• 17.10.2012, 16:53:27
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ORF-GD Wrabetz: "Sustainable Funding: Öffentlich-rechtlicher Rundfunk braucht ausreichende Finanzierung!"

Wien (OTS) - Im Rahmen des Studientages des ORF-Publikumsrats am
Mittwoch, dem 17. Oktober 2012, im ORF-Zentrum in Wien präsentierte
ORF-Generaldirektor Dr. Alexander Wrabetz unter dem Titel
"Sustainable Funding" Thesen für ein "nachhaltiges
Finanzierungsmodell für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk aus
österreichischer Perspektive": "Öffentlich-rechtlicher Rundfunk ist
ein europäisches Kulturgut und spielt eine wichtige Rolle für den
demokratischen Diskurs und die Entwicklung der Demokratie.
Insbesondere in Österreich ist öffentlich-rechtlicher Rundfunk der
wichtigste Kulturvermittler und Ermöglicher einer österreichischen
Filmwirtschaft!"

Nachhaltiges Finanzierungsmodell für öffentlich-rechtlichen Rundfunk
nötig

"Der öffentlich-rechtliche Rundfunk ist europaweit bedroht von
Forderungen privater Medienkonzerne, die es immer besser verstehen,
ihren Konzerninteressen zum Durchbruch zu verhelfen, sie als
Allgemeininteresse zu verkaufen und die Öffentlich-Rechtlichen
zurückzudrängen. Darüber hinaus ist durch die Veränderung der
technologischen Basis durch Digitalisierung und disruptive
Technologien das traditionelle Gebührenfinanzierungsmodell unter
Druck", betonte der ORF-Generaldirektor: "Die Veränderungen machen es
notwendig, das Finanzierungsmodell des öffentlich-rechtlichen
Rundfunks im Sinne eines Sustainable Fundings nachhaltig
abzusichern!"

"Die Rahmenbedingungen für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk und
seine Finanzierung haben sich in den vergangenen zehn bis 15 Jahren
massiv verändert. Der ORF ist seit der Marktliberalisierung
strukturell unterfinanziert", so Wrabetz: "Die beiden Säulen seiner
Finanzierung - Programmentgelt und Werbeerlöse - sind zunehmend unter
Druck geraten. Die Erfüllung aller gesetzlichen Aufträge wird
zunehmend schwieriger. Im Bereich der Werbung hat sich die Konkurrenz
durch die Werbefenster vervielfacht. Durch die Digitalisierung der
Übertragungswege ist zudem die Reichweite der in die deutschen
Programme eingebetteten Werbefenster sprunghaft angestiegen, die ohne
programmliche Verbrämung 2011 schon 373,3 Mio. Euro brutto aus dem
kleinen heimischen Markt abgezogen haben. Im Gegenzug sanken die
ORF-TV-Netto-Werbeerlöse von 260 Mio. Euro auf 140 Mio. Euro. Auch
die zweite Säule der Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Auftrags
durch den ORF, das Programmentgelt, gerät zunehmend unter Druck: So
gab es seit 1998 keine realen Gebührenerhöhungen. Die Anpassungen des
Programmentgelts lagen seit damals immer unter der entsprechenden
Inflationsrate. Durch Gebührenbefreiungen entgehende Mittel werden
nur teilweise und befristet refundiert!"

"Während der ORF für sein Publikum in den letzten fünfzehn Jahren
also immer kostengünstiger wurde, hat er sein Programmangebot etwa
mit zwei neuen Spartenkanälen ORF III und ORF SPORT +, einem
Rekordniveau von 107 Millionen an Investitionen in die heimische
Filmwirtschaft, HDTV ohne Zusatzkosten, dem Ausbau des
Korrespondentennetzes oder der TVthek laufend ausgeweitet", betonte
der ORF-Generaldirektor: "Um diese Entwicklungen zu verkraften, hat
der ORF in den vergangenen Jahren seine 'Hausaufgaben' gemacht und
ein umfassendes Restrukturierungs- und Kostensenkungsprogramm
umgesetzt. Zum einen hat der ORF seine Kostenbasis u. a. mit dem
Abbau von rd. 600 Dienstposten massiv entlastet. Das hat auch der
Rechnungshof anerkannt. Zum anderen haben wir durch ein nachhaltiges
Gebührenmanagement nach Übernahme der GIS sowohl die Zahl an
Teilnehmerinnen und Teilnehmern auf 3,5 Millionen gesteigert (2000:
2,8 Mio.) und konnte die Schwarzseher-Quote konsequent auf knapp 3
Prozent gesenkt werden - einer der niedrigsten Werte in Europa!"

"In ganz Europa wird um Sustainable Funding gerungen", so Wrabetz
weiter: "Ein Blick über die Grenzen zeigt uns, dass das
Finanzierungsmodell direkten Einfluss darauf hat, ob der
öffentlich-rechtliche Rundfunk ein relevantes, der Allgemeinheit
verpflichtetes Rundfunkunternehmen bleiben kann oder ein Anbieter von
Nischenprogrammen wird! Die Art der Finanzierung hat unmittelbare
Auswirkung auf den Grad der Unabhängigkeit von der Politik. Es gibt
hier zwei wesentliche Modelle: In den Niederlanden etwa wird
öffentlich-rechtlicher Rundfunk über Steuermittel finanziert, was in
Sparzeiten sehr negative Auswirkungen auf NOS hatte. Ähnliches sieht
man etwa auch in Spanien und Portugal. In Deutschland ist man auf ein
geräteunabhängiges Rundfunkbeitragsmodell umgestiegen, was
beispielgebend ist!"

"Der ehemalige Bundesverfassungsrichter Paul Kirchhof hatte in einem
Gutachten das geltende System der Rundfunkgebühren für unhaltbar
erklärt. Die rund um das Internet und sein IP-Protokoll gruppierten
Technologien haben die Grenzen aufgelöst, die einen reinen
Rundfunk-und Fernsehempfänger unterscheiden von multimediatauglichen
Computern aller Art. Der deutsche Gesetzgeber hat rasch reagiert: Am
1. Jänner 2013 tritt die Haushaltsabgabe in Kraft, die den
öffentlich-rechtlichen Rundfunk abkoppelt von der disruptiven Seite
der technologischen Entwicklung und von der existenzgefährdenden
Delegitimierung des alten Gebührenmodells!", so Wrabetz.

Transparenten, ungeteilten ORF-Beitrag schaffen

"Für ein österreichisches Modell schlägt der ORF eine ähnliche
staatsferne Lösung vor, die den Gegebenheiten des heimischen Marktes
Rechnung trägt", erläuterte Wrabetz: "In einem kleinen Land wie
Österreich mit nur rd. 3,5 Mio. Haushalten ist die duale Finanzierung
essenziell. Der ORF muss seinen umfangreichen, aus dem
Programmentgelt allein nicht abdeckbaren Auftrag auch weiterhin über
Werbung mitfinanzieren können. Weiters muss mehr Transparenz
geschaffen werden. Denn derzeit erhält der ORF nur rund zwei Drittel
der Mittel, die unter dem Titel 'Rundfunkgebühr' eingehoben werden,
der Rest geht bekanntlich an Bund und Länder. Transparent, klar und
nachvollziehbar wäre, dass der Beitrag, den der ORF erhält, auch klar
als solcher ausgeschildert wird. Natürlich stellt sich die Frage, wie
die anderen - ebenso legitimen und für die Allgemeinheit verwendeten
- Mittel in Zukunft aufgebracht werden. Mein Vorschlag für die
Diskussion:
Es soll neben dem ORF-Beitrag eine Medienabgabe geben. Darin können
die Mittel enthalten sein, die bisher an Bund und Länder geflossen
sind. Diese Mittel sollen auch in Zukunft dem Bund und den Ländern
zukommen. Aber klar getrennt vom ORF-Beitrag und damit transparent
und für die Bevölkerung nachvollziehbar. Bezogen auf das Jahr 2012
würden 545,8 Mio. Euro über den ORF-Beitrag an den Österreichischen
Rundfunk gehen. Die Länderabgaben in der Höhe von 127 Mio. Euro sowie
die 130 Mio. Euro Bundesanteil würden - über die neue Medienabgabe -
an Bund und Länder fließen und könnten dort u. a. für die
Refundierung, Filmförderung, Presseförderung, Privatmedienförderung,
Kunstförderung eingesetzt werden. Dieser Themenkomplex könnte schon
Verhandlungsgegenstand bei den Finanzausgleichsverhandlungen 2014
sein."

"Für uns als Österreichischer Rundfunk ist es sinnvoll, dass der
'ORF-Beitrag' in Zukunft an einem Haushalt und nicht wie bisher an
einem Empfangsgerät anknüpft. Wesentlich ist dabei, dass der
'ORF-Beitrag' ungeteilt bleibt", so Wrabetz weiter: "Es gilt zu
verhindern, dass Kommerzielle mit diesem 'ORF-Beitrag' mitfinanziert
werden. Ein Slicing bzw. "Gebühren-Splitting" wäre eine vom Staat
verordnete Subventionierung ohnehin höchst rentabler internationaler
Medienkonzerne! Eine nachhaltige Finanzierung, die allein die
Unabhängigkeit des Österreichischen Rundfunks sichern kann, bedeutet
logischerweise auch einen automatischen integrierten
Teuerungsausgleich, gekoppelt an den Verbraucherpreis-Index. Nicht
nur die Hoheit über die Gebührenfestsetzung, sondern auch die
Möglichkeit zur Valorisierung muss weiterhin autonom in der
Verantwortung der ORF-Gremien bleiben! Bis zum allfälligen
Inkrafttreten eines neuen Finanzierungsmodells für den ORF muss die
Refundierung der durch Befreiungen entgehenden Mittel, die nur bis
2013 teilweise ersetzt werden, verlängert werden!"

10 Punkte für ein nachhaltiges Finanzierungsmodell

"Nach dieser Verlängerung muss unser Ziel sein, ab 2015/2016 ein
nachhaltiges, ausreichendes Finanzierungsmodell für den
Österreichischen Rundfunk etabliert zu haben, ungeteilt und
unabhängig von der Politik!", fasste Wrabetz zusammen: "Für den ORF
sind 10 Punkte entscheidend für ein nachhaltiges österreichisches
Finanzierungsmodell. Es muss

- ) von der Gesellschaft und dem ORF-Publikum breit akzeptiert sein,
-) ausreichend sein, um die gesetzlichen Aufträge erfüllen zu können,
- ) nachhaltig sein, um Veränderungen in der Mediennutzung abbilden
zu können (Anknüpfung an Haushalt und nicht an Endgerät),
-) valorisiert sein, um die laufenden Kostensteigerungen
auszugleichen,
-) staatsfern bei der Festsetzung (nämlich durch ORF-Gremien) und
Einhebung (nämlich durch ORF-GIS) sein,
-) autonom sein im Sinne weitestreichender Unabhängigkeit,
-) transparent sein im Sinne von klarer Ausschilderung als
"ORF-Beitrag" einerseits und "Medien-Abgabe" andererseits,
-) effizient sein (Senkung der Kosten der Einhebung),
-) ungeteilt sein und nicht kommerziellen Sendern, sondern nur den
Programmen des ORF in Erfüllung seines Auftrags zugutekommen,
-) sozial gerecht sein, Befreiungen für sozial Schwache soll es
weiterhin geben bei gleichzeitiger Refundierung für den ORF."

"Der ORF muss seine Stakeholder - das heißt Gremien, Politik und die
Repräsentanten aller gesellschaftlichen Gruppierungen - informieren
und von der Nachhaltigkeit dieses neuen Finanzierungsprinzips
überzeugen. Der ORF muss sein Publikum und die Gesellschaft für
diesen neuen Weg gewinnen. Dazu müssen wir die Publikumszufriedenheit
weiter erhöhen und dazu den aktuell sehr guten Imagestatus nützen.
Spielentscheidend ist es klarzustellen, dass der
öffentlich-rechtliche Auftrag nur gesamthaft im Dienste der
Allgemeinheit erfüllt werden kann. Er ist unteilbar. Was wir
insgesamt für das Land leisten, können wir nur, weil wir das
relevante österreichische Medienunternehmen sind. Der
öffentlich-rechtliche Rundfunk ist ein gesellschaftspolitisches,
aufklärerisches und europäisches Konzept gesellschaftlicher
Integration. Die solidarische Finanzierung von allen für alle ist
zentraler Bestandteil dieser Idee", so Wrabetz abschließend.

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