• 25.02.2013, 14:55:58
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Ruf nach persönlichem Budget für Menschen mit intellektueller Behinderung

Wien (OTS) - Am 21. Februar 2013 veranstaltete die IVS Wien,
Interessensvertretung sozialer Dienstleistungsunternehmen für
Menschen mit Behinderung, die Tagung "Persönliches Budget -
Möglichkeiten und Chancen". Anhand konkreter Beispiele aus
Deutschland wurde aufgezeigt wie das Modell hervorragend als
Alternative zu Sachleistungen funktionieren kann, in anschließenden
Workshops wurde die Umsetzung in Österreich diskutiert. Unter den 80
TeilnehmerInnen waren Betroffene sowie Vertreter von Institutionen
und Geldgebern. Resümee der Veranstaltung, die im KunstSozialraum der
Caritas Wien stattfand: Im Sinne der UN-Konvention muss es auch in
Österreich Zugang zu persönlichen Budgets für alle Menschen mit
Behinderung geben.

Die UN-Konvention, zu deren Umsetzung sich Österreich verpflichtet
hat, sieht vor, allen Menschen mit Behinderung eine maximale
Selbstbestimmung zu ermöglichen. Ein Lösungsansatz ist das
persönliche Budget, das hierzulande bislang jedoch ausschließlich für
Menschen mit Körperbehinderung umgesetzt wird. In den
Vorreiterländern Skandinaviens und den Niederlanden wird das Modell
seit über 20 Jahren erfolgreich umgesetzt. Auch in Deutschland hat
man positive Erfahrungen gemacht: aktuell gibt es dort rund 15.000
persönliche Budgets, wobei die Höhe je nach Unterstützungsbedarf
jeweils zwischen 150 und 10.000 Euro pro Monat variiert.

Persönliches Budget als Alternative

Im herkömmlichen Sozialleistungsdreieck "Antragsteller - Behörde -
sozialer Dienstleister" erhalten Betroffene kein Geld, sondern sind
Empfänger einer Sachleistung. Wohnort, Mitbewohner oder gar Betreuer
können in der Regel nicht individuell ausgesucht werden. Anders das
Modell des persönlichen Budgets, wo die Betroffenen bzw. deren
Sachwalter direkt den Antrag bei der Behörde stellen, mit dieser den
Leistungsbedarf erheben und in der Folge das genehmigte Budget
selbstbestimmt für die Bereiche "Arbeiten, Wohnen, Freizeit und
Pflege" einsetzen können. Das persönliche Budget darf dabei weder die
Kosten der Sachleistungen übersteigen, noch dürfen Eltern, Angehörige
bzw. Sachwalter ihre Wohnleistungen in Rechnung stellen.

Menschen statt Akten

Die Diplom-Sozialarbeiterin Stephanie Franken, die seit über 25
Jahren in der Lebenshilfe Oberhausen aktiv ist, hat mit dem Modell
sehr positive Erfahrungen gemacht. "Das persönliche Budget ist in
Deutschland ein Rechtsanspruch, der nicht verweigert werden darf. Die
Behörden müssen die Anträge unabhängig von Alter und Behinderungsgrad
innerhalb von zwei Wochen bearbeiten und sind zudem verpflichtet,
sich mit dem Antragsteller und seinen Bedürfnissen
auseinanderzusetzen. "Ein AHA-Effekt für alle", so Franken, denn
"früher haben die Beamten die Menschen mit Behinderung nur aus Akten
gekannt, jetzt sitzen sie plötzlich gemeinsam mit ihnen an einem
Tisch!"

"Jeder kann selbst bestimmen, wer ihm hilft, und wann und wo er
die Hilfe bekommt", bringt Leo Pyto-Greco, selbst ein Betroffener,
die Vorteile des persönlichen Budgets auf den Punkt. Seine Erfahrung
stellt er anderen Menschen im Tandem mit Stephanie Franken als
Budget-Berater zur Verfügung. "Oft geht es dabei um das Finden von
Lösungen, die es noch nicht gibt", ergänzt Stephanie Franken.

Den positiven Effekt des Modells, das sowohl Selbstständigkeit als
auch Lebensqualität steigert, belegen zudem wissenschaftliche
Studien: 78 Prozent jener Menschen, die über ein persönliches Budget
verfügen, sind deutlich zufriedener.

"Bei uns läuft das schon ganz gut", meint die Düsseldorfer
Budgetberaterin und -assistentin Andrea Auner. Doch damit es
funktioniert, braucht es vor allem gute Netzwerke und den Willen zum
Umdenken auf allen Ebenen. Sie berichtet, dass große Anbieter wie
etwa die Lebenshilfe sich bereits umorientieren und nun versuchen,
maßgeschneiderte Angebote für Menschen, die ein persönliches Budget
zur Verfügung haben, anzubieten. "Tun sie das nicht, verlieren sie
Kunden und kreative Mitarbeiter, die dann eigene Firmen gründen und
individuelle Leistungen anbieten", so die Insiderin.

Schritt zu mehr Selbständigkeit

"Das persönliche Budget war für mich ein großer Schritt in die
Selbständigkeit", erinnert sich Alfonso Roman-Barbás, Mitbegründer
des Zentrums Selbstbestimmtes Leben Düsseldorf, "im Unterschied zu
früher, wo mir Pflegedienste vor die Nase gesetzt wurden, kann ich
heute selber entscheiden, wer mir den Po abputzt". Heute kann er dank
des persönlichen Budgets Menschen seines Vertrauens dazu beauftragen
und ist noch dazu sein eigener Chef: Der Rollstuhlfahrer lebt seit
2002 in einer eigenen Wohnung mit Assistenz und bietet als Mediator,
PeerCounceler und Berater für persönliches Budget Beratung auf
Augenhöhe.

Sabine Bay, Beauftragte der Beratungsstelle für Menschen mit
Behinderung des Gesundheitsamtes Düsseldorf, "Auch wenn sich alle
Mühe geben, so sind die Herausforderungen doch sehr groß, vor allem
auch, weil die Verwaltung darauf vertrauen muss, dass es
funktioniert". In Düsseldorf startete man mit einem Pilotprojekt und
42 Personen. Aktuell werden in der 600.000 Einwohnerstadt 45
persönliche Budgets vergeben. Ihr Fazit: Das persönliche Budget
eignet sich hervorragend für Teilleistungen, die eine
personenzentrierte Zukunftsplanung ermöglichen.

Ruf nach Pilotprojekt in Wien

IVS-Sprecher Robert Mittermair sieht in dem Modell eine große
Chance, um Menschen mit Behinderung eine dringend notwendige
Ergänzung zu bestehenden Angeboten zu bieten. "Die Wiener
Behindertenhilfe ist in vielen Bereichen gut aufgestellt, umso mehr
wünschen wir uns von Seiten der Geldgeber mehr Mut, neue Projekte
auszuprobieren und damit dem Image einer zukunftsorientierten
Behindertenpolitik besser gerecht zu werden. Ein Pilotprojekt wie in
Düsseldorf wäre ein erster Schritt", so Mittermair, "man sollte dazu
die bewährte Pflegegeld-Ergänzungsleistung, die bislang
ausschließlich Menschen mit Körperbehinderung offen steht, in einem
Pilotprojekt auf alle Menschen mit Behinderung ausweiten.

Die Ergebnisse der Tagung sind in Kürze auf der Website
www.ivs-wien.at abrufbar, zudem sind Interessierte eingeladen, am
IVS-Blog ihre Meinung einzubringen.

IVS Wien - Daten und Fakten

Die im Mai 2011 gegründete "Interessensvertretung sozialer
Dienstleistungsunternehmen für Menschen mit Behinderung", IVS Wien,
gestaltet und entwickelt verbesserte Rahmenbedingungen für die
Betreuung von Menschen mit Behinderung. Die IVS formiert sich aus 17
Wiener Sozialeinrichtungen, die Unterstützungsleistungen für Menschen
mit Behinderung anbieten. Ziel ist es, aktiv die zukünftige
Entwicklung der politischen und gesetzlichen Parameter in Österreich
mitzubestimmen und die UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit
Behinderung umzusetzen. Die IVS leistet einen wichtigen Beitrag,
damit Betroffene als BürgerInnen an der Gesellschaft teilhaben können
und schafft somit mehr Lebensqualität. Der Verein zeichnet sich durch
gebündeltes Fachwissen, hohen Qualitätsanspruch, politische
Unabhängigkeit und Offenheit aus.

Die 17 Mitgliederorganisationen der IVS Wien sind: Assist GmbH,
Auftakt GmbH, BALANCE, Bandgesellschaft, Caritas Wien, Evangelisches
Diakoniewerk, GIN, HABIT GmbH, Humanisierte Arbeitsstätte, ITA GmbH,
KoMIT GmbH, Lebenshilfe Wien, LOK, ÖHTB, ÖVSE - SHT, Rainmans Home
und die Sozialtherapeutische Lebens- und Arbeitsgemeinschaft.

OTS-ORIGINALTEXT PRESSEAUSSENDUNG UNTER AUSSCHLIESSLICHER INHALTLICHER VERANTWORTUNG DES AUSSENDERS - WWW.OTS.AT | IVS

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