• 03.05.2012, 11:17:55
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Bohren in die Geschichte Hallstatts

Wissenschaftliche Seekernbohrung vom 7. bis 11. Mai 2012: Sedimente am Grund des Hallstätter Sees geben Auskunft über die Umweltbedingungen der letzten Jahrtausende

Bohrplattform

Wien (OTS) -

Einladung zum Pressegespräch
am Mittwoch, dem 9. Mai 2012, um 10.30 Uhr im Sitzungssaal der
Marktgemeinde Hallstatt, Seestraße 158, 4830 Hallstadt
anschließend Bootsfahrt und Besichtigung der Bohrplattform am See

mit

- Alexander Scheutz, Bürgermeister von Hallstatt
 - Mag. Kerstin Kowarik, Naturhistorisches Museum Wien, 
   Prähistorische Abteilung 
 - Mag. Hans Reschreiter, Naturhistorisches Museum Wien, 
   Prähistorische Abteilung 
 - Dr. Achim Brauer, Deutsches Geoforschungszentrum, Helmholtz-
   Zentrum, Potsdam
 - Kurt Thomanek, Salzwelten, Geschäftsleitung

Ein internationales Forscherteam wird vom 7. bis 11. Mai 2011
Seekernbohrungen im Hallstätter See durchführen. Die Forscherinnen
und Forscher hoffen auf umfassende Erkenntnisse über prähistorische
Klima- und Umweltverhältnisse aus den erbohrten Seesedimenten. Der
Hallstätter See ist nicht zufällig gewählt. 400 m oberhalb liegt das
älteste Salzbergwerk der Welt. Getragen wird das Projekt durch das
Naturhistorische Museum Wien, das Deutsche Geoforschungszentrum
Potsdam, die Österreichische Akademie der Wissenschaften, die
Universität für Bodenkultur Wien und die Freunde des
Naturhistorischen Museums Wien.

Mensch und Umwelt

Ziel der Forscherinnen und Forscher ist es, ein genaues Bild der
Umweltbedingungen in der Vergangenheit zu gewinnen und die
Wechselwirkungen zwischen Mensch und Umwelt über einen langen
Zeitraum zu studieren. Dabei interessiert ein Abschnitt besonders,
die Spanne zwischen 2000 v. Chr. und der Zeitenwende. In dieser Zeit
erfährt das Salzkammergut durch den prähistorischen Salzbergbau in
Hallstatt einen echten Wirtschaftsboom. Es ist aber auch die Zeit
bedeutender Klimaschwankungen. Wesentlich für die
Wissenschaftlerinnen und Wissenschafter ist die Frage, welchen
Einfluss die daraus folgenden Umweltveränderungen auf die Menschen
und ihr Wirtschaftssystem in dieser alpinen Region hatten.

Archive unter Wasser

Unter guten Erhaltungsbedingungen liefern Seesedimente wichtige
Informationen über Temperaturentwicklung, Niederschlagsmengen,
Hochwasserereignisse, aber auch über die Pflanzenwelt rund um den See
sowie Bergstürze und Murenabgänge. Seen sind erstklassige
Sedimentfallen. Pflanzenreste, Blütenstaub, Insekten und
Mikroorganismen, Gesteine und viele andere Materialien werden über
Luft und Wasser in Seen eingetragen. Ein Teil davon lagert sich in
Schichten Jahr für Jahr am Seegrund ab. So entsteht im Laufe der
Jahrhunderte und Jahrtausende ein wertvolles Archiv, das detailliert
Umwelt- und Klimaverhältnisse speichert, bis hin zu den Eingriffen
des Menschen in seine Umwelt. Ähnliches gilt für Moore, auch sie sind
wertvolle und schützenswerte Archive.

Bohren am Seegrund

Die Bohrungen werden durch die Österreichischen Bundesforste, in
deren Besitz sich der See befindet, und die Gemeinde Hallstatt
unterstützt. Die geplanten Bohrstellen liegen in der Mitte des Sees
in einer Wassertiefe von rund 100 m. Daher kommt eine schwimmende
Bohrplattform zum Einsatz. Die Plattform und das Bohrsystem wurden
von der oberösterreichischen Firma UWITEC entwickelt und umgesetzt.
Ein Plexiglasrohr von 9 cm Durchmesser wird mit Hilfe von Gewichten
in den Seeboden gedrückt, nach Erreichen der gewünschten Tiefe wird
das Rohr mit den Bodenproben über eine Seilwinde wieder an die
Oberfläche gezogen. Die Sedimentproben müssen nun bis zum Einlangen
im Labor kühl gelagert werden. Erst dort werden die Rohre geöffnet
und die Sedimentproben verschiedensten Analyseverfahren unterzogen.
So wird etwa die Größe der im Seesediment enthaltenen Gesteins- und
Mineralkörner ausgewertet. Die Verteilung der Korngrößen gibt
wichtige Aufschlüsse über Transportprozesse, d.h. wie sind diese
Materialien in den See gelangt, über die Luft, mit einem Fluss, durch
einen Bergsturz oder eine Mure. Geochemische Untersuchungen liefern
Informationen über die geographische Herkunft der Gesteine, aber auch
über Nähr- und Sauerstoffgehalt des Seewassers. In den Sedimenten
erhaltene Pflanzenreste, wie etwa Pollen, geben Auskunft über die
Zusammensetzung der Vegetation rund um den See, aus der wiederum die
Entwicklung der Lufttemperatur errechnet wird.

Vielfältige Forschung

Die Seekernbohrungen sind ein wichtiger Teil der Erforschung der
jahrtausendealten Wirtschafts-landschaft rund um die Hallstätter
Salzbergwerke. 400 m über dem See liegt eine der wichtigsten
archäologischen Fundlandschaften Europas. Bereits vor über 3500
Jahren bauten Bergleute am Hallstätter Salzberg Steinsalz in nahezu
industriellem Ausmaß ab. In riesigen Hallen wurde Salz gebrochen und
weithin verhandelt. Seit über 50 Jahren forscht das Naturhistorische
Museum Wien mit der Unterstützung der Salinen Austria AG an diesem
einzigartigen Platz. Denn der archäologischen Wissenschaft eröffnen
sich hier ganz besondere Möglichkeiten. Von der Lebenswelt
vergangener Epochen bleiben der Archäologie im Normalfall Objekte aus
unvergänglichen Materialien wie Stein, Keramik, Knochen und Geweih.
Organisches verrottet in wenigen Jahren. Vollkommen anders im
Hallstätter Salzberg, dank der konservierenden Wirkung des Salzes hat
sich hier all das perfekt erhalten, was die Bergleute vor
Jahrtausenden zurückließen: Werkzeug, Speisereste, menschliche
Exkremente, Kleidung, abertausend niedergebrannte Leuchtspäne. Nur
mit einer Vielzahl an wissenschaftlichen Disziplinen ist die
wissenschaftliche Auswertung möglich. Anthropologie, Archäologie,
Botanik, Holzforschung, Geowissenschaften und viele andere
Disziplinen ziehen hier gemeinsam an einem Strang. Die Salzwelten
Hallstatt bieten in Kooperation mit dem NHM Wien verschiedenen
Programme und regelmäßige Sonderführungen rund um das spannende Thema
Archäologie an. Infos und Termine zu den "Hallstatt7000"-Programmen
auf www.salzwelten.at.

Doch nicht allein die Bergwerke, sondern auch die umgebende
Landschaft stehen im Fokus der Forschung. Die Geschichte dieser
Landschaft soll systematisch erforscht, dokumentiert und bewahrt
werden. So untersucht aktuell das Hall-Impact-Projekt die
Wechselwirkungen zwischen Mensch und Umwelt und den Wandel dieser
Beziehungen. Das Projekt wird von der Österreichischen Akademie der
Wissenschaften finanziert.

Projektpartner

Naturhistorisches Museum Wien, Prähistorische Abteilung:

- Kerstin Kowarik, Archäologie, Umweltarchäologie, Mensch-Umwelt, 
   Projektleitung Hall-Impact (ÖAW), prähistorischer Salzbergbau

Naturhistorisches Museum Wien, Prähistorische Abteilung:

- Hans Reschreiter, Archäologie, prähistorischer Salzbergbau, 
   Ausgrabungsleitung Salzbergwerk Hallstatt

Deutsches Geoforschungszentrum, Helmholtz-Zentrum Potsdam:

- Achim Brauer, Seekernbohrung, Klimadynamik und 
   Landschaftsentwicklung

Universität für Bodenkultur, Institut für Holzforschung:

- Michael Grabner, Dendrochronologie, Holzforschung
   UWITEC, Bohrfirma
 - Richard Niederreiter

Pressebilder-Download:
http://public.nhm-wien.ac.at/Pressefotos_Bohrung.zip

Wir bitten um Anmeldung zum Pressegespräch unter E-Mail:
irina.kubadinow@nhm-wien.ac.at

Bild(er) zu dieser Aussendung finden Sie im AOM / Originalbild-Service
sowie im OTS-Bildarchiv unter http://bild.ots.at

Rückfragehinweis:
Irina Kubadinow
Leiterin Kommunikation & Medien
Naturhistorisches Museum
Tel.: 01 / 521 77 410
Mobil: +43 664 415 28 55
e-mail: irina.kubadinow@nhm-wien.ac.at

OTS-ORIGINALTEXT PRESSEAUSSENDUNG UNTER AUSSCHLIESSLICHER INHALTLICHER VERANTWORTUNG DES AUSSENDERS - WWW.OTS.AT | NHM

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