• 18.10.2012, 10:00:32
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ELGA: Freiwillig oder "frei" willig?

Weitere Schwächung der Hausärzte

Utl.: Weitere Schwächung der Hausärzte=

Wien (OTS) - Laut Gesetzesvorlage können HausärztInnen "freiwillig"
in die ELGA-Datensammlung hineinschauen. Wenn sie das nicht tun,
können sie allerdings belangt werden.

PatientInnen können "freiwillig" entscheiden, dass ihre
Gesundheitsdaten nicht im ELGA-System aufscheinen. Trotzdem werden
ihre Daten gespeichert.

Für die HausärztInnen und ihre PatientInnen ist diese Art von
"Freiwilligkeit" unzumutbar. Die digitale Datensammlung behindert die
ärztliche Versorgung der Bevölkerung, sagt - Dr. Wolfgang Werner
(Bezirksärztevertreter 10. Bezirk, Präsident des ÖHV-Wien und Obmann
der Sektion Allgemeinmedizin in der Wiener Ärztekammer).

Die HausärztInnen Österreichs sind für die medizinische
Basisversorgung von mehr als 90 Prozent der ÖsterreicherInnen
verantwortlich. Bei jedem Patienten die Befundsammlung von einigen
Jahren durchzustöbern, ist praktisch nicht möglich. Selbst wenn die
Abfrage von Befunden über ELGA nur eine Minute pro Patient in
Anspruch nimmt, bedeutet das in einer Praxis eines
Allgemeinmediziners bei durchschnittlich 100 Patienten pro Tag einen
Mehraufwand von 1 1/2 bis 2 Stunden, der zwangsweise zu Lasten der
Zeit für Patienten aufgeht.

"De facto gibt es keine Freiwilligkeit der ÄrztInnen im
ELGA-System", so Werner. Denn ist in der Befundsammlung eines
Patienten zum Beispiel eine Allergie angeführt und es treten
Nebenwirkungen eines verordneten Medikamentes auf, der Arzt hat den
Akt aber nicht eingesehen, muss er mit rechtlichen Konsequenzen
rechnen. Zwar fragen HauärztInnen grundsätzlich ihre PatientInnen
nach Allergien und Unverträglichkeiten, aber auf deren Auskünfte
können sie sich unter diesen Bedingungen nicht mehr verlassen.
Gleichzeitig ist aber auch auf ELGA kein Verlass, denn dort werden
auch falsche Befunde gespeichert.

HausärztInnen berichten bereits von PatientInnen, die auf Befragen
der behandelnden ÄrztInnen antworten, dass je eh alles im Akt stünde.
"Es ist absurd", warnt Werner, "aber ELGA ist ein Schritt in Richtung
virtueller Ordination. Die Behandlung wird zunehmend von einem System
vorgegeben". Die Berücksichtigung aktueller, psycho-sozialer
Lebensumstände der PatientInnen ist dabei nicht vorgesehen.

Andererseits haben PatientInnen kaum eine Chance, sich dem
ELGA-System zu verweigern. Denn Spitals-, Labor- und Röntgenbefunde
werden automatisch gespeichert und es ist nur eine Frage der Zeit,
wann weitere Gesundheitsdaten dazukommen. Auf diese Daten haben dann
rund 100.000 Berechtigte Zugriff. Von einem Arztgeheimnis kann unter
diesen Bedingungen keine Rede mehr sein.

Zwar ist vorgesehen, dass PatientInnen alle oder einzelne ihre
Gesundheitsdaten verdecken lassen können, gespeichert bleiben sie
aber dennoch. Darüber hinaus ist das sogenannte opt out mühselig und
kompliziert. Geplant ist derzeit, dass es bei einer eigenen
Ombudsstelle beantragt werden muss.

Aus medizinischer Sicht stellt sich ein anderes Problem. Mit
dieser Regelung werden die Daten für ÄrztInnen irrelevant. Es bringt
gar nichts, wenn ein behandelnder Arzt einen jahrelang
zurückliegenden Befund einer Lungenentzündung aufstöbert, aber keine
Information über die HIV-Infektion des Patienten erhält, weil er
diese nicht vermerkt haben will.

Ausgerechnet eines der meist angeführten Argumente für ELGA findet
in dem System keine Berücksichtigung. Eine Datenbank über
Wechselwirkungen von Medikamenten ist nicht enthalten.

"All das", resümiert Werner, "belastet die
Arzt-Patienten-Beziehung schwer und behindert somit die ärztliche
Versorgung der Bevölkerung." Für die HausärztInnen ist das jüngst auf
politischer Ebene getroffen Übereinkommen zu ELGA inakzeptabel. "Man
wird die Ablehnung der Ärzteschaft nicht ignorieren können", sagt
Werner, "es muss nachverhandelt werden."

OTS-ORIGINALTEXT PRESSEAUSSENDUNG UNTER AUSSCHLIESSLICHER INHALTLICHER VERANTWORTUNG DES AUSSENDERS - WWW.OTS.AT | RIZ

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