- 31.01.2012, 18:14:13
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Wiener Zeitung: Leitartikel von Reinhard Göweil: "Seid umschlungen, Milliarden"
Ausgabe vom 1. Februar 2012
Wien (OTS) - Die Regierung ist also wild entschlossen, Sparwillen
zu demonstrieren. Es soll ein bis 2016 komponiertes Paket geschnürt
werden, das eine möglichst hohe Zahl aufweist - auf dass die
Ratingagentur im Angesicht der Milliarden beschämt das "Triple A"
zurückgibt sowie EU und Bevölkerung beeindruckt applaudieren.
Bis dahin wird es noch ein bisschen dauern, denn der nicht
unerhebliche Streitpunkt ist, dass sie nicht weiß, wie viel
eingespart werden soll.
Wenn sie sich der Mittelfrist-Prognose des
Wirtschaftsforschungsinstituts anschließt, könnte das Maßnahmenpaket
kleiner sein. Wenn sie den Horror-Zahlen des Finanzministeriums
folgt, müsste es größer sein. Die nach 2016 vermuteten
Folge-Einsparungen (ein höheres Pensionsalter hat ja Auswirkungen
über 2016 hinaus) eingerechnet, ist derzeit zwischen 10 und 30
Milliarden Euro jede Zahl möglich.
Ein kleines Beispiel in Sachen budgetäre Zahlenmystik: Faymann und
Spindelegger könnten heute schon dem staunenden Publikum erklären,
dass die gute Arbeit der Regierung im Jahr 2011 das Defizit um 3,2
Milliarden Euro verringert habe. Denn im April 2011 ging die
Regierung gemäß Bundesfinanzrahmen noch von einem Abgang in Höhe von
7,6 Milliarden Euro aus. Tatsächlich sind es 4,4 Milliarden.
Nun hat das Finanzministerium zu diesem Zeitpunkt besonders
vorsichtig geschätzt, weil die Wirtschaftsentwicklung alles andere
als sicher war. Aber diese Entwicklung ist auch in den kommenden fünf
Jahren schwierig einzuschätzen - Wirtschaft ist eben dynamisch.
Die in den Regierungsverhandlungen vorgelegten Prognosen des
Finanzministeriums sind übrigens der Öffentlichkeit bisher nicht
mitgeteilt worden. Wozu auch? Der Bürger soll ja nur beeindruckt sein
- und die Rechnung bezahlen.
Abgesehen von dieser seltsamen Vorstellung von Transparenz tobt genau
deswegen ein heftiger Schlagabtausch in der Regierung: Die SPÖ hält
sich eher an die publizierten Zahlen des
Wirtschaftsforschungsinstitutes. Die Finanzministerin glaubt die
Budget-Annahmen aus ihrem Haus. Dazwischen klaffen Milliarden, die
entweder als Einsparung oder als Steuererhöhung daherkommen.
Wenn die Regierung also die Bürger beeindrucken möchte, sollte sie
sich auf Fakten einigen. Und diese unverzüglich dem Souverän zur
Verfügung stellen - sprich: veröffentlichen.
www.wienerzeitung.at/leitartikel
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