- 20.08.2013, 18:52:30
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"Kleine Zeitung" Kommentar: "Hinter dem Wohlstand steht erbitterter Raubbau" (Von Ernst Sittinger)
Ausgabe vom 21.8.2013
Utl.: Ausgabe vom 21.8.2013 =
Graz (OTS) - Würden wir die Erde nachhaltig bewohnen, dürften wir von
heute bis Jahresende außer ein bisserl Atemluft gar nichts mehr
verbrauchen: keine Energie, keine Rohstoffe, keine Lebensmittel, kein
Wasser. Denn die Reserven sind für heuer aufgebraucht. Der gestrige
20. August markiert den "Overshoot-Day": Alles, was wir jetzt noch
entnehmen, ist Raubbau. Nach nicht einmal drei Vierteln des Jahres
haben wir die Biokapazität der Erde erschöpft.
Aber davon will natürlich niemand etwas wissen. Geht auch gar nicht,
wir haben ja ein von Rezession bedrohtes Wirtschaftssystem. Und
außerdem: Die Reisebüros wollen auch im Herbst Fernreisen in alle
Welt verkaufen. Manch einer benötigt schon wieder dringend ein neues
Geländeauto für die Stadt. Und zu Weihnachten werden wir uns
konsumtechnisch auch nicht lumpen lassen. Der endliche Planet soll
unendliche Gütermengen bereitstellen. Die ökologische Überschuldung
nehmen wir in Kauf.
Die Tragik des Themas liegt darin, dass guter Rat teuer ist, wenn wir
wirklich etwas ändern wollen. Wir alle sind Gefangene der
Konsumspirale, wir alle leben davon. Freilich könnte sich jeder um
eine bessere persönliche Ökobilanz bemühen. Aber das Zauberwort
lautet leider "Bescheidenheit" - wir müssten halt kleinere Wohnungen
und kleinere Autos haben, geflickte Schuhe und Kleider tragen, keine
Lebensmittel wegwerfen und zur Sommerfrische aufs Land fahren statt
zum Flughafen. Von anderen Überfluss-Problemzonen (Navi, Handy,
Kinderspielzeug...) ganz zu schweigen. Bescheidenheit ist offenbar
eine Kern-Inkompetenz der Gattung Mensch.
Solange wir in der starren Formel "Wohlstand durch Wachstum"
verharren, werden sich die Luxusansprüche jährlich steigern und
weltweit verbreiten. Längst frönen nicht mehr nur Amerikaner und
Europäer dem Überkonsum. Schon 80 Prozent der Menschen leben in
ökologisch überschuldeten Ländern.
Was also tun? Einsicht wird wohl erst herrschen, wenn der
Problemdruck unerträglich wird. Immerhin war die ungewollt
"passierte" Weltwirtschaftskrise von 2009 die bisher wirksamste
Klimaschutzmaßnahme der Geschichte. Künftig brauchen wir noch mehr
Kostenwahrheit beim Naturverbrauch und dazu ein neues
Glaubensbekenntnis im Wirtschaftsleben - einen Wettlauf um einfache,
aber clevere Produkte und Lösungen. Beim Wollen sind wir eh auf einem
guten Weg. Aber ob wir rechtzeitig zum Handeln kommen? Man muss daran
zweifeln.****
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