- 09.01.2012, 09:00:31
- /
- OTS0014 OTW0014
Esperanto wird 125 Jahre alt
Wien (OTS) - Esperanto, die jüngste unter den lebenden Sprachen,
wird 125. Nach den politischen Wirren des 20. Jahrhunderts erlebt die
Internacia Lingvo durch das Internet einen erneuten Aufschwung. Die
vergleichsweise schnelle Erlernbarkeit, eine Kommunikation auf
gleicher Augenhöhe und das weltweite Netz von Esperanto-Sprechern
sorgen ungeachtet der derzeitigen Dominanz des Englischen für eine
wachsende Beliebtheit.
Am 26. Juli 1887 veröffentlichte Dr. Zamenhof die Plansprache
unter dem Pseudonym Esperanto (Hoffender). Eine leicht erlernbare,
neutrale Sprache mit internationalem Wortschatz und regelmäßiger
Grammatik soll die Sprachbarrieren unter den Völkern abbauen. Die
Dominanz einer Nationalsprache erkannte man schon damals als
problematisch und ungerecht. Quer durch alle politischen Lager fanden
sich Befürworter. Die Friedensbewegung, unter anderen Bertha von
Suttner, förderte die Verbreitung einer neutralen Sprache zur
Völkerverständigung. Mit dem österreichischen
Friedensnobelpreisträger Alfred Hermann Fried hatte die
Esperantobewegung ein engagiertes Mitglied. In der Zwischenkriegszeit
erlebte Esperanto seine Blütezeit trotz vieler politischer
Widerstände; so wurde beispielweise die Einführung von Esperanto als
offizielle Sprache im Völkerbund durch Frankreich verhindert, dessen
Vertreter noch immer hofften, die französische Sprache würde sich als
"die" Kultursprache durchsetzen. Dass Untertanen mit dem Ausland
ungehindert kommunizieren und Nachrichten unzensuriert eindringen
konnten, war vielen Regimes ein Dorn im Auge. Politische
Repressionen, Zweiter Weltkrieg, Kalter Krieg und weitere staatliche
Verbote weit bis in die 1980er Jahre erschwerten Anwendung und
Verbreitung. Zwei Beschlüsse der UNESCO aus den Jahren 1954 und 1985
bestätigten jedoch die Position des Esperanto als kulturelle
Errungenschaft der Menschheit und verweisen auf seine Vorteile im
gegenseitigen Dialog, in der Kommunikation und bei der Annäherung von
Menschen aller Kulturen und Sprachen.
Auch ohne dass hinter Esperanto wirtschaftliche und politische
Interessen stehen, erlebt es mit der Verbreitung des Internets einen
neuen Aufschwung: über Landesgrenzen hinweg werden bestehende
Freundschaften gepflegt und neue Kontakte geknüpft. Als ein
mittlerweile ausgereiftes Ausdrucksmittel wird es vielseitig
angewendet. Radiostationen in Brasilien, China, Kuba und Vatikan
senden regelmäßig in dieser Sprache, außerdem das Chinesische
Fernsehen. Nach der relativ kurzen Zeit von nur 124 Jahren rangiert
Esperanto mit seiner Sprecherzahl unter den ersten 100 größten
Sprachen von etwa 6.800 weltweit. Im Wikipedia liegt es an 27. Stelle
hinsichtlich der Anzahl der verfassten Artikel. Auch die Suchmaschine
Google, der Internettelefondienst Skype, der Browser Firefox, die
Betriebssoftware Ubuntu und die Portale Ipernity und Facebook
"sprechen" Esperanto. Abgesehen von der vielfachen Verwendung im
Internet, im Tourismus und bei internationalen Veranstaltungen,
besitzt es inzwischen eine eigene Musik-Produktion und eine
beachtliche Original-Literatur; auch die internationale
Schriftstellervereinigung P.E.N. hat Esperanto als Literatursprache
anerkannt.
Die Sprache ist weltweit als neutrale Zweitsprache in täglichem
Gebrauch vieler Menschen, auch in den wichtigen Wachstumsregionen
Afrikas und Asiens. Der Gastgeberdienst Pasporta Servo ermöglicht
Esperanto-Sprechern den Besuch fremder Länder fernab ausgetrampelter
Touristenpfade. Es vergeht fast kein Tag an dem nicht irgendwo auf
der Welt Treffen, Seminare, Konferenzen oder Studienlehrgänge in
Esperanto stattfinden. Die brasilianische Farmschule Bona Espero, von
Esperanto-Sprechern gegründet, bietet vernachlässigten Kindern durch
Betreuung, Erziehung und Schulbildung die Chance auf ein
eigenständiges Leben; unverzichtbare Hilfe leisten dabei
Esperanto-Sprecher aus allen Teilen der Welt, sei es durch Spenden
oder als Helfer vor Ort. Die Universala Esperanto Asocio
(Esperanto-Weltbund) mit Sitz in Rotterdam unterhält beratende
Beziehungen zu den Vereinten Nationen und zum Europarat.
Der wachsende Gebrauch des Esperanto zeigt sich auch darin, dass
beispielsweise die British Telecom es für Werbung nutzt und die
Britische Regierung Esperanto-Übersetzer beschäftigt. Esperanto wird
immer populärer. Das neue, umfassende Portal www.lernu.net bietet
unter anderem einen Internet-Sprachkurs in zur Zeit 27 Sprachen an
und wird täglich rund 125.000 mal aufgerufen. Die Betreiberin dieser
Seite, die internationale Organisation E@I (Edukado@Interreto),
betreut jedoch nicht nur Esperanto-Projekte, sondern wurde sie auch
von der slowakischen Regierung beauftragt, einen Internet-Auftritt
zum Erlernen der slowakischen Sprache zu schaffen; neue
Unternehmungen betreffen unter anderem Lern-Plattformen für Spanisch
und Deutsch. Der Einsatz vieler Esperanto-Sprecher für den Erhalt der
sprachlichen und kulturellen Vielfalt ist also keineswegs nur ein
Lippenbekenntnis. Das Esperantomuseum der Österreichischen
Nationalbibliothek in Wien bietet einen Einblick in Wesen und
Geschichte des Esperanto und anderer Plansprachen; darüber hinaus
thematisiert es das Verhältnis des Menschen zur Sprache.
Dass sich Esperanto trotz aller Hindernisse erfolgreich behaupten
kann und die Zahl seiner Sprecher ständig wächst, liegt vor allem
daran, dass es mehr als nur eine Sprache ist: dahinter stehen 124
Jahre gelebter Völkerverständigung und der Einsatz für eine
Kommunikation auf gleicher Augenhöhe.
Rückfragehinweis:
Uwe Stecher, aef@esperanto.at
Für Informationen zu Esperanto: www.esperanto.at.
OTS-ORIGINALTEXT PRESSEAUSSENDUNG UNTER AUSSCHLIESSLICHER INHALTLICHER VERANTWORTUNG DES AUSSENDERS - WWW.OTS.AT | NEF