- 16.03.2012, 15:09:00
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Völkermord an Kurden im Irak jährt sich zum 24. Mal
Wien (OTS) -
- 5.000 zivile Opfer bei Giftgasangriff auf Halabja am 16. März 1988
- Mehr als 180.000 Kurden im Rahmen der "al Anfal"-Kampagne des
Baath-Regimes 1988 getötet
- Zunehmende nationale und internationale Anerkennung des
Völkermords an Kurden
Am 16. März 1988 wurde der weltweit größte, einzelne Angriff mit
Chemiewaffen auf die Zivilbevölkerung eines Landes, auf die kurdische
Kleinstadt Halabja im Nordosten des Iraks durchgeführt. Die von der
irakischen Armee eingesetzten Nervengase Tabun, Sarin, VX und Senfgas
führten zum unmittelbaren Tod von 5.000 Zivilisten, hauptsächlich
Frauen, Kindern und älteren Personen. Weitere 10.000 Opfer wurden
schwer verwundet und leiden bis heute unter den Spätfolgen des
Giftgasangriffs, wie schwere chronische Erkrankungen und
Geburtsdefekte.
Obwohl die schrecklichen Bilder der tausenden Leichen von
kurdischen Zivilisten um die Welt gingen, erfuhren die Gräueltaten
des irakischen Regimes zum damaligen Zeitpunkt in der internationalen
Gemeinschaft nur wenig bis gar keine Aufmerksamkeit.
"al-Anfal"-Kampagne als systematischer Vernichtungsfeldzug
Der Giftgasangriff auf Halabja im März 1988 war jedoch nur einer
der traurigen Höhepunkte im systematischen Vernichtungsfeldzug den
Saddam Hussein gegen die Kurden führte. Bereits 1983 wurden zwischen
5.000 und 8.000 Mitglieder des Barzani-Stammes aus ihren Dörfern
verschleppt und sind bis heute verschwunden geblieben. Die
sterblichen Überreste einiger dieser Buben und Männer wurden nach dem
Sturz des Regimes 2003 in Massengräbern im Süd-Irak entdeckt.
Im Juni 1987 erließ das irakische Regime die Direktive SF/4008 für
die Durchführung der "al-Anfal"-Kampagne gegen das eigene Volk. Darin
steht wortwörtlich geschrieben, dass "alle Personen in den
angeführten Dörfern inhaftiert und von der Staatssicherheit verhört
werden sollen. Diejenigen zwischen 15 und 70 Jahren sollen nach
Bekanntgabe von hilfreichen Informationen umgehend exekutiert
werden." Die Opfer der mehr als sechsmonatigen Kampagne von Februar
bis September 1988 sahen sich Erschießungskommandos, schwerer
Bombardierung aus der Luft, Angriffen mit chemischen Waffen sowie
Massendeportationen und Inhaftierung in Konzentrationslagern
ausgesetzt. In der in 8 Stufen durchgeführten Vernichtungskampagne
wurden Dörfer und Städte im gesamten Kurdengebiet im Nordirak dem
Erdboden gleichgemacht und insgesamt geschätzten Angaben zufolge mehr
als 180.000 Menschen getötet.
Nationale und internationale Aufarbeitung und Anerkennung des
Völkermords
Bereits 1993 wurde in einer Studie der Menschenrechtsorganisation
Human Rights Watch zur Anfal-Kampagne von einem Völkermord gesprochen
und die Zahl der kurdischen Opfer des Baath-Regimes von Saddam
Hussein auf zwischen 50.000 und 100.000 geschätzt. Das Center for
Strategic and International Studies in Washington, DC, hat die
"al-Anfal"-Kampagne 1994 ebenso als Akt des Völkermords bezeichnet.
Im Rahmen des Verfahrens und der Verurteilung von Frans Van Anraat
wegen des Verkaufs von Chemikalien an das Regime von Saddam Hussein,
bestätigte 2005 ein niederländisches Gericht, dass "die Angriffe mit
dem Ziel durchgeführt worden seien, die kurdische Bevölkerung des
Iraks zu vernichten." Kanada war im März 2010 der erste westliche
Staat der die Verbrechen gegen die Kurden im Rahmen der einstimmig
angenommenen Antrag des Parlaments, M-505, als Verbrechen gegen die
Menschlichkeit anerkannt hat.
Auf nationaler Ebene begann der Prozess der Aufarbeitung nach dem
Sturz des Regimes von Saddam Hussein:
- 2008 nahm der irakische Präsidentenrat die Parlamentsresolution 26
an, die die Aktivitäten von Saddam Hussein gegen das kurdische Volk
als Akte des Völkermords bezeichnete.
- Im März 2011 hat das irakische Parlament offiziell anerkannt, dass
der Giftgasangriff auf Halabja einen Akt des Völkermords darstellt.
- Am 3. Mai 2011 hat der Oberste Gerichtshof Iraks die Verbrechen im
Zusammenhang mit dem Verschwinden der Mitglieder des Barzani-Stammes
als einen Akt des Völkermords und als Verbrechen gegen die
Menschlichkeit anerkannt.
Der frühere Machthaber Saddam Hussein und seine für diese
Kriegsverbrechen verantwortlichen Gefolgsleute wie Ali Hassan
al-Majid, der wegen dieser Gräueltaten auch als "Chemical Ali"
bekannt war, wurden von irakischen Gerichten auch im Zusammenhang mit
der "al-Anfal"-Kampagne wegen Kriegsverbrechen, Verbrechen gegen die
Menschlichkeit und Völkermord angeklagt und verurteilt.
Interne Bemühungen in der Region Kurdistan-Irak
Die Regionalregierung Kurdistan-Irak (KRG) hat 2006 das "Ministry
for Martyrs and Anfal Affairs" gegründet, um den Überlebenden und den
Familien der Opfer Unterstützung und Hilfe anzubieten. Eine weitere
grundlegende Aufgabe des Ministeriums ist es, die internationale
Anerkennung der Gräueltaten gegen die Kurden als Völkermord zu
erreichen. In Zusammenarbeit mit der Weltgesundheitsorganisation WHO
wird an der Errichtung von psychologischen Beratungsstellen
gearbeitet. Die Regionalregierung unternimmt unterdessen weitere
Schritte um für die tausenden Witwen und Waisen eine entsprechende
Gesundheitsversorgung, Ausbildung und soziale Sicherheit auch in
Zukunft zu gewährleisten.
Rückfragehinweis:
Vertretung der Regionalregierung Kurdistan-Irak in Österreich
Tel.: +43 1 505 02 07 - 0
E-Mail: representation@at.krg.org
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