- 16.10.2012, 15:42:36
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Einfach nur Tempojunkie? Und die Gesellschaft sieht zu
Wien (OTS) - Angesichts mehrerer schwerer Unfälle am Wochenende
13./14.10.2012 ist die Frage nach den Ursachen wieder Thema. In den
Medien wird, durchaus zu Recht, auf Probleme bestimmter Gruppen
verwiesen (Fahranfänger, junge Männer), aber auf ein grundsätzliches
Problem wird nicht hingewiesen: Die Weigerung aller, inklusive
Planer, Politiker und Entscheidungsträger, Medien, Autofahrerclubs
und Verkehrssicherheitsinstitute, sich mit dem Thema Geschwindigkeit
systematisch und professionell auseinander zu setzen. Dass in der
internationalen Literatur überhöhte Geschwindigkeit als noch
problematischer dargestellt wird als Alkohol wird schlicht ignoriert.
Dass Ungeduld und daraus resultierende Meinung, man hat Recht aufs
Gas zu steigen und zu drängen, mit Kapazität/Flüssigkeit des Verkehrs
verwechselt wird, dass Geschwindigkeitsdiskussion immer schon mit
Vorausverteidigung geführt wird, man könne ja nicht überall 20
fahren, oder dass "die Verkehrsteilnehmer so was nie akzeptieren
würden", dass es bei den gegebenen guten Straßenverhältnissen und bei
der guten Qualität moderner Autos, etc. absurd sei, mehr
Geschwindigkeitslimits einzuführen, dass man zuerst dafür sorgen
sollte, dass gegebene Limits eingehalten würden (um dann gar nichts
zu tun), all das ist Alltag, und das ist auch der Alltag in dem junge
Männer aufwachsen: Geschwindigkeit und daran geknüpfte Ungeduld,
Schusselei, Aggressivität, etc. sind kein Thema, eine grundsätzlich
andere Haltung zum Kfz wird systematisch verhindert indem man die
Diskussion über genau den Kern des Problems - eine Mischung aus
Ungeduld, Temporausch und der Überzeugung, dass der Gasfuß kein
Problem, sondern Action ist - nicht führt. Wir Erwachsenen sind
Schuld am Verhalten junger Männer. Und irgendwo scheint uns das
Gespür dafür zu fehlen, was wir mit unserer Haltung anrichten. Ich
lege jene beiden Berichte bei, die ein- und denselben Tag betreffen
und die die Widersprüchlichkeit unseres Zugangs zum Tempo zeigen:
Der Fallschirmsprung eines Einzelnen (am 14.10.2012) wird 7 Jahre
lang trainiert und vorbereitet; hohes Tempo ist das Ziel, aber dafür,
dass "nichts passiert" werden Millionen investiert, und weltweit
schaut man zu. Gleichzeitig bringen 2 Autofahrer 5 MitfahrerInnen zu
Tode, einer fällt einen Fußgänger (entscheidende Frage des
Radiojournalisten: War der Fußgänger vielleicht alkoholisiert?), und
einer endet selbst tödlich verletzt an einem Baum. Erhöhte
Geschwindigkeit wurde in einigen Meldungen über diese Vorfälle
lapidar als beitragender Faktor genannt. Die späteren Analysen
konzentrieren sich, wie gesagt, auf die Jugendlichkeit der "Täter",
von denen man offenbar erwartet, dass sie sich vom Verhalten der
Erwachsenenwelt loslösen und vernünftig werden sollen. Fahr-Tempo in
der Horizontalen wird nicht von den Behörden in Frage gestellt und
von unserer Gesellschaft nicht wochenlang diskutiert. Nur dann, wenn
Tempo auf Landstraßen von 100 auf 80 reduziert werden soll, wird
diskutiert, warum das keinen Sinn macht, oder nicht nötig ist. "Wir
haben alles im Griff" und geben paradoxe Vorbilder für die Jugend ab,
ohne zu bemerken, welche Verantwortung wir dabei tragen.
Man sollte die zitierten Vorfälle zum Anlass nehmen, eine Diskussion
über Tempo, Tempolimits, Notwendigkeit des schnellen Vorankommens,
Ungeduld, missverstandenes Recht zur Geschwindigkeit und ähnliches in
Gang zu bringen.
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