• 02.09.2013, 13:17:29
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"kreuz und quer" am 3. September: "Vertrauen in die Dunkelheit" und "Welt der Nähe"

Wien (OTS) - "kreuz und quer" - präsentiert von Doris Appel - zeigt
am Dienstag, dem 3. September 2013, um 22.30 Uhr in ORF 2 Michael
Cencigs Film "Vertrauen in die Dunkelheit" über den blinden
Extrembergsteiger Andy Holzer. Um 23.10 Uhr begleitet "kreuz und
quer" taubblinde Menschen durch ihren Alltag und zeigt in Jonny Roths
Film "Welt der Nähe", wie sie die verlorenen oder nie entwickelten
Sinne kompensieren.

"Vertrauen in die Dunkelheit: Der blinde Extrembergsteiger Andy
Holzer" - Ein Film von Michael Cencig um 22.30 Uhr

"Als Blinder bin ich nie auf die Idee gekommen, nicht angewiesen zu
sein." Dieser Satz des Extrembergsteigers Andy Holzer hat den Lienzer
Pfarrer Bernhard Kranebitter zu einer Predigt inspiriert: "Wir sind
alle aufeinander angewiesen. Wenn wir dazu stehen, entsteht
Vertrauen." Auf einer Klettertour bilden Bergsteiger und Pfarrer eine
Seilschaft - Metapher für menschliche Verbindung (durch das Seil),
für Angewiesensein und Vertrauen (einer sichert den anderen) und für
das, was man gemeinsam erreichen kann - den Gipfel.

Andy Holzer ist 47 Jahre alt - und von Geburt an blind. Sein Handicap
hat ihn jedoch nicht daran gehindert, Extrembergsteiger zu werden.
Sechs der Seven Summits - der höchsten Gipfel jedes Erdteils - hat er
bereits erklommen. Für den Osttiroler ist das Besteigen von Bergen
die beste Methode, um als Blinder die Welt zu begreifen. Und was er
von der Welt begreift, gibt der gelernte Heilmasseur gerne weiter:
Indem er unerfahrene Alpinisten wie den Lienzer Pfarrer Bernhard
Kranebitter in die Berge begleitet oder als vielgebuchter
Vortragender versucht, Sehenden die Augen zu öffnen, Sehenden neue
Perspektiven im Leben und auf das Leben zu geben.

Bereits als Kind war Andy Holzer in den Lienzer Dolomiten unterwegs.
Seinen Eltern hat Andy Holzer sehr viel zu verdanken. Sie haben sich
Mitte der 60er Jahre standhaft geweigert, ihn und seine ebenfalls
blinde Schwester in ein Heim zu geben. Sie haben es sich zur Aufgabe
gemacht, ihren beiden behinderten Kindern eine möglichst normale
Kindheit angedeihen zu lassen. Und Andy hat diese Chance konsequent
genutzt. Er ließ sich von keiner Aktivität seiner Freunde
ausschließen, ist mit dem Fahrrad ins Dorf gefahren, hat im Wald
Fangen gespielt und ist im Winter über Schanzen gesprungen.

Andy Holzer hat von Kindheit an daran gearbeitet, seine Umwelt
mittels aller verbleibenden Sinne so gut wie möglich wahrzunehmen:
mittels Gehörsinn, Tastsinn, Geruchsinn, Geschmacksinn - verbunden
mit seinen Fähigkeiten, zu denken und zu fühlen - und zu glauben. Er
will unbedingt den Eindruck vermeiden, was er erreicht hat, sei ganz
einfach machbar: "Es ist immer wieder die gewisse Unbekannte, die
eingreift in dein Leben. Bei mir ist es der Himmelvater, der liebe
Gott. Jesus gibt mir die Chance, dass ich einfach nur ein Mensch sein
darf. In dem Moment, wo du keinen Fehler machen darfst, ist die
Wahrscheinlichkeit am größten, dass du einen machst. Wenn dir aber
jemand sagt, Andy, du darfst ruhig danebenhauen, genau dann machst du
keinen Fehler. Das gibt mir die Lockerheit und das Vertrauen in die
Unbekannte. Der liebe Gott hat unbekannte Werkzeuge, und genau da ist
die Chance für mich. Das ist eine wunderbare Kraft, und die richtet
mich immer wieder auf, wenn ich hingefallen bin."

"Welt der Nähe: Wie Taubblinde ihr Leben fühle" - Ein Film von Jonny
Roth um 23.10 Uhr

"Ich bin ein Röteln-Kind", sagt Anita, "und es war zu erwarten, dass
ich behindert sein würde. Meine Mutter hat mich trotzdem zur Welt
gebracht. Dafür werde ich ihr ewig dankbar sein. Denn ich lebe so
gern." Anita ist taubblind. Sie hört und sieht so gut wie nichts.
Aber sie liebt Musik. Anita legt ihre Hand auf das Klavier und nimmt
die Musik über ihren Tastsinn wahr. "Das ist meine Welt", sagt sie,
"die Welt, die in meinen Händen ist."

Die Welt von Taubblinden endet mit der Reichweite ihrer Hände. Denn
Hören und Sehen - die Fernsinne - funktionieren nicht oder nur sehr
schlecht. Taubblinde können nichts erkennen, das sich in der Ferne
befindet. Sie leben in der Welt der Nähe. Zwei Jahre lang hat Jonny
Roth dieses Thema recherchiert. Es begann damit, dass dem Studenten
der Filmakademie die Aufgabe gestellt wurde, ein Thema zu
recherchieren, das ihn persönlich wirklich interessiert. Das Thema
"Taubblinde" interessierte Jonny Roth so sehr, dass er dranblieb -
auch nachdem die Semesterarbeit längst abgeschlossen war. "Wenn man
nicht hört und nicht sieht, was bleibt dann noch?" Diese Frage ließ
den jungen Regisseur nicht los, denn "wenn diese beiden Sinne
ausfallen, stellt sich die Sinnfrage in einer besonderen Schärfe."

Diese Sinnfrage hat der katholische Diakon Peter Hepp negativ
beantwortet, als er damit konfrontiert wurde, taubblind zu werden.
Das Leben hatte für ihn keinen Sinn mehr, und er ging in den Wald, um
sich die Pulsadern aufzuschneiden. Aber dort hatte es Minusgrade, und
Peter Hepp wurde klar, dass man ihn wahrscheinlich finden würde,
bevor der Tod eintritt. Er nahm das als Signal von oben: "Gott hat
mir diese Kälte geschickt und mir damit gezeigt, dass er für mich da
war. Danach ist der Gedanke an Selbstmord für immer verschwunden."

Christa Heinemann ist die Mutter des taubblinden Michael. Sie und ihr
Mann haben sich anfangs oft die Frage gestellt: "Warum wir?" Dann
haben sie beschlossen, ihr Schicksal anzunehmen - "Das ist unser
Leben" - und es selbst in die Hand zu nehmen. Sie gründeten gemeinsam
mit anderen betroffenen Eltern das ÖHTB - einen Verein, der sich für
die Belange von Taubblinden einsetzt. Heute sagt Christa Heinemann:
"Ich bin überzeugt, dass jede Schwierigkeit auch eine positive Seite
hat. Und Michael musste behindert auf die Welt kommen, damit das ÖHTB
gegründet wurde." Barbara Latzelsberger arbeitet für das ÖHTB als
Hörblinden-Beauftragte. Sie hat Jahre gebraucht, um sich auch nur
annähernd in die Lage von Taubblinden versetzen zu können. Wenn sie
z. B. beobachtet, wie Michael Heinemann seine Augen dem Licht
zuwendet und mit seiner Hand seltsame Bewegungen vor seinen Augen
ausführt, dann vermutet sie, dass diese stereotype Bewegung für
Michael eine völlig andere Bedeutung hat als für einen Hörenden und
Sehenden: "Vielleicht bedeutet es für einen Taubblinden einfach
Glück, es ein wenig flimmern zu sehen. Vielleicht, ich weiß es
nicht."

"kreuz und quer" ist nach der TV-Ausstrahlung sieben Tage auf der
Video-Plattform ORF-TVthek (http://TVthek.ORF.at) als Video-on-Demand
abrufbar und steht als zeitnahe Servicewiederholung am Mittwoch im
Hauptabend auf dem Programm von ORF III Kultur und Information.

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