• 22.02.2013, 17:08:31
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Wiener Zeitung: Leitartikel von Reinhard Göweil: "Pathos ist gut für Europa"

Ausgabe vom 23. Februar 2013

Utl.: Ausgabe vom 23. Februar 2013 =

Wien (OTS) - Manchen war die Europa-Rede des deutschen
Bundespräsidenten zu pastoral. Soll so sein. Doch Joachim Gauck traf
damit einen Nerv. Pragmatiker gibt es in der EU ausreichend, sie
haben die Kompromissbereitschaft mittlerweile in den Genen. Und
nivellieren Europa auf die Ebene eines
Herman-Van-Rompuy-Budgetvorschlags - also nahe null.

Gauck setzt dem Pathos entgegen, und recht hat er. Er erklärt Europa
zur Idee und wendet sich an die Herzen, nicht den Verstand. Freiheit,
Frieden und Toleranz sind nicht kompromissfähig.

Es wäre klug von den Regierungskanzleien, sich etwas von Gaucks
Pathos zu eigen zu machen. Die vorliegende Konjunkturprognose zeigt,
dass es weder heuer noch im nächsten Jahr gelingen wird, die
Massenarbeitslosigkeit in vielen Regionen Europas zu reduzieren.

Das bedeutet, dass noch mehr Menschen den Glauben an und die Hoffnung
auf dieses Europa verlieren werden. Eine Idee ohne Perspektive ist
aber nur ein Schmäh - folgerichtig fühlen sich viele Bürger gefoppt.

Diese Menschen gehen politischen Scharlatanen wie Silvio Berlusconi
in Italien auf dem Leim, der ihnen eine Märchenwelt verspricht, die
es nie gab und nie geben wird. Oder auch Gestalten wie dem
Berufskomiker Pepe Grillo, der zwar kein Programm hat, aber die
Protestgesinnung vieler unterhaltsam und für sich nutzt.

Wenn Europa auf sich hält, räumt es nun die sinnlosen Scharmützel
eitler Premierminister zur Seite und besinnt sich auf die eigentliche
Aufgabe, eine lebenswerte und glücklichere Gesellschaft zu entwerfen.

Dazu gehören Jobs, sicherlich. Die EU wird erkennen müssen, dass
Defizite und Staatsschulden kein Programm sind. Und sie muss - wie es
Gauck ausdrücklich forderte - den Bürgern viel mehr Raum geben.
Bürokratische Hemmnisse in der Bewegungsfreiheit, nur weil Nationen
Grenzen haben - weg damit. Kleingeistige Budgetdebatten - weg damit.
Politiker, die nur die eigenen Taschen füllen (wie in Spanien) - weg
damit. Frankreich im Kampf gegen Terroristen in Mali allein zu lassen
- geht nicht.

Zu diesen Themen sollten sich das EU-Parlament und die EU-Kommission
äußern - nachdrücklich, vor allem aber mit Taten.

Gauck hat die Bürger Europas aufgefordert, selbst für Europa
aufzustehen. Wäre fein, wenn sich viele von seinem Pathos anstecken
ließen.

www.wienerzeitung.at/leitartikel

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