- 21.10.2013, 18:14:36
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Wiener Zeitung: Leitartikel von Reinhard Göweil: "Die Angst vor Europa"
Ausgabe vom 22. Oktober 2013
Utl.: Ausgabe vom 22. Oktober 2013 =
Wien (OTS) - Natürlich ist es grundsätzlich zu hinterfragen, was
nationalistische Parteien eigentlich im Europaparlament machen, die
genau dieses Europa gar nicht wollen. Noch stärker zu hinterfragen
wäre aber, warum diese Parteien derzeit beim Thema Europa so starke
Umfragewerte erzielen. Das Unbehagen an dieser Europäischen Union
wächst ganz offenkundig, und das ist im Wesentlichen an drei Punkten
festzumachen: Europa hat keine befriedigende Antwort auf die
Arbeitslosigkeit, ja nicht einmal Kompetenz in dieser Frage. Die Job-Garantie für Jugendliche, so sie überhaupt im Gedächtnis geblieben ist, ist eine politische Hülle. Zweitens findet Europa keine Linie in der Flüchtlingspolitik - mit grauenvollen Ergebnissen. Drittens hat Europa unvorstellbare Summen für Banken- und
Griechenland-Rettung ausgegeben, und die schiere Zahl (insgesamt
vierstellige Milliardenbeträge) entzieht sich der Vorstellungskraft
des Einzelnen. Übrig bleibt: Die in Brüssel schmeißen "unser Geld"
mit beiden Händen beim Fenster raus.
Die extreme Rechte in Europa befeuert all diese Unsicherheiten und
Vorurteile. Das genügt. Ihre Vorschläge wären zwar wirtschaftliches
Harakiri, denn Griechenland pleitegehen zu lassen, wäre um vieles
teurer geworden. Doch die Politik hat den Boden unter den Füßen
verloren. In den USA hat die Tea Party zuletzt auch keine Rücksicht
auf die Zahlungsfähigkeit des mächtigsten Landes der Welt genommen.
Warum sollten es dann europäische Parteien tun, beziehungsweise:
Warum sollte der EU-Bürger darauf vertrauen, dass EU-Politiker mit
einem stabileren Wertefundament ausgestattet sind?
Auch in Europa steigt die Angst, wie es wohl weitergeht, die leise
wirtschaftliche Erholung ändert daran gar nichts.
Die extreme Rechte fährt hier in die Parade und beschreibt die
"Vereinigten Staaten von Europa" gerne als "Brüsseler Sumpf". Dass
deren Abgeordnete in der laufenden Legislaturperiode wenig dazu
beigetragen haben, bestehende Mängel zu beseitigen, wird vom
knackigen Sumpf-Satz überstrahlt.
Es wird an den großen Parteifamilien der Konservativen,
Sozialdemokraten, Liberalen und Grünen liegen, Europas Bürgern die
Angst zu nehmen. Ob die jeweiligen Parteizentralen dazu in der Lage
sind, ist offen. Das sollten sie aber, denn Angst in ein schlechter
Ratgeber - überall.
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