• 12.03.2012, 10:44:46
  • /
  • OTS0066 OTW0066

"kreuz und quer": "Grüß Gott und Heil Hitler - Kirche unter dem Hakenkreuz" und "Zwei oder drei Dinge, die ich über ihn weiß"

Am 13. März in ORF 2

Wien (OTS) - Vor 75 Jahren - am 14. März 1937 - unterzeichnete
Papst Pius XI. seine Enzyklika "Mit brennender Sorge": Diese klare
lehramtliche Abrechnung mit dem Nationalsozialismus und seiner
Rassenlehre wurde am darauffolgenden Sonntag von allen Kanzeln
Deutschlands verlesen. Dennoch wurde ein Jahr später, am 13. März
1938, der "Anschluss" Österreichs an das Deutsche Reich vollzogen -
mit Befürwortung der österreichischen Bischöfe.

"kreuz und quer" - präsentiert von Doris Appel - zeigt am Dienstag,
dem 13. März 2012, um 22.30 Uhr in ORF 2 die Dokumentation "Grüß Gott
und Heil Hitler - Kirche unter dem Hakenkreuz" von Bettina Schimak
und Peter Pawlowsky über die misslungene Anbiederung, Enttäuschung
und Resignation der katholischen Kirche zwischen März 1938 und Mai
1945 und über die ebenso enttäuschte Hoffnung der Protestanten auf
ein "Ende der Gegenreformation". Der Film versteht sich als Reflexion
über sieben dunkle Jahre der österreichischen Kirchengeschichte, als
Auseinandersetzung mit historischen Brüchen der Tradition, mit
Widersprüchen, mit gelebter Zivilcourage und der späten Einsicht in
die Unvereinbarkeit von Nazi-Ideologie und Christentum.

Um 23.20 Uhr folgt Malte Ludins Dokumentarfilm "Zwei oder drei Dinge,
die ich über ihn weiß" über die Familie eines Nazitäters, mehr als 60
Jahre nach Kriegsende: Längst ist die Wahrheit über die Vergangenheit
des Vaters aktenkundig, aber unter seinen Verwandten wird sie
beschönigt, geleugnet und verdrängt - mit all der Leidenschaft, zu
der nur Familienbande fähig sind.

"Grüß Gott und Heil Hitler - Kirche unter dem Hakenkreuz"

Zwischen März und Oktober 1938 drängen sich die Ereignisse:
Anbiederung, Zustimmung, Bedrohung, Opposition: Ein Kardinal, der zu
Hitlers Ankunft in Wien die Kirchenglocken läuten lässt. Ein mit
"Heil Hitler" unterzeichneter Hirtenbrief der österreichischen
Bischöfe, der den Gläubigen empfiehlt, für den Anschluss zu stimmen.
Ein Rosenkranzfest im Wiener Stephansdom, das zum größten
regimekritischen Protest der gesamten NS-Zeit wird. Fanatisierte
Hitlerjugend, die das erzbischöfliche Palais stürmt. Transparente bei
einer NS-Kundgebung am Wiener Heldenplatz: "Nieder mit Innitzer,
hängt die Pfaffen". Noch am 10. März hatte Kardinal Theodor Innitzer
den abgesetzten Kanzler Schuschnigg volle Unterstützung der Kirche
für die geplante Volksabstimmung über Österreichs Unabhängigkeit
zugesichert. Welche Motive und Strategien verbergen sich hinter
dieser Kehrtwende? Kardinal Innitzer als Wendehals? Was erhoffte sich
die österreichische Amtskirche? Anpassung und misslungene Anbiederung
als Strategie, um Macht und Einfluss zu behalten? Darauf versucht die
Dokumentation Antworten zu geben, Ursachen, Folgen und Wirkungen zu
beleuchten. Auch jene auf die vielen katholischen NS-Gegner, bei
denen sich spätestens nach dem "Ja" Theodor Innitzers Resignation
breit machte. Thematisiert werden aber auch die ebenso enttäuschten
Hoffnungen der Protestanten auf ein "Ende der Gegenreformation".

Die Gestalter stellen vergleichende Bezüge zur deutschen Kirche und
zum Vatikan her. Die österreichischen Bischöfe kannten die leidvollen
Erfahrungen des deutsche Episkopats nach der Machtübernahme Hitlers
im Jahr 1933, sie wussten von Repressionen und Vermögensraub, auch
die Enzyklika "Mit brennender Sorge" war ihnen vertraut, in der Papst
Pius XI. fast genau ein Jahr vor dem Einmarsch, am 14. März 1937, den
Nationalsozialismus klar verurteilte. Trotzdem versuchte das
Episkopat einen eigenen österreichischen Weg zu gehen, einen
Ausgleich mit Hitler zu finden und tappte damit in die Falle. War die
Kirche seit Jahrhunderten eine Stütze der Machthaber, vor allem auch
im christlich autoritären Ständestaat, so geriet sie nach dem März
1938 recht schnell auf die Gegenseite und in die Mühlen
nationalsozialistischer Repression.

Ob gutgläubige Naivität gekoppelt mit dem Mangel an
politisch-strategischem Geschick und selbstbewusster Zivilcourage zur
Niederlage gegen dem NS-Staat führte, will die Dokumentation klären.
Ebenso warum der Konflikt zwischen Hitler, NS-Ideologie und
katholischer Kirche tiefere Wurzeln hat und sich nicht einfach mit
"Kirchenfeindlichkeit" abtun lässt.

Gleichzeitig gab es aber auch Versuche des Brückenschlags zwischen
katholischer Kirche und Nationalsozialismus. Hoher und zentraler
Repräsentant dieser Versuche des Ausgleiches war der österreichische
Bischof Alois Hudal, seit 1923 Rektor der "Anima" in Rom und
glühender Deutschnationaler. Er glaubte, dass man den
Nationalsozialismus "christianisieren" und vom Rassismus reinigen
könnte, aber seine Ideen wurden in Rom wie in Berlin abgelehnt.

Erst im August 1938 gaben die Bischöfe die fruchtlosen Verhandlungen
um einen Modus Vivendi endgültig auf. Nach den dramatischen Protesten
beim Jugendgottesdienst im Stephansdom blieb der Widerstand
weitgehend eine Sache der Basis. Der Kampf ums Überleben fand in
Sakristeien statt, in verbotener Jugendarbeit, in der Sorge um
getaufte Juden, in mutigen Predigten. Engagierte Laien wurden ebenso
verhaftet, deportiert, ermordet oder hingerichtet wie Hunderte
Priester. Über Widerstandskämpfer in der Soutane wurden auch
Landesverweisungen und Predigtverbote verhängt.

Nach Kriegsende dauerte es Jahrzehnte, bis die mutigen
Widerstandsleistungen von Franz Jägerstätter und Schwester Restituta
gewürdigt wurden. Während die beiden heute einer breiten
Öffentlichkeit bekannt sind, schlummert das tragische Schicksal
anderer noch immer in Archiven und nicht aufgearbeiteten Nachlässen.
An einige dieser christlichen Widerstandskämpfer zu erinnern hat sich
die Dokumentation zur Aufgabe gemacht. Sie holt Lebensgeschichten von
Menschen aus dem Dunkel, die sich für einen anderen Weg als die
offizielle Kirche entschieden haben. So zum Beispiel die
Widerstandsgruppe Maier, Messner, Caldonazzi. Die letzten noch
lebenden Zeitzeugen geben über den Kirchenkampf des NS-Regimes
Auskunft.

Während der Zeit stetig steigender Bedrohung durch den braunen Terror
und des Zweiten Weltkriegs fand ein schmerzhafter Prozess des
Umdenkens statt. Die zunächst erzwungene Abtrennung von der Politik
und die Reduktion auf pastorale Arbeit führten zu einem inneren
Neuaufbau, einer Neuorientierung, die den Kirchen helfen sollte,
Repression und Weltkriegs-Katastrophe zu überleben, aber sich auch
endgültig vom politischen Katholizismus und dem Mitmischen in der
Politik zu verabschieden.

"Zwei oder drei Dinge, die ich über ihn weiß"

Hanns Ludin wird bereits in der Weimarer Republik berühmt, weil er in
der Reichswehr für Hitler konspiriert. Nach 1933 steigt er schnell
zum SA-Obergruppenführer auf. Ihm werden der Blutorden und andere
hohe Weihen des Nazistaates zuteil. 1941 schickt ihn Hitler als
Gesandten in den "Schutzstaat" Slowakei. Als "Bevollmächtigter
Minister des Großdeutschen Reiches" soll er dort die Interessen
Berlins durchsetzen - vor allem die "Endlösung". Nach dem Krieg wird
Hanns Ludin von den Amerikanern an die Tschechoslowakei ausgeliefert,
1947 zum Tode verurteilt und hingerichtet.
Diese Tatsachen nimmt sein jüngster Sohn, der Filmemacher Malte
Ludin, zum Ausgangspunkt einer schmerzlichen filmischen
Auseinandersetzung mit den Legenden, die in der Familie über den
Vater kursieren. War er ein Held und Märtyrer oder ein Verbrecher?
Auf einmal sind alle bereit zu reden: Die Schwestern und Schwager,
Nichten und Neffen.

Es entsteht ein intimes und doch beispielhaftes Filmdokument - ein
hochemotionaler Bericht aus dem Inneren einer deutschen Familie. 67
Jahre nach Kriegsende spielt Hitler im Leben der Familienmitglieder
des hochrangigen Nazi Hanns Ludin Leben noch immer eine enorme,
höchst kontroverse Rolle.

"kreuz und quer" ist nach der TV-Ausstrahlung sieben Tage auf der
Video-Plattform ORF-TVthek (http://TVthek.ORF.at) als Video-on-Demand
abrufbar und steht als zeitnahe Servicewiederholung am Mittwoch im
Hauptabend auf dem Programm von ORF III.

Rückfragehinweis:
ORF-Pressestelle
Karin Wögerer
Tel.: (01) 87878 - DW 12913
http://presse.ORF.at

OTS-ORIGINALTEXT PRESSEAUSSENDUNG UNTER AUSSCHLIESSLICHER INHALTLICHER VERANTWORTUNG DES AUSSENDERS - WWW.OTS.AT | NRF

Bei Facebook teilen.
Bei X teilen.
Bei LinkedIn teilen.
Bei Xing teilen.
Bei Bluesky teilen

Stichworte

Channel