- 10.10.2012, 11:37:04
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Sport und Bewegung - Stiefkinder der Politik
Von Peter Kleinmann
Utl.: Von Peter Kleinmann=
Wien (OTS) - Was hat die Kunst und Kultur was Sport und Bewegung
nicht haben? Kunst und Kultur sind von der Politik in Österreich
geachtet und gut dotiert. Sport und Bewegung haben in der
politischen Landschaft Österreichs einen geringen Stellenwert.
Alexander van der Bellen bemerkte nach Nationalratswahlen und vor den
Koalitionsverhandlungen: "Mit dem Sport werden wir uns nicht
abspeisen lassen." Präziser kann man den Stellenwert des Sports in
der politischen Landschaft Österreichs nicht formulieren.
Es gibt in Österreich keine flächendeckende qualitative Bewegung in
den Kindergärten, in den Volksschulen, und auch nicht in den
Pflichtschulen. In jeder dieser drei Institutionen dürfen für
Bewegung mangelhaft ausgebildete Kräfte an Kindern
herumexperimentieren.
In den AHS gibt es überhaupt nur mehr zwei Stunden Sport und
Bewegung für die österreichische Jugend. In den Berufsschulen ist
Sport und Bewegung überhaupt nicht vorgesehen. Gesetzlich sind nur
mehr zwei Turnstunden wöchentlich in unseren Schulen vorgeschrieben.
Experten bewerten dies als gesetzlich legitimierte Körperverletzung.
In Österreich wird das Dogma "Lernen oder Sport" praktiziert
Die Infrastruktur für Sport in Österreich ist eine der schlechtesten
in Europa. Den sozial abgesicherten Beruf Nachwuchstrainer gibt es in
Österreich nicht. EuropameisterInnen, WeltmeisterInnen,
OlympiasiegerInnen sind Einzelerscheinungen, oder werden von
EinzelkämpferInnen erarbeitet. Lediglich im Wintersport, und da fast
nur vom ÖSV werden SiegerInnen und Medaillen produziert.
Das Resultat: Österreich ist in Europa, was den Alkoholkonsum, den
Nikotinverbrauch und die Fettleibigkeit der Jugendlichen betrifft in
den Medaillenrängen. Nur mehr 28% der österreichischen Jugendlichen
betreiben Sport. Nur mehr 9% der über 17jährigen erfüllen die
gesundheitliche Vorgabe der WHO von einer Stunde Bewegung täglich.
Österreich steuert auf ein gesundheitliches Desaster zu.
Diese Entwicklung war vorhersehbar. Sport war und ist in der
Republik Österreich immer schon das Stiefkind der Politik. Dies ist
an den Zuordnungen des Sports zu ministeriellen Ressorts erkennbar.
1918 bis 1969 sind Kunst, Kultur und Sport in keinem Ressort eines
Ministeriums namentlich erwähnt. 1970 wird Bruno Kreisky
Bundeskanzler und erweitert das Unterrichtsministerium um das
Wörtchen Kunst. Ab da gibt es das BM für Unterricht und Kunst. 1985
ist es Bundeskanzler Fred Sinowatz der den Sport adelt. 15 Jahre
nachdem es einen Kunstminister gibt wird dem BM für Unterricht und
Kunst auch der Sport zugeteilt. Der erste Sportminister ist Herbert
Moritz. Ihm folgen Hilde Hawlizek und Rudolf Scholten.
1991 landet der Sport bei Gesundheit und Konsumentenschutz. Harald
Ettl, Michael Ausserwinkler und Christa Krammer sind dann für den
Sport verantwortlich. 1995 wandert der Sport wieder weiter. Jetzt ist
er im Bundeskanzleramt. Gerhard Schäffer wird Sport Staatssekretär.
1996 wird der Sport einmal mehr weitergereicht. Karl Schlögl wird
Staatsekretär für Europa, öffentlichen Dienst und Sport 1997 ist
Peter Wittmann für den Sport zuständig. Er leitet die Ressorts
Europa, Kunst und Sport. 2000 wird Sport der Kunst und den Medien
zugeteilt. Franz Morak ist kurz zuständiger Staatssekretär. 2000
übernimmt Vizekanzlerin Susanne Riehs Passer den Sport, der nun zum
öffentlichen Dienst wandert. 2003 ist Wolfgang Schüssel kurz für die
Sportagenden allein verantwortlich. Der Sport bleibt beim
öffentlichen Dienst und untersteht dem Sozialministerium. 2003 kommt
der Sport zurück ins Bundeskanzleramt. Karl Schweitzer wird Sport
Staatssekretär. 2007 übernimmt Reinhold Lopatka als Staatssekretär im
Bundeskanzleramt die Sportagenden. 2009 wandert der Sport zur
Landesverteidigung. Norbert Darabos wird Minister für
Landesverteidigung und Sport.
Kunst und Kultur verbleiben bis auf ein kurzes Zwischenspiel 42
Jahre lang immer im BM für Unterricht. Das Stiefkind Sport wandert in
27 Jahren von einem Ministerium zum anderen, und ist Anhängsel von
acht Ressorts. Der Sport ist Untermieter bei Unterricht, Kunst,
Europa, dem Bundeskanzleramt, den Medien, beim öffentlichen Dienst,
dem Sozialministerium, dann wieder beim Bundeskanzleramt und zuletzt
bei der Landesverteidigung.
Ähnlich wird der Sport in einigen Bundesländern behandelt. Auf den
offiziellen Homepages der neun Bundesländer ist das Ressort Kultur
auf allen Homepages auf der Hauptseite zu finden. Der Sport ist nur
sechsmal auf den Hauptseiten präsent. Zweimal ist der Sport unter
Kultur und Freizeit versteckt, einmal in der Rubrik Bürgerdienst.
Die Regierungen der Stadt Wien behandeln den Sport ähnlich
stiefmütterlich wie die Bundesregierungen der Republik Österreich. In
der ersten Republik ist Sport und Kultur in keinem Ressort der Stadt
Wien namentlich angeführt.
1945 -1959 gibt es in der Stadtregierung unter BM Körner das
Ressort Kultur und Volksbildung. 1959 -1969 wird das Ressort Kultur,
Volksbildung mit dem Begriff Schule erweitert. 1969 ist es dann
soweit. Der Sport wird satte 24 Jahre später als die Kultur entdeckt.
Unter BM Marek heißt das Ressort jetzt Kultur, Schule, Sport. 1973
eliminiert BM Gratz den Sport wieder. Das Ressort wird auf Kultur,
Jugend, Bildung umbenannt. 1978 führt BM Gratz das Ressort Personal
und Sport ein. Stadtrat Heller übernimmt die Agenden. 1978 wird der
Sport wieder der Kultur zugeteilt. Kurt Mrkwicka ist jetzt Wiener
Kultur und Sportchef. 1987 hat es die Kultur geschafft. Kultur hat
ein eigenes Ressort. Der Sport wird Stadtrat Michael Häupl der für
die Ressort`s Umwelt und Freizeit verantwortlich ist, zugeteilt. 1994
landet der Sport bei Bildung, Jugend, Familie, Soziales und Frauen.
Zuständig für diese Mammutabteilung ist Grete Laska. 2001 wird der
Kultur die Wissenschaft zugeteilt. Sport fällt der Bildung, Jugend,
Soziales und Information zu. Grete Laska ist weiter dafür zuständig.
2009 verbleibt der Sport bei Bildung, Jugend, Soziales und
Information. Neuer Sportchef ist Stadtrat Oxonitsch der gemeinsam mit
dem Sport acht Geschäftsgruppen leitet. Der Wiener Kulturstadtrat ist
für drei Geschäftsgruppen zuständig.
Die Kultur ist in der Wiener Stadtregierung seit 1945 also 67 Jahre
lang immer präsent gewesen, und hat ab1987 ein eigenes Ressort mit
einem eigenen Stadtrat. Das Stiefkind Sport ist seit 43 Jahren
namentlich in der Wiener Stadtregierung verankert und erleidet ein
ähnliches Schicksal wie in der Bundesregierung. Sport wird immer
wieder hin und her geschoben und ist abwechselnd bei der Kultur,
Personal, Umwelt, Freizeit, Bildung, Soziales, Information, Frauen,
und Jugend angesiedelt.
Warum ist das eigentlich so? Ist dies gut für die Kinder, unsere
Bevölkerung und die Republik Österreich? Und soll das so bleiben?
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