- 03.10.2013, 12:21:17
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Gärgas: lebensbedrohend, da nicht zu riechen und zu sehen - Gefahr derzeit am größten
AUVA-Landesstelle Wien gibt Tipps für sicheres Arbeiten und Retten
Utl.: AUVA-Landesstelle Wien gibt Tipps für sicheres Arbeiten und
Retten =
Wien (OTS) - Ersticken auf Grund von Sauerstoffmangel oder eine
Vergiftung durch eine zu hohe Kohlendioxid-Konzentration sind die
Ursachen, die vor allem im Herbst immer wieder zu schweren und
tödlichen Unfällen in Weinkellereien und Silos führen. Gärgas ist
hoch gefährlich und die Gesundheitsgefahr stark unterschätzt. Auch
die altbekannte Kerzenprobe schützt nicht: die Flamme brennt noch,
wenn die CO2-Konzentration für den Menschen bereits tödlich ist. Der
Unfallverhütungsdienst der AUVA-Landesstelle Wien hat sich mit dem
Phänomen beschäftigt und gemeinsam mit der Höheren Bundeslehranstalt
und dem Bundesamt für Wein- und Obstbau Klosterneuburg umfangreiche
Messreihen in verschiedenen Weinkellern durchgeführt. Daraus wurden
Tipps für sicheres Arbeiten entwickelt. Ganz wichtig: Selbstschutz
geht vor - auch bei der Rettung eines Bewusstlosen aus dem
Gefahrengebiet.
"Tragische Gärgas-Unfälle, die fast eine ganze Familie das Leben
kosten wie jüngst in der Steiermark, untermauern das
Gefahrenpotenzial, das im Herbst in Weinkellern oder Silos lauert.
Meist ist es eine Kombination von Unwissenheit und falschem
Verhalten, die fatal endet - nicht nur für Einzelpersonen. Die
spektakulären Gärgasunfälle, die durch die Medien gehen, sind aber
nur die Spitze des Eisberges: Gärgase können Körperfunktionen stark
beeinträchtigen und die gefährlichen Prozesse so rasch ablaufen, dass
den Betroffenen nicht ausreichend Zeit zum Reagieren bleibt. Wir
gehen davon aus, dass es durch Schwindel, Konzentrationsabfall,
Müdigkeit, Kopfschmerzen oder Atemnot eine große Dunkelziffer an
Unfällen gibt, die auf eine erhöhte Gärgaskonzentration im
Arbeitsbereich zurückzuführen ist", warnt Ing. Bernd Toplak,
stellvertretender Leiter des Unfallverhütungsdienstes der
AUVA-Landesstelle Wien.
Ein wichtiger Ansatz zur Senkung der Unfallgefährdung durch
Gärgase ist die Reduktion von Kohlendioxid im Arbeitsbereich. Die
Projektleiter Ing. Herbert Stifter vom Unfallverhütungsdienst der
AUVA-Landesstelle Wien und Dipl. Ing. Harald Scheiblhofer von der
HBLA und BA für Wein- und Obstbau Klosterneuburg fassen die
wichtigsten Erkenntnisse der Arbeitsgruppe "CO2 im Weinbau" und Tipps
für sicheres Arbeiten zusammen:
- Es gibt keinen "ungefährlichen" Weinkeller: erhöhte CO2
-Konzentrationen treten nicht nur lokal begrenzt bei gärenden
Gebinden sondern auch im gesamten Keller auf und zwar abhängig von
der Bauart des Kellers (ein- oder mehrgeschossig; Röhrenkeller;
etc.), der Art der Lüftung, den verrichteten Arbeiten und den damit
verbundenen Bewegungen von Personen im Raum.
- Ein Hauptproblem ist die Unterschätzung der Gefahr. Die häufige
Meinung, dass CO2 gerochen wird, stimmt nicht. Zu riechen und oft als
unangenehm empfunden sind Aromen, die auch - aber nicht immer (!) -
mit erhöhten CO2- Konzentrationen gemeinsam auftreten können. Der
Gärgeruch erlaubt in keinem Fall einen Rückschluss auf den möglichen
CO2-Gehalt.
- Die Rettung von Verunfallten ist ebenfalls ein wichtiges Thema.
Retter bringen sich oft durch unüberlegtes Handeln selbst in Gefahr.
Richtiges Verhalten im Ernstfall ist schon im Vorfeld z.B. im Rahmen
der Evaluierung und Unterweisung zu berücksichtigen. Der Selbstschutz
geht in jedem Fall vor. Wenn von erhöhten, unter Umständen
gefährlichen CO2-Konzentrationen ausgegangen werden muss, dürfen
Verunfallte nur mit umluftunabhängigem Atemschutz oder nach
vorherigem ausreichenden Belüften (messen!) geborgen werden.
- In manchen Fällen kommt es zur Erstickung aufgrund von
Sauerstoffmangel. Aber mindestens ebenso gefährlich ist die giftige
Eigenschaft von Kohlendioxid. So tritt zum Beispiel bei 20
Volumsprozent CO2 in der Atemluft (das etwa 500-fache des
Normalzustandes) der Tod innerhalb weniger Minuten ein. Bei einer
solchen CO2-Konzentration wäre der Sauerstoffgehalt bei 17
Volumsprozent - immer noch ausreichend für die Atmung und in der
Wirkung vergleichbar mit einem Aufenthalt in unseren Alpen.
- Die weitverbreitete Meinung, dass sich CO2 durch seine Dichte
(schwerer als Luft) immer in Bodennähe absetzt und "CO2-Seen" bildet,
ist nur teilweise richtig: die Luftbewegungen im Raum (Thermik an
Tanks, Lufttemperaturunterschiede, usw.) führen zu einer deutlich
anderen Verteilung.
- Die Kerzenprobe ist als Bestimmungsmethode für CO2-Gehalt nicht
geeignet, die Flamme brennt noch bei für den Menschen tödlichen
Konzentrationen.
- Es schützt nur von Umluft unabhängiger Atemschutz.
Atemschutzfilter (Partikelfiltermasken, Gasfilter, usw.) helfen
nicht.
- Viele Faktoren wie körperlicher und gesundheitlicher
Allgemeinzustand, momentane Belastung, vorherige Nahrungs- und
Flüssigkeitsaufnahme, Temperatur und Feuchtigkeit der Atemluft sind
entscheidend, wann welche CO2-Vergiftungserscheinungen beim Menschen
auftreten. Die Auswirkungen können von Konzentrationsschwäche,
Müdigkeit, Kopfschmerzen, Schwindelgefühl, Atemnot, Bewusstlosigkeit
bis hin zum Tod gehen und die Prozesse so rasch ablaufen, dass den
Betroffenen keine ausreichende Zeit zum Reagieren bleibt. Aus diesem
Grund sind auch unbedachte Rettungsmaßnahmen so gefährlich.
- Je Liter Traubenmost entstehen etwa 55 Liter CO2. In welchem
Zeitraum diese Menge anfällt, hängt von der jeweiligen Art der
Vergärungsmethode ab.
- Gefährlich ist nicht nur die tödliche CO2-Konzentration. Eine
erhöhte, um den MAK-Wert (Maximale Arbeitsplatzkonzentration = 0,5
Volumsprozent) liegende Konzentrationen führt zu einer
Beeinträchtigung und zu erhöhtem Unfallrisiko. Eine Folge könnte zum
Beispiel ein Sturz von der Leiter aufgrund einer körperlichen
Schwächung sein.
- Je nach Temperatur der Wände, Tanks, etc. kann CO2 zu Boden
fallen, genauso aber durch die Thermik nach oben steigen.
- Beim Einstieg in Gärbehälter ist immer mit hoher CO2
-Konzentration zu rechnen. Daher ist hier eine vorhergehende und
weiterlaufende ausreichende Belüftung des Tanks während der Arbeiten
z.B. mittels Ventilator besonders wichtig.
- Es müssen aber auch vermeintlich "sichere" Nebenräume (z.B.
Laborräume, Umkleideräume, aber auch Schächte, Aufzüge)
berücksichtigt werden. In der Praxis zeigt sich, dass CO2 in Bereiche
dringen kann, in denen es nicht vermutet wird, und zwar durch Mauern,
über Kanäle, durch Öffnungen entlang von Leitungen, etc.
- Einer guten mechanischen Belüftung ist immer der Vorzug zu geben:
die Effektivität von natürlicher Lüftung durch Fenster und Türen wird
fast immer überschätzt.
- Oft ist die Belüftung nur während der "normalen" Arbeitszeit
gegeben, speziell in der Nacht werden Tore geschlossen und
Lüftungsanlagen abgeschaltet. In der Früh wird dann vor Beginn der
Arbeiten mehr oder weniger ausreichend gelüftet. Vergessen wird dabei
aber auf Situationen, die ein sofortiges Betreten des Gärbereiches
wie z.B. bei Störungen in der Nacht nötig machen.
- Um bei einem bestehenden Keller Gefährdungen seriös beurteilen und
in weiterer Folge sinnvolle Maßnahmen zum Schutz aller Beteiligten
ableiten zu können, muss die CO2-Belastung rechtzeitig gemessen
werden. Die AUVA bietet dabei fachliche Unterstützung an.
- Bei Neubauten muss die CO2 -Thematik schon frühzeitig in die
Planung aufgenommen werden, das ist einfach, effektiv und
kostengünstig. Zum Beispiel eine direkte Ableitung des CO2 aus den
Tanks nach außen, ausreichend dimensionierte Absaug- bzw.
Lüftungsanlagen, sorgfältig geplante und installierte Warn- und
Alarmvorrichtungen.
- Von ebenso hoher Bedeutung ist eine ausreichende Information aller
Betroffenen. Eine sorgfältige Unterweisung über den Umgang mit
möglichen CO2-Vorkommen im Betrieb ist für alle Arbeitnehmer
gesetzlich unumgänglich und für die eigenverantwortlich tätigen
Dienstgeber und Unternehmer wie Winzer ein betriebswirtschaftliches
Gebot der Vernunft.
Die AUVA unterstützt Betriebe
Unwissenheit und falsche Einschätzung der Gefahr in der Praxis
beruhen oft auf zu wenig Fachwissen in diesem Gebiet. Der
Unfallverhütungsdienst der AUVA-Landesstelle Wien beschäftigt sich
gemeinsam mit der HBLA und BA für Wein- und Obstbau Klosterneuburg
seit einigen Jahren mit "CO2 im Weinbau". Umfangreiche Messreihen in
unterschiedlichen Weinkellern ergaben neue und informative
Ergebnisse. In Verbindung mit einer genaueren Betrachtung der
jeweiligen Arbeitsumgebung - auf welche Art wird gelüftet, welche
sonstigen gefährliche Tätigkeiten sind gegeben (z.B. Reinigen der
Weintanks) - kann es effektiv zu einer Reduzierung der
CO2-Konzentration in Weinkellereien kommen. Die AUVA-Landesstelle
Wien unterstützt Betriebe in Wien, Niederösterreich und Burgenland
hier individuell und berät gerne kostenlos und zwar unter
sichereswissen@auva.at oder (01) 33133-252.
Über die AUVA:
Bei der AUVA sind rund 4,7 Millionen Personen gesetzlich gegen
Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten versichert: 1,2 Millionen
Arbeiter, 1,6 Millionen Angestellte, 450.000 Selbständige
sowie 1,4 Millionen Schüler, Studenten und Kinder im verpflichtenden
Kindergartenjahr. Die Landesstelle Wien betreut in den Bundesländern
Wien, Niederösterreich und Burgenland 42 Prozent der
AUVA-Versicherten. Pro Jahr erhalten 120.000 Verletzte in den Wiener
AUVA-Unfallkrankenhäusern Meidling und Lorenz Böhler sowie 1.900
Patienten in den Rehabilitationszentren Wien-Meidling und Weißer Hof,
Klosterneuburg, die bestmögliche Behandlung. Die AUVA finanziert ihre
Aufgaben als soziale Unfallversicherung aus Pflichtbeiträgen der
Dienstgeber. Prävention ist dabei die vorrangige Kernaufgabe der AUVA
- die Verhütung von Unfällen und die Vorbeugung von Berufskrankheiten
senkt die Kosten für die drei weiteren Unternehmensbereiche
Heilbehandlung, Rehabilitation und finanzielle Entschädigung von
Unfallopfern am wirksamsten.
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