• 21.08.2013, 18:53:10
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"Kleine Zeitung" Kommentar: "Ein Mubarak-Ägypten im neuen, eisernen Gewand" (Von Martin Gehlen)

Ausgabe vom 22.08.2013

Utl.: Ausgabe vom 22.08.2013 =

Graz (OTS/Vorausmeldung) - Noch darf Hosni Mubarak den
Tora-Gefängniskomplex südlich von Kairo nicht verlassen. Doch man
braucht kein Hellseher zu sein, um zu ahnen, dass die Staatsanwälte
in dem aufgeheizten innenpolitischen Klima Ägyptens es nicht wagen
werden, dem früheren Diktator mit ihrem Einspruch den Freigang noch
zu verwehren.

Freilich, die mögliche Entlassung aus dem Gefängnisspital wäre noch
kein Freispruch. Der Prozess wegen der Tötung der Demonstranten soll
am kommenden Sonntag vor dem Strafgericht Nord-Kairo fortgesetzt
werden. Zunächst ist im Hauptverfahren, in dem sich der frühere
Präsident erneut wegen der Tötung von mehr als 800 Demonstranten
Anfang des Jahres 2011 verantworten muss, die maximale Dauer der
Untersuchungshaft abgelaufen. Und auch in den drei weiteren
laufenden Verfahren gegen Mubarak konnten die Anwälte des 85-Jährigen
lediglich Gerichtsbeschlüsse zur Haftverschonung erwirken.

Doch Ägpyten erlebt damit diese Woche eine erste hochsymbolische
Zwischenbilanz seiner am 30. Juni 2013 ausgerufenen "Zweiten
Revolution". Der demokratisch gewählte Präsident Mohammed Mursi sitzt
hinter Gittern. Sein durch den Arabischen Frühling gestürzter
Vorgänger Hosni Mubarak, in erster Instanz für Beihilfe zum Mord in
über 800 Fällen zu lebenslänglicher Haft verurteilt, läuft wieder
frei herum. Der Chef der Muslimbruderschaft, Mohammed Badie, ist
verhaftet, ein schritt, den selbst Mubarak nie gewagt hätte.

Die Organisation der Islamisten, deren politischem Arm vor 18 Monaten
nahezu die absolute Mehrheit aller Ägpyter bei den ersten freien
Parlamentswahlen ihre Stimme gab, soll verboten werden. Die
gefürchtete ägyptische Staatssicherheit ist wieder rehabilitiert. Und
in den vergangenen acht Tagen erlebte Ägypten die blutigsten Massaker
von Sicherheitskräften an eigenen Landsleuten in seiner modernen
Geschichte.

Trotzdem ziehen zahllose Repräsentanten ägyptischer Klein- und
Kleinstparteien nach wie vor durch die Medien, nennen sich Liberale,
freie Ägypter, manche gar Sozialdemokraten und Sozialisten, und
rechtfertigen das blutige Drama als notwendige "Reinigung des
Volkskörpers".

Mubaraks Entlassung könnte ihnen jetzt die Augen öffnen. Und was sie
dann sehen, ist nicht mehr ihre angeblich von der Armee gerettete
Revolution aus dem Jahr 2011, sondern die Wiederkehr Hosni Mubaraks
und seines Staates in neuem, eisernen Gewand. ****

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