• 08.07.2013, 19:00:08
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DER STANDARD-KOMMENTAR "Eine Chance für die Kleinen" von Michael Völker

Das System braucht Durchlüftung, die Demokratie verträgt Vielfalt - Ausgabe vom 9.7.2013

Utl.: Das System braucht Durchlüftung, die Demokratie verträgt
Vielfalt - Ausgabe vom 9.7.2013 =

Wien (OTS) - Werner Faymann? Michael Spindelegger? Heinz-Christian
Strache? Eva Glawischnig? Die Gründe, sich von einer Partei und der
Politik abzuwenden, sind vielfältig. Mancher Bürger, manche Bürgerin
fühlt sich vom personellen Angebot nicht angesprochen, hat den
Polit-Sprech satt, kann mit der hohlen Inszenierung nichts anfangen,
empfindet Politiker als Selbstdarsteller, Karrieristen oder
Opportunisten. Tatsächlich ist der Beruf in Verruf geraten. Die
Protagonisten sind daran nicht unbeteiligt.
Es gibt auch inhaltliche Gründe, sich von den Parteien abzuwenden:
der Proporz und die Packelei, seit Jahrzehnten schon, die Korruption,
das Geben und das Nehmen. Die Grünen haben insofern ein
Alleinstellungsmerkmal, als sie von Korruptionsvorwürfen unbefleckt
geblieben sind. Es gibt aber auch ganz pragmatische Gründe, sich
abzuwenden: weil die politische Ausrichtung nicht passt, weil einem
die Themensetzung gegen den Strich geht, weil man
gesellschaftspolitisch woanders zu Hause ist, weil die eigenen
Lebensumstände andere Antworten bedingen würden.
Es ist diese Gemengelage aus Unzufriedenheit mit dem politischen
Personal und dem lückenhaften inhaltlichen Angebot der Parteien, die
zur Politikverdrossenheit beiträgt. Manche fühlen sich einfach nicht
angesprochen, andere fühlen sich regelrecht angewidert.
Gibt es Alternativen? Ernst zu nehmende Alternativen?
Wer die Welt retten möchte, braucht oftmals selbst Hilfe. Manche
Parteiengründung ist eine Einpersonenbeschäftigungstherapie, manches
Parteiprogramm ein Hilfeschrei. Die Politik war immer auch ein
Betätigungsfeld für Obskuranten, falsche Propheten, für Verwirrte,
Verschwörungstheoretiker und hyperaktive Zwangsneurotiker. Sie melden
sich fast täglich in den Zeitungsreaktionen.
Und es gibt diejenigen, die nicht nur nörgeln wollen, die es
wenigstens probiert haben wollen. Die etwas beitragen wollen und auch
das Potenzial dazu haben. Diejenigen, die sich einem klassischen
Parteiapparat nicht andienen, die sich kreativ verwirklichen wollen.
Die gehen zu einer Kleinpartei. Oder sie gründen selbst eine.
Was oder wen man als konstruktiv, als verwirrt oder sogar als Gefahr
empfindet, hängt von der eigenen Weltanschauung und von der
politischen Prägung ab. Um Christen, Kommunisten oder Monarchisten zu
unterstützen, braucht es ein entsprechendes Vorleben und die
entsprechende Vorliebe - oder das Gegenteil davon: die totale
Unvoreingenommenheit.
Es gibt auch die Neos oder eine neue Partei namens Der Wandel, beiden
ist eine gewisse Ernsthaftigkeit nicht abzusprechen, dort engagieren
sich Leute, die etwas bewegen wollen. Sie wollen sich einbringen, und
das ist gut so. Die Demokratie verträgt das, die politische
Landschaft braucht das.
Diese Woche beginnt die Frist zu laufen, in der die kleinen Parteien
Unterstützungserklärungen sammeln können. 2600 sind für eine
Kandidatur notwendig. Das sollte eine Überlegung wert sein. Auch wenn
man am Wahltag sein Kreuzerl vielleicht woanders, vielleicht wieder
dort macht, wo man es mit Bauchweh immer schon gemacht hat. Es wäre
eine Bereicherung, wenn sich ein paar Parteien mehr auf dem
Wahlzettel befinden würden. Wer sich bewusst mit Alternativen
auseinandergesetzt hat, bereichert nicht nur das politische System,
sondern erweitert auch das eigene Bewusstsein.

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