• 20.06.2012, 20:05:04
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"Kleine Zeitung" Kommentar: "Warum Europa sich neu erfinden muss" (Von Stefan Winkler)

Ausgabe vom 21.6.2012

Graz (OTS) - Was wird aus Europa? Diese Frage stellt sich nicht
erst, seitdem die Euro-Krise unseren Kontinent im Würgegriff hält.

Ob Osterweiterung, Schengen, der Euro oder der Vertrag von Lissabon -
keiner der historischen Meilensteine, die die politischen Eliten in
Brüssel und den Hauptstädten der EU - in den vergangenen drei
Jahrzehnten in immer atemberaubenderem Tempo aneinanderreihten,
vermochte die latente Sinnkrise zu lösen, an der Europa seit Längerem
leidet.

Obwohl viele dieser Errungenschaften, so etwa die Reisefreiheit,
unseren Alltag zum Besseren verändert haben, ist das Unbehagen der
Europäer an der EU gewachsen.

Der Unmut hat viele Gründe, der wohl wichtigste ist die Uneinigkeit
über die Zukunft und das Ziel des vereinten Europa.

Die Gründerväter der Europäischen Union hatten eine klare Vision vor
Augen: "Nie wieder Krieg!", lautete das Credo, auf dem sie nach 1945
ihr neues Europa gründeten. Dieses Motiv hat sich erschöpft. Für
viele Junge ist der Friede heute selbstverständlich. Mutterkuhprämien
und Glühbirnenverbote taugen aber nicht als Stoff für eine neue große
Erzählung, die das Narrativ der Friedensunion ersetzen könnte. Sie
verstärken nur die Abneigung gegen den Bürokratie-Moloch Brüssel.

Die Euro-Krise hat diese Stimmung verstärkt. Sinn- und monetäre Krise
kreuzen und doppeln sich, und das macht die Lage so brisant. Mit
weitreichenden Beschlüssen zu milliardenschweren Rettungspaketen und
außergewöhnlichen Maßnahmen zur Stabilisierung des Euro haben die
Europäer längst eine Schwelle überschritten, an der die weitere
Abgabe nationaler Souveränität an die EU unausweichlich ist und ein
immer riesigeres Demokratieloch aufgähnt.

In dieser zum Zerreißen gespannten Situation haben zehn
EU-Außenminister ein Papier vorgelegt, das eine institutionelle und
demokratische Neuordnung der EU hin zum europäischen Bundesstaat
vorsieht.

Sicher ist vieles unausgegoren und illusorisch, so etwa die totale
Entmachtung der Staats- und Regierungschefs. Europa ist die Summe
seiner souveränen Staaten und wird das noch lange bleiben. Aber wenn
die Krise eines lehrt, dann, dass zumindest die Euro-Länder sich
enger verzahnen müssen.

Das Verdienst der Außenminister ist es, als Erste ein Modell
vorzulegen, wie eine politische Union aussehen könnte. Zugleich haben
sie erkannt, dass die Politik die Bürger einbinden muss. Mehr Europa?
Ja! Aber nicht länger von oben, sondern von unten. Nur wenn die
Richtung stimmt, kann der Umbau gelingen.****

Rückfragehinweis:
Kleine Zeitung, Redaktionssekretariat, Tel.: 0316/875-4032, 4033, 4035, 4047, mailto:redaktion@kleinezeitung.at, http://www.kleinezeitung.at

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