• 09.12.2011, 10:43:38
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  • OTS0069 OTW0069

Presserat zu Gaddafi-Fotos: Grenze liegt bei besonders blutiger und entwürdigender Darstellung

Erklärung des Senats 2 des Presserats zu den Bildern des getöteten Diktators Muammar Al-Gaddafi

Wien (OTS) - Im Zuge der Berichterstattung über Gaddafis Tod
wurden in den unterschiedlichsten Medien Fotos des sterbenden bzw.
getöteten Diktators gebracht. Diese Fotos waren in unterschiedlichem
Maße blutig, abschreckend, entwürdigend und abstoßend.

Der Senat 2 des Presserats nimmt diese Berichterstattung zum Anlass
zu folgender grundsätzlicher ERKLÄRUNG:

Außer Frage steht, dass die teils sehr drastischen Abbildungen des
sterbenden bzw. getöteten Diktators geeignet sind, die Rechte und
Würde der Person Gaddafis zu verletzen. Jeder Mensch, so auch
Gaddafi, hat auch über seinen Tod hinaus Anspruch auf Wahrung seiner
Persönlichkeitsrechte. Das Zurschaustellen eines Leichnams verletzt
diese Rechte.

Ebenso außer Frage steht, dass die österreichische Presse in
Berichterstattung und Kommentar, Wort und Bild, frei ist und nicht
behindert werden darf. Der Tod eines Diktators ist ganz zweifellos
ein historisch bedeutendes Ereignis, über das die Öffentlichkeit
ausführlich unterrichtet werden muss. Die Öffentlichkeit hat nicht
nur ein Recht auf Information, sie hat auch ein unleugbares Interesse
an umfassender Berichterstattung.

Beide Grundrechte - die Persönlichkeitsrechte des Einzelnen sowie
die Freiheit der Presse - sind wichtig und schützenswert. Es ist
Aufgabe und Verantwortung der österreichischen Presse, beide Rechte
sorgfältig und gewissenhaft gegeneinander abzuwägen.

Es ist unerlässlich, dass Medien sich der Verantwortung, die sie
tragen, bewusst sind. Die Darstellung von Gewalt birgt stets auch die
Gefahr in sich, Rechte Einzelner über Gebühr zu verletzen. Darüber
hinaus ist zu bedenken, dass der Umgang mit der Darstellung von
Gewalt unsere Gesellschaft prägt. In Zeiten, in denen verstörende
Bilder der Opfer von Gewalt oder Naturkatastrophen längst alltäglich
geworden sind, sollten gerade die Medien eine gewisse Zurückhaltung
üben und mit dem ihnen zur Verfügung stehenden Bildmaterial
verantwortungsbewusst umgehen. In diesem Zusammenhang sei darauf
hingewiesen, dass Zeitungen auch Kindern und Jugendlichen zugänglich
sind. Der Schutz dieser Kinder und Jugendlichen sollte den
Medienverantwortlichen ganz besonders am Herzen liegen.

Selbstverständlich darf über den Tod eines Diktators in Wort und
Bild berichtet werden. Im Rahmen einer umfassenden Berichterstattung
ist es auch legitim, zum Nachweis dafür, dass die Meldung von
Gaddafis Tod korrekt ist, Abbildungen des Getöteten zu zeigen. Das
Recht der Öffentlichkeit auf Information geht hier dem Schutz der
Persönlichkeitsrechte des toten Diktators vor.

Allerdings heiligt der Zweck nicht jedes Mittel. Jede
Interessenabwägung verlangt stets den gelindesten Eingriff in
geschützte Rechte. Art und Qualität der Fotos sind somit
ausschlaggebend. Fotos, die über ihren Zweck, Gaddafis Tod quasi zu
bescheinigen und solchermaßen den Bericht abzurunden, hinausgehen und
in besonders blutiger, abstoßender oder entwürdigender Darstellung
von Gewalt schwelgen, sind nicht der gelindeste Eingriff in die
Persönlichkeitsrechte Gaddafis. Sie sind auch durch das unbezweifelte
Recht der Öffentlichkeit auf Information nicht mehr gerechtfertigt.
Bei solchen Abbildungen steht die Gewalt, nicht die Berichterstattung
im Mittelpunkt. Es geht um Sensationshascherei und längst nicht mehr
um ausführliche Information. Solche Fotos zu veröffentlichen verstößt
gegen die ethischen Grundsätze, denen sich die österreichische Presse
verpflichtet fühlt.

Ob Fotos eines getöteten Diktators den allseits anerkannten
Grundsätzen für publizistische Arbeit Genüge tun oder ob sie über das
Ziel hinausschießen und diese Grundsätze verletzen, kann nur im
Einzelfall - Foto für Foto - beurteilt und letztendlich entschieden
werden.

Es bleibt die Eigenverantwortung der Medien, in ethisch
einwandfreier Weise zu informieren und zu berichten.
Zur Information: Der Deutsche Presserat hat die Veröffentlichung der
Gaddafi-Bilder in seiner gestrigen Sitzung ähnlich bewertet.

Rückfragehinweis:
Dr. Andreas Koller, Senatssprecher, Tel.: 01-53153-830

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