- 28.06.2013, 17:09:23
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Hallstatt: Sind Ignorieren des Jahrhunderte alten Erfahrungswissens und mangelhafte Bedienung schuld am Hochwasser?
Wien (OTS) - Seit über einem halben Jahrtausend (!) dienen
Wasserbauten der Kulturlandschaft UNESCO-Welterberegion
Hallstatt-Dachstein/Salzkammergut und schützen sie gleichzeitig vor
Naturgewalten. Innovativ wäre die Kombination der modernen
meteorologischen Prognosemöglichkeiten mit dem historischen
Erfahrungswissen. Damit würde es möglich werden, den Spiegel des
Hallstättersees vor einer Regenperiode rechtzeitig und ausreichend
abzusenken, um das Hochwasser abzufangen.
Die Seeklause am Ausfluss des Hallstättersees ist nicht nur das
älteste, seit über 500 Jahren in Funktion erhaltene technische
Bauwerk des Landes, sondern auch ein Musterbeispiel für nachhaltigen
Wasserbau. Sie besteht aus zwei voneinander getrennten Bauten, der
eigentlichen Klause und dem Polster, einem 40 m flussabwärts
gelegenen Gegenwehr. Die eigentliche Klause besteht aus 12 hölzernen,
mit Steinen gefüllten Kästen, den "Klausstuben", welche in einer
Reihe quer über dem Seeausfluss stehen. Die 11 Öffnungen zwischen den
"Klausstuben" können durch Tore verschlossen werden, die um
senkrechte Achsen drehbar sind. Diese Drehachsen decken sich nicht
mit den Symmetrieachsen der Tore, die so selbstregulierend in die
Strömungsrichtung des Wassers einpendeln. Um die Klaustore im
geschlossenen Zustand vom Wasserdruck zu entlasten, wurde unterhalb
der Klause der Polster, ein etwas niedrigerer Zwischenstau,
geschaffen. Mit dieser genial einfachen Einrichtung, die aus den
lokal vorhandenen Baustoffen Holz und Stein gebaut ist, können sehr
schnell Wassermassen von bis zu 35 Kubikmetern pro Sekunde aus dem
Hallstättersee abgelassen werden. Damit wurde es mit Beginn des 16.
Jahrhunderts möglich, den Wasserstand der Traun zu regulieren und
sowohl für die "Naufahrt" der Salzzillen und die Holztrift als auch
für die Gegenzüge die nötige Tauchtiefe zu bieten. Durch das gezielte
Öffnen und Schließen einzelner Klaustore ist es aber auch möglich,
den Seespiegel sehr fein zu regulieren. Dazu bedarf es allerdings
einer kompetenten Fachkraft, des "Klausmeisters" für Betrieb und
Wartung. Dem Zeitgeist des 20. Jahrhundert blieb es vorbehalten,
diesen Dienstposten einzusparen und zu versuchen, die Seeklause
ferngesteuert zu bedienen.
Im Juli 1884 vermurte der Mühlbach Hallstatt ganz ähnlich wie
vergangene Woche. Es erscheint sinnvoll, die damals gesetzten
Schutzmaßnahmen in Ihrer Langzeitwirkung zu analysieren. Die
Mühlbachverbauten aus Steinquadern haben nicht nur den Wassermassen
standgehalten, sondern fügen sich auch harmonisch in das Orts- und
Landschaftsbild. Der Mühlbachausbau überwindet eine Höhendifferenz
von über 600 Metern und besaß im Ortszentrum von Hallstatt
ursprünglich drei Abflusskanäle zum See hin. Zwei dieser
steingemauerten "Fluder" sind - im 20. Jahrhundert - jedoch
zugeschüttet worden. Eine Re-Aktivierung dieser Kanäle als
Entlastungsgerinne wäre nicht nur eine Bereicherung für das Ortsbild,
sondern in Zukunft auch ein zuverlässiger Schutz vor den
Wassermassen.
Um Hallstatt in Zukunft vor Naturgefahren wieder sicherer machen
zu können, sollte neben moderner Technologie auch historisches
Erfahrungswissen angewandt werden. Es sollte wieder Personal für die
regelmäßige Räumung des Mühlbachbettes zur Verfügung stehen.
"Steinbewahrer" sollten, wie lange Zeit üblich, in den Steilhängen
über dem Welterbe-Ort die losen Steine sichern, und auch die
Seeklause sollte wieder von einem ortsansässigen "Klausmeister"
bedient und gewartet werden. Das Wissen um die seit Jahrhunderten
erfolgreich funktionierenden Systeme ist sowohl Grundlage als auch
Garant für eine gesicherte Zukunft. Investitionen in die permanente
Wartung sind immer billiger als die Folgekosten vermeidbarer
Auswirkungen der stets von Ängsten und Gefährdungen begleiteten
Naturkatastrophen.
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