• 24.09.2013, 18:55:18
  • /
  • OTS0250 OTW0250

"Kleine Zeitung" Kommentar: "Geheimniskrämerei oder totale Transparenz" (Von Thomas Götz)

Ausgabe vom 25.09.2013

Utl.: Ausgabe vom 25.09.2013 =

Graz (OTS/Vorausmeldung) - Was gibt es Persönlicheres, als das
Versagen des eigenen Körpers? Wen außer mir, meiner Familie, dem
Arbeitgeber und eventuell noch der Krankenversicherung geht meine
Krankheit etwas an? Niemanden.

Für Politiker gilt dieser Privatheitsvorbehalt nicht. Nicht in
Demokratien. Schon deshalb nicht, weil in Demokratien die Wähler als
Arbeitgeber gelten. Sowjetische Gerontokraten dachten nicht daran,
ihren wahren Zustand publik zu machen. Trauermusik im Staatsfunk ließ
den ahnungslosen Untertan wissen, dass wieder einer aus der
Führungsriege überraschend aus dem blühenden Leben gerissen worden
war.

Auch in Österreich ist der Hang zu übertriebener Transparenz nicht zu
beobachten. Alois Mock war zwar schon während der
EU-Beitrittsverhandlungen für alle sichtbar ein schwer kranker
Außenminister. Was ihm fehlte, musste der mitfühlende oder nur
neugierige Beobachter erraten. Auch Bundespräsident Thomas Klestil
geizte mit Informationen über die rätselhafte Krankheit, der er nach
so langem Leiden erliegen sollte. Julius Raab ließ sich als schwer
kranker Mann noch überreden, den aussichtslosen Kampf gegen den
amtierenden Bundespräsidenten Adolf Schärf aufzunehmen.

Barbara Prammer wählt einen anderen Weg. Gemeinsam mit ihrem
behandelnden Arzt trat sie vor die Presse und erklärte ihren Zustand.
"Ja, ich habe Krebs", sagte sie schnörkellos und offen. Einzig die
Art des Krebsleidens, das im AKH behandelt wird, verschwieg sie. Das
sei Privatsache und gehe niemanden etwas an.

Damit wählte die besonnene Oberösterreicherin den schmalen Grat
zwischen Geheimniskrämerei und totaler Transparenz. Das Erste kann
sich eine hochrangige Politikerin wie sie nicht mehr leisten, das
Zweite würde nur Voyeure befriedigen und ist daher unnötig.

Noch einen ausdrücklich erwünschten Nebeneffekt hat die Offenlegung
Prammers. Sie wolle anderen Krebspatienten erleichtern, über ihr
Schicksal zu reden. Anscheinend hindert viele Menschen nach wie vor
ein gesellschaftliches Tabu, von lebensbedrohenden Krankheiten zu
reden. Das erschwert die Therapie und fügt der zehrenden Krankheit
noch die Last der psychischen Isolation hinzu. Öffentliches Sprechen
über Krebs kann helfen, solche Schwellenängste zu mildern.

Barbara Prammer wird weiter arbeiten und wieder kandidieren. Auch das
ist ein ermutigendes Zeichen für viele Menschen: Mit Krebs ist das
aktive Leben nicht zu Ende. Dafür werden ihr viele Patienten danken.
****

OTS-ORIGINALTEXT PRESSEAUSSENDUNG UNTER AUSSCHLIESSLICHER INHALTLICHER VERANTWORTUNG DES AUSSENDERS - WWW.OTS.AT | PKZ

Bei Facebook teilen.
Bei X teilen.
Bei LinkedIn teilen.
Bei Xing teilen.
Bei Bluesky teilen

Stichworte

Channel