- 01.02.2013, 10:00:41
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Presserat: Forderung eines "Hegeabschusses" für einen Menschen verstößt gegen Ehrenkodex
Wien (OTS) - Michael Jeannée kritisierte in seiner Kolumne in der
Kronen Zeitung vom 30.11.2012 Helmut Brandstätter, den Chefredakteur
des Kurier. Der Autor der Kolumne forderte die Absetzung des
Kurier-Chefs, und zwar mit folgenden Worten, die er an
Aufsichtsratsvorsitzenden Christian Konrad richtete: "Unter uns
Jägern, lieber Herr Konrad: Hegeabschuss (Brandstätter) überfällig!".
Der Senat 2 des Presserats leitete im vorliegenden Fall von sich aus
ein Verfahren ein und verwies zunächst auf Punkt 5.1 des Ehrenkodex
für die österreichische Presse (Persönlichkeitsschutz), wonach jeder
Mensch Anspruch auf Wahrung der Rechte und Würde der Person hat.
Die Forderung eines "Hegeabschusses" für einen Menschen ist nach
Meinung des Senats 2 ein schwerwiegender Verstoß gegen den
Ehrenkodex. Der Begriff Hegeabschuss entstamme der Jägersprache.
Mittels "Hegeabschuss" werden kranke, schwache oder verletzte Tiere
getötet.
Die Gleichstellung eines Menschen mit einem kranken Tier und die
damit verbundene Forderung, ihn zu töten, greifen in den Kernbereich
des Persönlichkeitsschutzes ein, so der Senat weiter. Eine derartige
Äußerung sei grob verletzend und als Entmenschlichung zu bewerten.
Vor diesem Hintergrund liege eine grobe Missachtung der Menschenwürde
vor.
Abschließend wies der Senat noch darauf hin, dass die drastische
Äußerung mit der Presse- und Meinungsfreiheit, die bekanntermaßen bei
Kommentaren besonders weit reicht, nicht gerechtfertigt werden kann.
SELBSTÄNDIGES VERFAHREN AUS EIGENER WAHRNEHMUNG
Der Presserat ist ein Verein, der sich für verantwortungsvollen
Journalismus einsetzt und dem die wichtigsten Journalisten- und
Verlegerverbände Österreichs angehören. Die Mitglieder der beiden
Senate des Presserats sind weisungsfrei und unabhängig. Im
vorliegenden Fall hat der Senat 2 des Presserats auf eigene
Initiative ein Verfahren durchgeführt (selbständiges Verfahren aus
eigener Wahrnehmung). In diesem Verfahren äußert der Senat seine
Meinung, ob ein Artikel den Grundsätzen der Medienethik entspricht.
Von der Möglichkeit, an dem Verfahren teilzunehmen, hat die
Medieninhaberin der "Kronen Zeitung" nicht Gebrauch gemacht.
Bisher hat sich die Medieninhaberin der "Kronen Zeitung" der
Schiedsgerichtsbarkeit des Presserats nicht unterworfen.
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