Zum Inhalt springen

"Kleine Zeitung" Kommentar: "Flirten erlaubt, Macht missbrauchen verboten" (Von Eva Weissenberger)

Ausgabe vom 30.1.2013

Graz (OTS) - Vom Chef begrapscht, vom Dozenten tief angebraten, vom Arzt mit Blicken taxiert - aus den Erlebnissen, die Tausende deutsche Frauen derzeit über die Plattform Twitter unter dem Schlagwort "Aufschrei" verbreiten, lässt sich destillieren: Es geht bei sexueller Belästigung, ob mit Worten oder Taten, es geht bei Sexismus, ob im Alltag oder bei der Arbeit, nur vordergründig um Verehrung, Begierde, Sex. Es geht um Macht und darum, diese zu demonstrieren.

Abgesehen von dieser Gemeinsamkeit muss man die Dinge aber auseinanderhalten.

Keine Frage, über den Auslöser kann man streiten, über das Porträt, das eine Journalistin der Illustrierten "Stern" über einen Politiker verfasste, der sie mit anzüglichen Witzen bedacht hatte. Dass diese Diskussion nun geführt wird, ist aber gut. Es hilft Frauen auf allen Ebenen, in allen Lebenslagen. Die Mechanismen, unter denen sie leiden, sind überall dieselben - umso schlimmer, wenn man von Vorgesetzten, Kollegen, Lehrern belästigt wird. Die Frauen lernen:
Ich bin nicht alleine, bin nicht selber schuld.

Wie das bei öffentlichen Debatten so ist, werden hier aber Äpfel mit Birnen vermischt.

Erstens: Die (österreichische) Frauenministerin hat recht, wenn sie fordert, Grapschen unter Strafe zu stellen. Vergangenen Herbst musste eine Grazerin erfahren, dass die Staatsanwaltschaft nicht gegen jenen Mann vorgehen konnte, der ihr auf der Straße auf den Hintern gegriffen hatte.

Zweitens: Worum es hier eigentlich geht, strukturellen Sexismus im Alltag, das ist schwerer zu fassen. Die Gegenargumente sind notorisch: Wollen wir Zustände wie im prüden Amerika, wo sich Studenten ohne schriftlichen Vertrag nicht mehr trauen, miteinander auszugehen? Gegen einen Flirtversuch auf Augenhöhe ist nichts einzuwenden, geht die Frau darauf ein - wunderbar. Andernfalls: Nein heißt nein.

Aber die Frauen senden keine eindeutigen Signale! Die Journalistin hat dem Politiker keine geschmiert! Männern, die in dieser Grauzone die Orientierung verlieren, sei geraten: Begegnen Sie jeder Frau mit dem Respekt, mit dem Sie wollten, dass man Ihre Partnerin, Schwester, Tochter behandelte. Wann sich eine Frau belästigt fühlt, entscheidet sie. Es ist die Angst, dann auch noch als Fuchtel oder Hascherl hingestellt zu werden, die viele an der Gegenwehr hindert.

Aber es gibt doch auch sexistische Frauen! Eh, haben Frauen Macht, missbrauchen auch sie diese mitunter. Soziologen meinen daher, dass das Arbeitsklima in gemischten Teams am besten sei - ein Argument für Quoten?****

Rückfragen & Kontakt:

Kleine Zeitung, Redaktionssekretariat, Tel.: 0316/875-4032, 4033, 4035, 4047, redaktion@kleinezeitung.at, http://www.kleinezeitung.at

OTS-ORIGINALTEXT PRESSEAUSSENDUNG UNTER AUSSCHLIESSLICHER INHALTLICHER VERANTWORTUNG DES AUSSENDERS | PKZ0001