- 25.09.2012, 12:13:53
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Bau- und Immobilienwirtschaft fordern Neuausrichtung der Wohnungspolitik

Wien (OTS) - Die heute präsentierte Studie "Effizienzpotentiale in
der Österreichischen Wohnungspolitik" des Instituts für Immobilien,
Bauen und Wohnen (IIBW) zeigt wesentliche politische Handlungsfelder
zur Sicherung der Wohnversorgung, zur Erreichung von Umweltzielen,
aber auch zur Belebung der Konjunktur auf. Die von den
Berufsverbänden der Baustoffproduzenten, des Baustoffhandels und der
Immobilienwirtschaft geforderten Reformen bei Finanzierung, Bau- und
Wohnungsrecht könnten massive Wachstumsergebnisse erzielen.
Sanierungsbedarf und Rückgang bei den Förderzusicherungen
Um die Erreichung der Klimaziele sicher zu stellen, wurde in
mehreren Regierungsdokumenten (u.a. Sanierungsstrategie 2007) eine
Sanierungsquote von >3% verankert. Trotz des großen Einsatzes der
Sanierungsförderung der Länder liegt die Rate umfassender thermischer
Sanierungen heute allerdings bei nur ca. 1% des Bestands pro Jahr.
Der Sanierungsbedarf in Österreich ist enorm: Bei 2,2 Mio. der 3,6
Mio. Hauptwohnsitzwohnungen kann ein Sanierungsbedarf angenommen
werden. Beim Neubau hingegen birgt der starke Rückgang der
Förderzusicherungen von 25% innerhalb von nur zwei Jahren große
Risiken. Die Bundesländer vergaben insgesamt nur noch 25.300
Förderzusicherungen für Neubauwohnungen. Aufgrund der guten
Konjunktur wurde der Rückgang allerdings durch frei finanzierten
Neubau kompensiert.
Studie erhob Status Quo und zeigt Effizienzpotentiale auf
Der hohe Sanierungsbedarf, die unzureichende Sanierungsrate und
der Rückgang bei den Förderzusicherungen zeigen den dringenden
Handlungsbedarf in der Wohnungspolitik. Die Studie
"Effizienzpotentiale in der Österreichischen Wohnungspolitik" erhob
den Status Quo des österreichischen Wohnungsbestandes, die
Wohnungsproduktion und Sanierung, das Förderregime und die
umfangreichen rechtlichen Rahmenbedingungen. Effizienz- und
Wachstumspotentiale werden bei der Finanzierung, bei der Senkung der
Baukosten, bei der Umsetzung der Klimaziele, bei der Liberalisierung
des Wohnrechts und insgesamt bei der Einführung einer Reformkultur
gesehen. Insgesamt weist die Studie darauf hin, dass über die
aktuellen Fördermaßnahmen hinaus dringende wohn- und baurechtliche
Reformen notwendig sind. Ein Beispiel zur Veranschaulichung der
wohnrechtlichen Reformmaßnahmen ist die Finanzierung von thermischen
Sanierungsmaßnahmen: Bei privaten Mietwohnungen besteht nach
geltendem Recht die generelle Problematik, dass Investitionen in
energetische Maßnahmen vom Eigentümer zu tragen sind, der Nutzen in
Form geringerer Energiekosten und besserem Komfort aber dem Mieter
zugutekommt.
Dr. Wolfgang Amann, Geschäftsführer IIBW und Studienautor: "Den
erfolgreichen Weg in der Wohnungsversorgung können wir nur
fortsetzen, wenn wir dem bewährten System aus Wohnbauförderung und
Wohnungsgemeinnützigkeit ein gleichrangig effizientes Wohnrecht zur
Seite stellen. Das ist heute nicht der Fall. Kaum eines der
wohnrechtlichen Ziele des Regierungsprogramms 2008 konnte bisher
umgesetzt werden. Einige Maßnahmen sind geeignet die Konjunktur
sofort zu beleben."
Fünf politische Handlungsfelder für Reformen
1. Finanzierung von Wohnungsneubau und Sanierung
Ziel der Wohnungspolitik der Länder muss Kontinuität und
Leistbarkeit sein. Die Wohnbauförderung ist dafür ein unverzichtbares
Instrument. Der stark gewachsene Anteil an privat finanziertem
Wohnbau ist zu begrüßen. Die österreichischen Haushalte verfügen
gemäß OENB über ein Netto-Finanzvermögen von über 300 Milliarden
Euro. Anreize, dieses Kapital im Wohnbau zu investieren, kommen allen
zugute. Die Entwicklung birgt allerdings auch Risiken, insbesondere
hohe Marktschwankungen und steigende Wohnkosten. Aufgabe der
Wohnungspolitik muss es also sein, geförderten und freifinanzierten
Wohnungsneubau so auszutarieren, dass die kontinuierliche Produktion
von Wohnungen nahe am Bedarf sichergestellt ist. Bei der dringend
erforderlichen Sanierung großer Teile des Wohnungsbestandes trifft
ähnliches zu. Die bestehenden Förderungsinstrumente bergen große
Effizienzpotenziale. Insbesondere ist es notwendig, die
unüberschaubare Fülle an Förderungen von Bund, Ländern, Gemeinden und
Energieversorgern zu bereinigen und aufeinander abzustimmen.
Förderungen allein sind nicht ausreichend, um Bauherren zu
thermischen Sanierungen zu bewegen. Wenn das Ziel eine nachhaltig
hohe Sanierungsrate ist, bedarf es für die einzelnen Bestandssegmente
differenzierter Maßnahmen in Finanzierung, Förderung, Wohnrecht und
Beratung.
2. Kostengünstiges Bauen
Neben der Finanzierung sind vor allem die Baukosten für leistbares
Wohnen verantwortlich. Es stehen zahlreiche Maßnahmen zur Verfügung.
Die größten Potenziale werden in der Studie dargestellt. Bei der
Entwicklung des thermischen Standards setzte Österreich bisher vor
allem auf den Heizwärmebedarf (HWB). Es zeigt sich, dass neben dem
HWB vor allem die Gesamtenergieeffizienz mittlerweile als zentrale
Kennzahl besser einzuführen ist, um Innovationen im Wohnbau sowohl
zugunsten des Klimas als auch des Geldbörserls anzuregen. Es ist hoch
an der Zeit, in der Wohnbauförderung aller Bundesländer die
Gesamtenergieeffizienz als zentrale Kennzahl einzuführen. Ein anderer
Bereich ist barrierefreies Bauen, dessen Notwendigkeit von niemandem
bestritten wird. Es wird allerdings die Zweckmäßigkeit angezweifelt,
100% des Wohnungsneubaus rollstuhlgerecht auszuführen. Der
österreichische Wohnbau verfügt insgesamt über im europäischen
Vergleich sehr hohe bauliche Standards. Eine Entrümpelung der
bautechnischen Vorschriften könnte den Wohnungsneubau erheblich
verbilligen, insbesondere wenn es darum geht, besonders
kostengünstige Wohnungen für einkommensschwache Haushalte anzubieten.
Ansatzpunkte sind z.B. Lifte oder die verpflichtende Zahl von
Stellplätzen. Weitere Potenziale werden bei der Planung gesehen. Eine
optimale Wohnung muss nicht notwendigerweise groß sein.
3. Umsetzung von Klimazielen im Wohnungsneubau
2020 soll im Baurecht der Länder der "Fast-Nullenergie"-Standard
erreicht werden. Bei einer solchen Verschärfung der thermischen
Standards ist sicherzustellen, dass die technischen Möglichkeiten
der Bau- und Bauprodukteindustrie sowie der Immobilienwirtschaft
berücksichtigt werden. Die Wohnbauförderung der Länder ist durch
mehrere verfassungsrechtliche Vereinbarungen (Art. 15a B-VG) auf die
gemeinsamen Klimaziele ausgerichtet. Die geänderten Rahmenbedingungen
machen eine neue Bund-Länder-Vereinbarung notwendig. Bei dieser
sollte es vor allem um effizientere Kennzahlen, die Übereinstimmung
der Regelungen in der Wohnbauförderung mit dem Baurecht, ein
gleichwertiges Engagement des Bundes im Wohnrecht sowie eine bessere
Koordination der Förderungen gehen. Ein wesentlicher Beitrag zum
Klimaschutz ist auch von einer anderen Seite möglich: dem Abriss von
"Energieschleudern" und deren Ersatz durch moderne Neubauten.
4. Umsetzung von Klimazielen in der Wohnungssanierung
Ein zentraler Befund der Studie ist, dass die unterschiedlichen
Bestandssegmente - Einfamilienhäuser, private Mietwohnungen, sozial
gebundene Mietwohnungen, Eigentumswohnungen - ganz unterschiedlich
"ticken". Die notwendige Erhöhung der Sanierungsrate ist nur bei
maßgeschneiderten Instrumenten umsetzbar. Bei Eigentumswohnungen und
privaten Mietwohnungen sind umfassende wohnrechtliche Reformen
unabdingbar. Die wichtigsten Maßnahmen sind seit langem bekannt:
Sanierungsanreize durch eine Reform der Mietenregelung, Neukonzeption
von "Erhaltung" und "Verbesserung", Finanzierung der baulichen
Maßnahmen aus der Energieeinsparung, Duldungspflichten von Mietern,
erleichterte Sanierungsvereinbarungen, bessere Regelungen zur
Erhaltungsrücklage und Willensbildung im Wohnungseigentum. Einige
dieser Reformvorhaben sind im aktuellen Regierungsprogramm verankert.
Ihre fehlende Umsetzung muss als Versagen politischen Managements
gewertet werden. Insgesamt ist es an der Zeit politisch anzuerkennen,
dass das Wohnrecht nicht nur sozialpolitische, sondern auch umwelt-
und klimapolitische Relevanz besitzt.
5. Liberalisierung des Wohnrechts
Liberalisierung bedeutet nicht weniger, sondern einfachere und
bessere Regulierung. Eine solche Forderung ist angemessen, nachdem
sich das Wohnrecht nicht so sehr an Unternehmen, sondern an den
einzelnen Bürger richtet. In der Studie wird besonders auf zwei
Regelungsbereiche eingegangen: Die Unterscheidung zwischen
"Erhaltung" und "Verbesserung" im Wohnrecht hat sich zum Zankapfel
bei der Kostentragung von Sanierungen entwickelt. Das Steuerrecht
kennt ähnliche, aber eben nicht idente Begriffe wie "Instandhaltung",
"Instandsetzung" und "Herstellung". Es spricht vieles für eine
völlige Neukonzeption und Vereinheitlichung dieser wohn- und
steuerrechtlichen Begriffe, insbesondere angesichts eines Blicks über
den Tellerrand. Viele EU-Länder leben ganz gut ohne jegliche
rechtliche Unterscheidung zwischen Erhaltung und Verbesserung. Ein
Kernbereich von Liberalisierung sind Preisregelungen. Das
österreichische Wohnrecht beinhaltet nicht weniger als sieben (!)
unterschiedliche Mechanismen allein für Mietwohnungen. Das legitime
Schutzbedürfnis des Mieters hat hier offensichtlich zu unangemessenen
Regelungen geführt. Als Alternative bietet sich das seit zwei
Jahrzehnten in Deutschland erprobte Vergleichsmietensystem an. Es
ersetzt Reglementierung durch Markttransparenz und gleicht damit die
Benachteiligung des Mieters aus. Das Modell hat sich insbesondere in
den Jahren der Krise mit moderaten aber zuverlässigen
Preisanpassungen bewährt. Der deutsche Mietenmarkt entwickelt sich
seit vielen Jahren konstant im Bereich der Inflationsrate.
Drei Vorschläge zur sofortigen Konjunkturbelebung
Die Bauwirtschaft trägt 6,2% und das Grundstücks- und
Wohnungswesen 8,7% zum Bruttoinlandsprodukt bei. Anreize für
Investitionen in diesem Bereich haben einen bedeutenden Hebel zur
Konjunkturbelebung. Aus den zahlreichen in der Studie dargestellten
Maßnahmen zu verbesserter wohnungspolitischer Effizienz werden drei
mit besonderem Potenzial zur kurzfristigen massiven
Konjunkturbelebung herausgegriffen:
1. Die Anhebung der Sanierungsrate bei Eigenheimen,
Eigentumswohnungen und privaten Mietwohnungen auf 3% bewirkt
Investitionen in der Höhe von Euro 1,7 Mrd. pro Jahr und gemäß WIFO
die Schaffung von rund 30.000 Arbeitsplätzen pro Jahr.
2. Die Verpflichtung der Länder zur Sicherung von Wohnungsneubau
nahe am Bedarf mit weitestgehender Kontinuität schafft dauerhaft
Investitionen auf hohem Niveau.
3. Ein Maßnahmenbündel für eine Erleichterung von Abriss und
Ersatzneubau würde sofort eine Investitionsbremse lockern.
Die gesamte Studie "Effizienzpotentiale in der Österreichischen
Wohnungspolitik" steht unter http://www.iibw.at/effizienzpotenziale
zum Download bereit.
Weitere Bilder unter: http://www.apa-fotoservice.at/galerie/3391/
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