- 25.04.2012, 12:42:42
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Hörstörungen: Bis zu 1,6 Millionen Betroffene in Österreich
Ärztekammer startet Initiative "gut hören - dazugeHören"
Wien (OTS) - Rund eine halbe Million Österreicherinnen und
Österreicher hören schlecht. Die Dunkelziffer ist nach
Expertenschätzung allerdings noch weit höher. Ausgehend von Studien
aus vergleichbaren Ländern könne man annehmen, dass bis zu einem
Fünftel der heimischen Bevölkerung, jedenfalls aber 1,2 Millionen,
unter Hörstörungen leiden, erklärte der Präsident der
Österreichischen Ärztekammer (ÖÄK), Walter Dorner, am Mittwoch bei
einer Pressekonferenz. "Wenn ich 'leiden' sage", so Dorner weiter,
"dann meine ich das in einem umfassenden Sinn. Denn eine unbehandelte
Hörstörung schadet langfristig dem ganzen Menschen in seiner
seelischen, geistigen und körperlichen Gesundheit."
Mit der Initiative "gut hören - dazugeHören" will die ÖÄK dazu
beitragen, die Dunkelziffer zu erhellen und Betroffene durch
umfassende Information dazu ermutigen, sich ihrer Beeinträchtigung zu
stellen. Gleichzeitig soll die Sensibilität der Ärzteschaft für das
Thema geschärft werden: Neben Hals-Nasen-Ohren-Fachärzten (HNO)
sollen vor allem Allgemeinmediziner, Internisten und Kinderärzte in
der Lage sein, ihre Patientinnen und Patienten behutsam, aber
unmissverständlich auf das Problem anzusprechen. Mehr als 10.000
Ordinationen erhalten Informationsmaterial zur Weitergabe an
Betroffene.
Ursachen für Hörstörungen
"Hörstörungen sind die häufigste Beeinträchtigung von Neugeborenen.
Pro Jahr kommen in Österreich ein bis drei von tausend Kindern mit
unterschiedlich schweren Hörschäden zur Welt", erklärte Univ.Prof.
Wolfgang Gstöttner, Vorstand der HNO-Klinik an der Medizinuniversität
Wien. Viel häufiger, als lange Zeit angenommen, sei das Problem
vererbt: "Die Hälfte aller kindlichen Hörstörungen sind genetisch
bedingte Schädigungen des Innenohrs", so der Experte. Gerade im
Kindesalter lösen aber oft auch akute Erkrankungen wie
Mittelohrentzündungen Hörstörungen aus, die mit dem Abklingen der
Entzündung wieder vergehen. Liegt jedoch z.B. ein chronischer
Mittelohrkatarrh vor, kann es zu einem Flüssigkeitsstau kommen, der
aber durch einen kleinen operativen Eingriff zu beheben ist. Bei
Erwachsenen können chronische Erkrankungen wie Diabetes oder
Bluthochdruck Hörstörungen verstärken bzw. auslösen. Ob sich
verletzungsbedingte Hörstörungen heilen lassen, hängt vom Zustand des
Hörnervs ab. "Eine durch einen plötzlichen, extremen Druckunterschied
oder ein Schalltrauma geplatzte Innenohr-Membran kann man in der
Regel operieren", sagte Gstöttner. So lange der Hörnerv noch intakt
sei, könne man - je nach Grad der Schwerhörigkeit - mit einem
Hörgerät ausgleichen. Bei fast oder völlig gehörlosen Menschen ist
das Hörvermögen dank moderner Innenohr- oder Cochlea-Implantate bis
zu einem gewissen Grad reaktivierbar.
Ab 40 lässt das Gehör nach
"Das Gehör nimmt nicht erst im hohen Alter ab, sondern meist schon ab
dem 40., deutlicher ab dem 50. Lebensjahr", betonte der Sprecher der
ÖÄK-Fachgruppe HNO, Wilhelm Streinzer. Daher solle man mit 40 sein
Hörvermögen testen und bei gutem Hörstatus etwa alle fünf Jahre vom
HNO-Facharzt kontrollieren lassen. Der bei der Vorsorgeuntersuchung
für ab 65-Jährige vorgesehene Hörtest sei viel zu spät angesetzt, so
Streinzer.
"Liegt eine altersbedingte Hörminderung vor, so sind Erwerbstätige
schon aus existenziellen Gründen eher bereit, ein Hörgerät zu tragen
als Pensionisten", sagte der Experte. Dennoch seien Hörhilfen bei uns
noch lange nicht so akzeptiert wie z.B. in den USA. Dort gibt es
bunte Hörgeräte nicht nur für Kinder, sondern auch für Erwachsene.
Sie sollen zum Stil des Trägers passen und sichtbar sein, damit sich
die Umwelt gleich auf dessen besondere Bedürfnisse einstellen kann.
Kommunikationsprobleme führen in die Isolation
In der Gruppe der 60- bis 70-Jährigen leidet jeder Dritte unter einer
ausgeprägten Hörminderung (Presbyakusis). Die meisten lehnen es ab,
ein Hörgerät zu tragen. Bei einer durchschnittlichen Lebenserwartung
von 80 Jahren (Männer 78, Frauen 83) nehmen die Betroffenen damit in
Kauf, ein Viertel ihres Lebens mit einer fortschreitenden
Beeinträchtigung zu leben, die sie körperlich, geistig und seelisch
belastet. So verschlechtert Bluthochdruck zwar das Gehör - er ist
aber umgekehrt auch oft eine Folge von Schwerhörigkeit. Denn durch
das stete Bemühen, die Hörminderung zu verschleiern, stehen viele
Menschen unter Dauerstress. Eine Hörhilfe wird häufig abgelehnt, weil
man "noch nicht so alt" oder gar "senil, dement" sei. Das Gehör kann
durch eine Demenzerkrankung beeinträchtigt werden. Die eigentliche
Tragik ist aber, dass das Demenzrisiko steigt, wenn schlecht Hörende
resignieren und sich von Freunden und Familie zurückziehen. Dann
fehlen die kognitiven Reize, die das Gehirn braucht, um fit zu
bleiben. Noch viel größer ist die Gefahr, durch die Vereinsamung
psychisch zu erkranken - bis hin zu schweren Depressionen.
Österreich Vorreiter bei Früherkennung
Eine Erfolgsgeschichte ist hingegen das in Österreich bereits 2003 im
Mutter-Kind-Pass verankerte Neugeborenen-Hörscreening, das inzwischen
90 Prozent aller Babys erfasst. "Heute behandeln wir zehnmal mehr
Kinder noch vor einer für die Sprachentwicklung entscheidenden Phase,
sodass sie fast oder ganz wie andere Kinder hören und sprechen",
erklärte Oberärztin Charlotte Rottensteiner-Grohsmann von der
HNO-Abteilung am Wiener Donauspital/SMZO. Selbst gehörlose Babys
hätten gute Chancen auf eine annähernd normale Entwicklung, so die
Expertin. Voraussetzung sei eine frühzeitige Diagnose, damit noch in
den ersten Lebensmonaten ein Cochlea-Implantat eingesetzt werden
könne.
Noch in den frühen 1990er-Jahren wurden Hörschäden bei Kindern oft
erst entdeckt, wenn deren Sprach- und meist auch kognitive
Entwicklung bereits so beeinträchtigt war, dass sie später auf die
Gebärdensprache angewiesen waren.
Umso unverständlicher sei es für Rottensteiner-Grohsmann, dass seit
einiger Zeit im Mutter-Kind-Pass nur anzumerken ist, ob das
Hörscreening durchgeführt wurde oder nicht. Eine Dokumentation des
Ergebnisses ist aber nicht mehr vorgesehen. Man habe bereits vor
einem Jahr bei Gesundheitsminister Alois Stöger angefragt, aber noch
keine Antwort erhalten, sagte Rottensteiner-Grohsmann.
Internationaler Tag gegen Lärm - Prävention
Zwar handelt es sich bei zwei Dritteln aller Hörstörungen um eine
normale Alterserscheinung, doch auch diese ist an das "Vorleben"
gekoppelt. Den wenigsten Menschen ist bewusst, dass ein Lärmschaden
nicht nur von der Lautstärke, sondern auch davon abhängt, wie lange
und wie oft man dem Lärm ausgesetzt war.
Als häufigste vermeidbare Lärmquelle werden neben Konzerten meist
MP3-Player genannt. Dazu HNO-Experte Streinzer: "Ich möchte die
Gefahr, die vom regelmäßigen Hören extrem lauter Musik ausgeht, nicht
verharmlosen. Aber gerade am heutigen 'Tag gegen Lärm' scheint es mir
wichtig, auch auf andere Risiken hinzuweisen, die kaum jemand richtig
einschätzt." Früher seien Hörschäden die häufigste Berufskrankheit
gewesen. Heute würden Lärmbetriebe strenger kontrolliert, dafür sehe
er in seiner Praxis immer öfter Heimwerker mit teils schweren
Schalltraumen. Auch Motorradfahrer unterschätzten laut Streinzer die
enorme Lärmbelastung durch Windgeräusche.
Abschließend einige der von den HNO-Experten empfohlenen
Vorbeugemaßnahmen:
- Beim Neugeborenen-Hörscreening auf die Dokumentation des Ergebnisses im Mutter-Kind-Pass achten. - Jährliche Kontrollen bei Kindern, wenn die Eltern nicht sicher sind, ob das Kind gut hört. - Ruhepause nach Lärmbelastung (z.B. Konzert - egal, ob U- oder E-Musik). - MP3-Hören: je lauter, desto kürzer, Ruhepausen einlegen. - Auf schallmindernde Motorradhelme achten und Spezialgehörschutz verwenden. - Heimwerkermaschinen nie ohne Gehörschutz verwenden. - Hörstatus mit 40 feststellen lassen und mindestens alle fünf Jahre kontrollieren. - Bei Verdacht auf Hörminderung nicht zögern, sondern ärztlich abklären lassen. - Empfiehlt der Arzt eine Hörhilfe, Bedenken aussprechen, Infos beim Anbieter einholen, Probephase nützen, unterschiedliche Geräte in Ruhe ausprobieren. - Gefäßfreundlicher Lebensstil, da das Ohr nur von einem Blutgefäß versorgt wird. Faustregel: Was dem Herz gut tut, freut auch das Ohr (Bewegung an der frischen Luft, Nichtrauchen, Bluthochdruck behandeln, Übergewicht vermeiden etc.) (ar)
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Pressestelle der Österreichischen Ärztekammer
Mag. Andrea Riedel
Tel.: (++43-1) 513 18 33 - 45 DW
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