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"Kleine Zeitung" Leitartikel: "Warum ein Aufpasser für Athen eine gute Idee ist" (Von Stefan Winkler)
Ausgabe vom 30.01.2012
Graz (OTS) - Alles nutzt sich ab. Auch der Schrecken. Noch vor dem
letzten Brüsseler EU-Krisengipfel im Dezember war die allgemeine
Stimmung zwischen Untergangsangst und Erlösungshysterie geschwankt.
Diesmal ist die Atmosphäre weit weniger aufgeheizt. Das deutet auf
eine gewisse Normalisierung im Umgang mit der Krise hin.
Wenn nun endlich die Erkenntnis sickert, dass die Schuldenkrise kein
gordischer Knoten ist, der sich einfach mit einem Schwertstreich
durchhauen lässt, kann das für alle Akteure nur von Vorteil sein.
Vor allem der Politik gibt es Gelegenheit, ihre Rettungsstrategie
gründlich zu überdenken. Größter Irrtum der Euroretter war es, zu
glauben, Hellas ließe sich mit viel Geld retten. Das Gegenteil ist
der Fall. Je mehr Milliarden die EU und der Internationale
Währungsfonds nach Griechenland überwiesen, desto hoffnungsloser
wurde die Lage des Landes. Mittlerweile lebt jeder fünfte Grieche
unter der Armutsgrenze.
Die Schuld am Elend ausschließlich dem harten Sparkurs zuzuschreiben,
den die Europäer dem Land verordnet haben, ist frivol und riskant.
Das spielt den Kräften in Hellas in die Hand, die alles daran setzen,
Reformen zu verhindern, weil sie dadurch ihrer Pfründen beraubt
würden.
Erst in der Vorwoche wurde im Parlament in Athen ein Gesetz zur
Freigabe der Öffnungszeiten der Apotheken sabotiert.
Es ist nur eines von vielen Beispielen dafür, wie dreist der EU
gegebene Versprechen nicht eingehalten werden. Zugleich benötigt das
Land laut Troika noch mehr Milliarden.
Hellas ist also de facto bankrott. Aus Angst vor den Folgen will das
aber niemand zugeben. Stattdessen erwägt man in Berlin und anderswo
nun, einen Kommissär nach Athen zu schicken, der der griechischen
Regierung bei der Umsetzung des Reformkurses Beine macht.
Nur, warum sollte eine Einzelperson schaffen, was nicht einmal der
Druck der Märkte zuwege bringt? Solange Athen darauf bauen kann, dass
wieder Geld fließt, wird es sich weiter allen Einschnitten
verweigern.
Trotzdem sollten die Euro-Retter das Kommissärs-Experiment wagen.
Viel tiefer kann das Land nicht mehr sinken.Dass Athen sich gegen
einen Aufpasser sträubt, ist verständlich. Dass es dabei von der
EU-Kommission unterstützt wird, ein Skandal. Ein Kuratel wäre ein
Anschlag auf Griechenlands Souveränität, heißt es. Dauerhaft am
EU-Tropf zu hängen, ist aber sehr wohl mit der nationalen Würde der
Hellenen vereinbar. Es scheint ganz so, als ob die Griechen nicht die
einzigen sind, die dringend Hilfe benötigen.
Rückfragehinweis:
Kleine Zeitung, Redaktionssekretariat, Tel.: 0316/875-4032, 4033, 4035, 4047, mailto:redaktion@kleinezeitung.at, http://www.kleinezeitung.at
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