- 27.07.2012, 18:07:03
- /
- OTS0146 OTW0146
Freispruch für J.A.I.B.!
Wien (OTS) - Der sog. AMS4-Prozess, in dem vier Studierenden der
Brand von Mistkübeln vor einem AMS-Gebäude vorgeworfen wurde, endet
mit einem Freispruch der Angeklagten. Auch am zweiten (und letzten)
Prozesstag werden die Ermittlungsmethoden des Landesamt für
Verfassungsschutz und Landesverteidigung (LVT) und die skandalösen
Kriminalisierungsstrategien der Staatsanwaltschaft bloß gelegt.
Am Beginn des heutigen Prozesstages stand die Ansicht des sog.
Tatvideos.
Die Staatsanwaltschaft beharrte wiederum darauf, Angeklagte
identifizieren zu können, obwohl bereits am ersten Prozesstag
festgestellt wurde, dass die kaum sichtbaren Silhouetten keinerlei
Erkennungsmerkmale aufweisen. Eine von den Angeklagten eingebrachte
vergrößerte und stabilisierte Version des Videos machte endgültig
deutlich, wie sehr der Interpretationswille der Staatsanwaltschaft
ins Leere läuft. In ihrem Schlussplädoyer bringt es die Verteidigerin
auf den Punkt: "Nur weil die Staatsanwaltschaft gerne etwas sehen
möchte, heißt es noch lange nicht, dass dem so ist." Damit ist die
generelle Charakteristik des Vorgehens von Staatsanwaltschaft und LVT
umrissen: Der Wunsch die sog. "linke Szene" und im Speziellen die
#unibrennt-Bewegung zu kriminalisieren, führte zu absurden
Beweiskonstruktionen und hochgradig fehlerhaften
Quelleninterpretationen, die heute öffentlich wie ein Kartenhaus in
sich zusammen gebrochen sind.
In ihrem Schlussplädoyer führt die Verteidigerin nochmals vor
Augen, dass sich die von der Anklage hervorgebrachten Indizien als
teils erfunden oder falsch dargestellt, teils nicht beweisbar, und
alle als entlastend herausstellen. Neben dem Tatvideo sind auch die
Zeug_innenaussagen null und nichtig für die Beweisführung der
Staatsanwaltschaft. Aus den monatelangen, intensiven Observierungen
geht vor allem hervor, dass Studierende zuweilen essen und sich
manchmal umziehen. Auch die letzten Stützen der
staatsanwaltschaftlichen Beweisführung fallen:
Rufnummerdatenerfassung und Logauswertungen der Computer der
Angeklagten erweisen sich als entlastend. Die Stapel an Prozessakten
werden damit Zeugnis der Wucht, mit der die Ermittlungen in das Leben
der Angeklagten eingedrungen sind, Zeugnis des polizeilichen
Aktenfleißes und nicht zuletzt Zeugnis des Kriminalisierungsversuches
gesellschaftspolitischen Engagements.
Dieser ist selbst im Schlussplädoyer der Staatsanwältin
wiederzufinden, in dem sie nochmals versucht, das Verfahren mit der
Teilnahme der Angeklagten an "einschlägigen Demonstrationen" zu
legitimieren; ein Vorgehen, dass die Verteidigerin in der Nähe einer
"Gesinnungsüberprüfung" sieht. Auch betont sie, dass das von den
Angeklagten in Anspruch genommene Recht auf Aussageverweigerung nicht
als Verdachtsmoment gelesen und zudem im Kontext des Ermittlungsstils
der Behörden gesehen werden muss, in dem den Angeklagten jede noch so
alltägliche Handlung als Schuldbeweis interpretiert wurde. Sie kommt
zu dem Schluss, dass in diesem Prozess die politische Haltung der
Angeklagten der Grund dafür war, ins Visier zu geraten und - auf
Grundlage von §§278 - als "Terrorist_innen" observiert und verfolgt
worden zu sein. Angesichts dessen ist es schockierend, dass die
Staatsanwaltschaft den Freispruch nicht einfach akzeptiert, sondern
mit dem "Vorbehalt einer Nichtigkeitsbeschwerde" gegen das Urteil
Einspruch erhebt.
Offen bleibt nun zumindest zweierlei: Erstens angemessene
Entschädigungen für die Angeklagten für die 8wöchige U-Haft und die
hohen Verteidigungskosten. Zweitens wären sowohl Staatsanwaltschaft
wie das LVT zur Verantwortung zu ziehen. Die Angeklagten haben in
ihren Beweisanträgen darauf gedrungen, Verantwortliche als Zeugen
vorzuladen. Dass dem seitens des Richters nicht nachgekommen wurde,
ist bedauerlich: Daran hätte sich vor Augen der Öffentlichkeit
gezeigt, wie infam im Detail die Methoden und Unterstellungen der
ermittelnden Behörden gewesen sind. Auch wenn dies nicht mehr
Gegenstand öffentlicher Verhandlungen sein wird: Neben dem Ausgang
des Tierrechtsprozesses sollte auch dieser Freispruch - allen, auch
dem Justizministerium - klar vor Augen geführt haben, dass die Zeit
reif ist, §§278 abzuschaffen.
Rückfragehinweis:
fightrepression
Tel: 0043 681 206 711 23
OTS-ORIGINALTEXT PRESSEAUSSENDUNG UNTER AUSSCHLIESSLICHER INHALTLICHER VERANTWORTUNG DES AUSSENDERS - WWW.OTS.AT | NEF