• 21.02.2013, 09:58:55
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Was heißt "psychisch krank"?

Wien (OTS) - Im Rahmen eines von Lundbeck Austria veranstalteten
Presseforums gingen ExpertInnen der Frage nach, was psychische
Erkrankungen für den Einzelnen sowie die Gesellschaft bedeuten und
wie sich die Versorgungssituation in Österreich darstellt.

"'Psychisch krank' bezeichnet eine grundlegende Veränderung des
Denkens, Fühlens oder Wollens eines Menschen, welche in der Regel von
der Umgebung und vom Individuum selbst als sozial einschränkend
empfunden wird. "'Psychisch krank' ist genauso wie 'körperlich krank'
nur durch Definition von 'psychisch gesund' und 'körperlich gesund'
abgrenzbar", so Univ.-Prof.in DDr.in Gabriele Sachs am ersten
Lundbeck Presseforum Psychiatrie. Bei Bluthochdruck zum Beispiel sei
es eindeutig, dass 120/80 "gesund" und 220/140 "krank" ist.
Dazwischen aber gäbe es ein Kontinuum, in dem jeder Wert möglich ist,
erläuterte die ärztliche Direktorin der Oberösterreichischen
Landes-Nervenklinik Wagner-Jauregg. "Möchte man eine Schwelle
konstruieren, welche 'gesund' und 'krank' unterscheidet, so ist diese
künstlich und unterliegt wechselnden Definitionen. Psychische
Störungen sind in der Regel ebenfalls so einzustufen: Eine schwerste
Depression ist erkennbar 'krank'; die Schwelle allerdings zwischen
einer sehr leichten, aber noch 'kranken' Depression und einer
'gesunden' Verstimmung ist genauso künstlich und definitionsabhängig
wie beim Bluthochdruck", so Sachs.

Psychische Erkrankungen sind ebenso Erkrankungen wie physische

Dass psychische Erkrankungen ebenso als Erkrankungen anzusehen
seien wie körperliche, betonte Prim. Dr. Georg Psota, Chefarzt des
Kuratoriums für psychosoziale Dienste in Wien. "Psychische
Erkrankungen haben folgende gemeinsame Merkmale: Die
Entstehungsgeschichte ist individuell vielfältig und hängt von einer
Reihe innerer sowie äußerer Faktoren und deren Interaktion ab: Das
Auftreten kann schleichend oder akut sein, der Verlauf episodisch,
rezidivierend oder auch chronisch. Der Schweregrad ist leicht, mittel
bis schwer. Psychische Erkrankungen sind relativ häufig, können alle
Lebensalter betreffen und haben in den beiden Geschlechtern gewisse
Betonungen. Psychische Erkrankungen sind sehr unterschiedlich, keine
homogene Gruppe und haben vielfältige Auswirkungen. Das alles
unterscheidet psychische Erkrankungen überhaupt nicht von den
sogenannten 'körperlichen' Erkrankungen." Trotz all dieser
unübersehbaren Gemeinsamkeiten sei es aus diversen Entwicklungen
heraus zu großen Divergenzen im allgemeinen Verständnis von
"psychisch krank" versus "körperlich krank" gekommen.

Diskriminierung beruht oft auf Unwissen

"Mit dieser irreführenden Unterscheidung eng verbunden ist ein
seltsamer Makel, der dem Begriff 'psychisch krank' anhängt, eine
Reihe von Antizipationen und wenig Wissen über Fakten, eine der
Differenzierung entgegengesetzte Verallgemeinerung und auch eine
abwertende Sprache über Betroffene, Angehörige und auch
professionelle Helfer. Und - man muss es erwähnen - zumindest
teilweise auch eine dementsprechende Berichterstattung", so Psota
weiter. All dies macht den Betroffenen einen offenen Umgang mit der
Erkrankung überaus schwierig.

Psychische Erkrankungen nehmen in Mitteleuropa stark zu

Während in nicht oder weniger industrialisierten Regionen der Welt
Infektionskrankheiten, Unfälle oder körperliche Kriegsfolgen an der
Spitze der Burden of Disease-Werte (= Krankheitslast) liegen, gibt es
in Ländern wie Österreich einen zunehmenden Bedeutungsschwenk hin zu
psychischen Erkrankungen. Laut WHO-Prognose für 2030 für
Industriestaaten wird die Unipolare Depressive Erkrankung an erster
Stelle vor Kardiovaskulären stehen. An dritter Stelle werden
Alzheimer und andere Formen der Demenz folgen. Die Daten zur
Frühpensionierung zeigten diese Entwicklung bereits ganz eindeutig,
meinte Psota, über 50 % der Frühpensionsfälle gingen bereits auf das
Konto psychischer Krankheitsursachen.

Krankenstand wird häufig durch psychische Erkrankungen
verursacht

Psychische Erkrankungen gehörten schon jetzt in Europa zu den am
häufigsten auftretenden Diagnosen, besonders im erwerbsfähigen Alter,
so der Gesundheitsökonom Univ.-Prof. Dr. Bernhard Schwarz, Zentrum
für Public Health der MedUni Wien: "Besonders bedeutend sind in
diesem Zusammenhang affektive Erkrankungen, zu denen auch die
Depression gehört, mit 10-20%, Angsterkrankungen mit 14-25%,
Anpassungsstörungen, einschließlich dem sogenannten "Burn Out", mit
20-50% und Suchterkrankungen mit einer Prävalenz von 15-27%."
Auch in Bezug auf Krankenstandstage sind psychische Leiden ein
wichtiger Faktor. Schwarz: "Die durchschnittliche Krankenstandsdauer
auf Grund psychischer Erkrankungen liegt mit 40 Tagen deutlich über
dem Durchschnitt von elf Tagen. Der wichtigste wirtschaftliche Faktor
ist aber der Präsentismus, also die Anwesenheit am Arbeitsplatz trotz
eingeschränkter Gesundheit bzw. Erkrankung. Die
Produktivitätsverluste durch Präsentismus betragen laut verschiedener
internationaler Studien das
4-5fache der durch Krankenstände verursachten." Keine Frage also,
dass psychische Erkrankungen massive wirtschaftliche Auswirkungen
haben. Schwarz: "Für Europa wurden die volkswirtschaftlichen
Auswirkungen der Depressionen auf knapp Euro120 Mrd. geschätzt; davon
entfallen etwas mehr als ein Drittel auf direkte Behandlungskosten
und knapp zwei Drittel auf Produktivitätsverluste."

Umdenken dringend notwendig

Psychische Erkrankungen werden zunehmen, so viel stehe aus
heutiger Sicht fest. Es sei also höchst an der Zeit, dass wir diesen
Paradigmenwechsel in der Bedeutung von Erkrankungen wahrnehmen,
verstehen und begreifen - und dementsprechend handeln, meinte Psota.
Sachs richtet unter anderem das Augenmerk auf die Wichtigkeit der
Kombination von Psychopharmaka und Psychotherapie und hier auf die
Therapiemethode der störungsspezifischen Psychotherapie. Und
Gesundheitsökonom Schwarz forderte zum Abschluss des ersten Lundbeck
Presseforum Psychatrie: "Zur Verbesserung der Betreuungssituation und
Milderung der Konsequenzen sind umfassende Maßnahmen nötig, die alle
Lebenssphären betreffen. Dazu zählen Maßnahmen bei Kindern und
Jugendlichen, im betrieblichen Umfeld und in der Altenversorgung."
Von ganz essenzieller Bedeutung sei aber vor allem die
Entstigmatisierung psychischer Leiden. Und dazu gehören sowohl ein
höherer Wissenstand zum Thema psychische Erkrankungen in der
Bevölkerung, das Bewusstsein, dass psychische Erkrankungen genauso zu
werten sind wie somatische und ein sensiblerer Umgang mit der
Thematik in den Medien.

Lundbeck Presseforum Psychiatrie

Das Lundbeck Presseforum Psychiatrie wendet sich an
JournalistInnen der Fach- und Publikumspresse. Im Rahmen dieser
Veranstaltungsreihe werden relevante Themen aus dem Bereich der
psychischen Erkrankungen aufgegriffen und umfassend beleuchtet.
Lundbeck ist ein dänischer Pharmakonzern, der sich auf das Gebiet der
Psychiatrie spezialisiert hat.

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