ORF zu
100 % untereinander aufteilen. Dagegen werden die Journalistinnen und
Journalisten des ORF ankämpfen, egal von welcher Partei die
Begehrlichkeiten kommen. Unabhängige Berichterstattung und
Glaubwürdigkeit sind unser höchstes Gut. Das hat sich unser Publikum
verdient. Und keinen Regierungs-Funk, wie ihn sich SPÖ und ÖVP
wünschen. Der ORF ist für das Publikum da, nicht für die Parteien.
Der ORF-Redakteursrat
Dieter Bornemann Peter Daser Eva Ziegler
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