- 31.05.2012, 14:23:33
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- OTS0251 OTW0251
Das österreichische Glücksspielmonopol ist unionsrechtswidrig!
Oberndorf (OTS) - Nach den Kompetenzartikeln der österreichischen
Bundesverfassung ist der Gesetzgeber gemäß Art. 10 Abs. 1 Z 4 B-VG
ermächtigt, durch ein einfaches Bundesgesetz ein Glücksspielmonopol
zu schaffen. Von diesem Recht hat der Nationalrat Gebrauch gemacht
und lautet § 3 GSpG wie folgt:
"Das Recht zur Durchführung von Glücksspielen ist, soweit in diesem
Bundesgesetz nicht anderes bestimmt wird, dem Bund vorbehalten
(Glücksspielmonopol)."
Was nun Glücksspiele sind, beschreibt § 1 GSpG wie folgt:
(1) Ein Glücksspiel im Sinne dieses Bundesgesetzes ist ein Spiel,
bei dem die Entscheidung über das Spielergebnis ausschließlich oder
vorwiegend vom Zufall abhängt.
(2) Glücksspiele im Sinne dieses Bundesgesetzes sind insbesondere
die Spiele Roulette, Beobachtungsroulette, Poker, Black Jack, Two
Aces, Bingo, Keno, Baccarat und Baccarat chemin de fer und deren
Spielvarianten. Der Bundesminister für Finanzen ist ermächtigt, aus
Gründen der Rechtssicherheit durch Verordnung weitere Spiele als
Glücksspiele im Sinne des Abs. 1 zu bezeichnen.
(3) In Angelegenheiten des Glücksspiels kann der Bundesminister
für Finanzen Amtssachverständige bestellen.
(4) Der Bundesminister für Finanzen hat per Verordnung einen
Beirat oder eine Stelle zur Suchtprävention und Suchtberatung unter
Beiziehung des Bundesministers für Gesundheit sowie des
Bundesministers für Konsumentenschutz einzurichten, dessen bzw. deren
Aufgabe die inhaltliche, wissenschaftliche und finanzielle
Unterstützung des Spielerschutzes ist. Zur Finanzierung der Arbeit
dieser Stelle oder dieses Beirates wird ab 1. Jänner 2011 ein
Finanzierungsbeitrag von 1 vT der jeweiligen Bemessungsgrundlage nach
§ 28 sowie nach § 57 Abs. 4 gemeinsam mit den jeweiligen Abgaben
erhoben.
Definiert wird das Glücksspiel - abgesehen von der demonstrativen
Aufzählung der Spiele in Abs. 2 - über den Begriff der
Zufallsabhängigkeit und der mangelnden Einflussnahme (sonst würden
Geschicklichkeitsspiele vorliegen) durch den Spieler. Ein Glücksspiel
liegt somit dann vor, wenn sein Ausgang bei den Spielteilnehmern
entweder zu einem Gewinn oder einen Verlust führt und der einzelne
Spieler nicht (nur) zur Unterhaltung, sondern in Erwartung eines in
Aussicht gestellten Gewinns (Gewinnplan) ein solches Spiel in Gang
setzt.
Die Ausnahmen vom Glücksspielmonopol regelt § 4 GSpG, auf welche
hier nicht eingegangen wird, weil der Artikel ausschließlich die
Unionsrechtswidrigkeit des Glücksspielmonopols ausleuchten soll.
Das Glücksspielrecht ist auf europäischer Ebene (noch) nicht durch
sektorspezifische Rechtsvorschriften geregelt und ist von
horizontalen Rechtsakten wie der Dienstleistungsrichtungsrichtlinie
2006/123/EG oder E-Commerce-Richtlinie 2000/31/EG ausdrücklich
ausgenommen, doch unterliegt das Glücksspiel einer Reihe von anderen
Vorschriften des Sekundärrechts wie der Richtlinie über audiovisuelle
Mediendienste, der Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken, der
Fernabsatzrichtlinie, der Geldwäsche-Richtlinie, der
Datenschutzrichtlinie, der Datenschutzrichtlinie für elektronische
Kommunikation und der Mehrwertsteuer-Richtlinie.
Die Europäische Kommission beschäftigt sich derzeit aktuell im
Grünbuch KOM (2011) 128 mit einer möglichen Regulierung der
Online-Glücksspieldienste auf europäischer Ebene. Der Europäische
Gerichtshof hat sich in den Urteilen Schindler (C-275/92) und
Gambelli (C-243/01) zum anwendbaren Recht der Rechtfertigung
allfälliger Beschränkungen der Dienstleistungs- und
Niederlassungsfreiheit von Online-Glücksspielanbietern durch die
Mitgliedstaaten bereits umfassend und bindend geäußert.
Wie der Gerichthof der Europäischen Union bestätigte, fallen
Glücksspieldienste nach europäischem Recht unter Art. 56 des Vertrags
über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) und unterliegen
somit den primärrechtlichen Bestimmungen für die Erbringung von
Dienstleistungen. Diesen zufolge dürfen in einem Mitgliedstaat
zugelassene Glücksspielanbieter ihre Dienste Verbrauchern in anderen
Mitgliedstaaten grundsätzlich anbieten, es sei denn, dort wurden
Beschränkungen auferlegt, die aus zwingenden Gründen des
Allgemeininteresses, wie dem Verbraucherschutz oder der
Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung gerechtfertigt sind.
Beschränkungen der Dienstleistungsfreiheit sind also grundsätzlich
nur aus Gründen der öffentlichen Ordnung, Sicherheit oder Gesundheit
zulässig. Nach ständiger Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs
sind Glücksspiele (wie auch Sportwetten) Dienstleistungen im Sinne
der Art. 56 ff AEUV und fallen somit in den Schutzbereich der
Dienstleistungsfreiheit.
Auch in seiner Österreich betreffenden Entscheidung (Dickinger und
Ömer, vom 15.09.2011, C-347/09) hat der Europäische Gerichtshof
darauf hingewiesen, dass nach seiner Rechtsprechung ein
Glücksspielmonopol eine Beschränkung des freien
Dienstleistungsverkehrs darstellt und eine solche Beschränkung nur
aus zwingenden Gründen des oben schon beschriebenen
Allgemeininteresses, wie dem Ziel, ein besonders hohes
Verbraucherschutzniveau zu gewährleisten, gerechtfertigt sein kann.
Um ein solches Monopol aber tatsächlich zu rechtfertigen, muss der
Monopolinhaber, also die Republik Österreich, nachweisen, dass
tatsächlich Aktivitäten gesetzt werden, die den Zielen der
Kriminalitätsbekämpfung oder der Prävention der Spielersucht, kurzum
der Verhinderung von betrügerischen oder sonst kriminellen
Aktivitäten, wie auch der Erkrankung durch Sucht etc., entsprechen.
Keinesfalls gerechtfertigt kann dieses Monopol mit einer
Marktbereinigung zur Vergabe von neuen Lizenzen und der Verfolgung
einer Expansionspolitik werden. Der Gerichtshof hebt sogar hervor,
dass die Einnahmensmaximierung für den Fiskus eine Beschränkung des
freien Dienstleistungsverkehrs nicht gestattet.
Dem Europäischen Gerichtshof ist dabei nicht entgangen, dass mit
den Zielen der Kriminalitätsbekämpfung und der Verhinderung der
Spielersucht nur eine sehr maßvolle Werbung zulässig ist, die auf
eine Kanalisierung des kontrollierten Spielens beschränkt bleiben
muss. Die nun tatsächlich stattfindende suggestive Werbung und
Bewerbung für Glücksspieldienste/-angebote ist aber geradezu nicht
zur Erhaltung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit oder der
Gesundheit geeignet, sondern ist geradezu kontraproduktiv und auf
eine Expansionspolitik mit Gewinnmaximierung ausgerichtet.
Das österreichische Glückspielmonopol ist nun anhand dieser
Kernaussage des Europäischen Gerichtshofes zu messen, ob es diese
Parameter zu erfüllen mag. Aus den Materialien des historischen
Gesetzgebers geht hervor, dass Monopole vor allem aus
fiskalpolitischen Überlegungen eingerichtet wurden. Es gibt nun keine
einzige gesicherte Quelle, die besagen würde, dass das
Glücksspielmonopol kriminalitätsverhindernd oder suchtverhindernd
wäre. In der Praxis ist sogar das Gegenteil der Fall, nämlich dass
jeder potentielle Spieler durch die massive Werbung auf Schritt und
Tritt animiert wird, sich z.B. durch einen Gewinn seinen
Lebensstandard verbessern zu können oder vielleicht überhaupt auf
Lebenszeit ausgesorgt zu haben. Solche Werbungen flimmern auch zu
teuersten und publikumsträchtigsten Sendezeiten tagtäglich über die
TV-Bildschirme und sind sämtliche Zeitungen mit Werbemaßnahmen für
das Glücksspiel voll. Ganz zu schweigen vom Internet, wo z.B. auf den
Seiten von sozialen Netzwerken immer wieder Werbungen (Banner)
eingeblendet werden und eine Beeinflussung des (Unter-)Bewusstseins
hervorrufen. Die Liste der aggressiven Werbemaßnahmen könnte über
Reklameleuchten, etc., beliebig fortgesetzt werden.
Im schon oben erwähnten Fall "Gambelli" hat der Gerichtshof
judiziert, dass dann, wenn die Verbraucher durch den Monopolträger
geradezu angereizt und ermuntert werden, an Lotterien, Glücksspielen
oder Wetten teilzunehmen, damit für die Staatskasse Einnahmen
lukriert werden, kann sich der Staat nicht darauf berufen, dass das
Monopol der öffentlichen Sozialordnung dient, sondern ist das
offensichtlich nur der (fadenscheinige) Vorwand für das Monopol.
Der Werbeaufwand für das Glücksspiel ist in Österreich enorm hoch und
sind den Bestimmungen der §§ 14 und 21 GSpG über die Erteilung einer
Konzession ausschließlich nur wirtschaftliche Interessen, die sehr
nachhaltig vorgeschrieben und verfolgt werden müssen, zu entnehmen.
Die Voraussetzungen aus unionsrechtlicher Sicht, dass ein Monopol nur
dann statthaft ist, wenn es den Anforderungen gegen delinquentes
Verhalten entspricht, liegen somit in keinster Weise vor.
Nach dem Grundsatz der unionsrechtskonformen Interpretation haben
die Gerichte (und Behörden) der Mitgliedstaaten das nationale Recht
so weit wie möglich anhand des Wortlauts und des Zwecks des
Unionsrechts auszulegen. Ein Widerspruch zwischen nationalem Recht
und dem Unionsrecht ist tunlichst zu vermeiden. Die Pflicht zu
unionsrechtskonformer Auslegung beschränkt sich nicht auf
Vorschriften, welche zur Umsetzung des Unionsrechts erlassen worden
sind, sondern erstreckt sich vielmehr auf den gesamten Rechtsbestand
des Mitgliedstaats (vgl. OGH 15.2.2011, 4 Ob 208/10g). Für die
konkrete Umsetzung der unionsrechtskonformen Auslegung verweist der
Europäische Gerichtshof auf den Methodenkanon des nationalen Rechts.
Wenn und soweit das nationale Gericht (Behörde) eine teleologische
Reduktion oder Analogie anwendet, muss es diese Instrumente auch zum
Zweck der unionsrechtskonformen Auslegung anwenden. Daher ist
zumindest in den Rechtsordnungen des deutschen Rechtskreises der
Wortlaut einer Norm keine unüberschreitbare Grenze, maßgebend ist
vielmehr der Zweck der Norm.
Damit steht abschließend fest, dass das Glücksspielmonopol des
Bundes in Form der monopolisierenden Bestimmungen der §§ 14 und 21
GSpG unionsrechtswidrig ist, weil nicht nachgewiesen werden kann,
dass es zur Verhinderung kriminellen Verhaltens und zur Verhinderung
von Spielersucht und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ruhe,
Ordnung und Sicherheit einer Monopolisierung bedarf, weil dies - wie
in anderen Ländern auch - durch gelindere Mittel und nicht durch
Ausschließung von Marktteilnehmern erreicht werden kann.
Mithin ist das österreichische Glücksspielmonopol des Bundes
unionsrechtswidrig!
Rückfragehinweis:
Mag. Hermann Winkler
mailto:hermann.winkler@sbg.at
Tel.: 0676/3318049
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