• 01.12.2011, 19:28:35
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Verfassungsausschuss gibt grünes Licht für "Schuldenbremse" Notwendige Zweidrittelmehrheit im Nationalrat jedoch weiter fraglich

Wien (PK) - Die "Schuldenbremse" hat die erste parlamentarische Hürde
genommen. SPÖ und ÖVP stimmten im Verfassungsausschuss des
Nationalrats für den von Regierung vorgelegten Gesetzentwurf. Zuvor
wurden in einigen Punkten allerdings noch Abänderungen vorgenommen.
So werden die restriktiven Vorgaben für die Länder teilweise
gelockert, zudem müssen diese entgegen dem ursprünglichen Entwurf
nicht mehr für Defizitüberschreitungen eines anderen Bundeslands
geradestehen.

Nach wie vor äußerst fraglich ist allerdings, ob der Gesetzentwurf im
Plenum des Nationalrats die erforderliche Zweidrittelmehrheit
erhalten wird. Die Opposition ließ im Ausschuss kein gutes Haar an
den vorgesehenen Bestimmungen und stimmte geschlossen gegen den
Entwurf. Die Regierung könne nicht erwarten, dass man ihr einen
"Blankoscheck" ausstelle, ohne zu wissen, wo gespart werde,
argumentierten etwa BZÖ, Grüne und FPÖ. Zudem sprachen sie angesichts
fehlender Sanktionen von einem "Bremsklötzchen". Finanzministerin
Maria Fekter und SPÖ-Finanzsprecher Kai Jan Krainer wollen die
Hoffnung allerdings noch nicht aufgeben. Schließlich sei man sich im
Ziel einig, argumentierte Krainer und appellierte gemeinsam mit
Fekter und SPÖ-Klubchef Josef Cap an die Opposition, ihre
Verantwortung wahrzunehmen.

Scheitert der Entwurf nächste Woche dennoch, hat die Koalition eine
kleine "Notbremse" vorgesehen und gleichzeitig mit der
Verfassungsänderung eine Gesetzesvorlage zur Änderung des
Bundeshaushaltsgesetzes beschlossen. Damit wird zumindest
einfachgesetzlich festgelegt, dass der Bund ab dem Jahr 2017 ein
maximales strukturelles Defizit von 0,35% erreichen darf.

Auch auf eine erste konkrete Sparmaßnahme haben sich die Abgeordneten
bereits geeinigt: Sie wollen zum dritten Mal in Folge auf eine
Inflationsanpassung ihrer Bezüge verzichten. Der von SPÖ-Klubobmann
Josef Cap namens aller fünf Fraktionen eingebrachte Gesetzesantrag
wurde einstimmig angenommen. Betroffen von der neuerlichen
"Nulllohnrunde" für PolitikerInnen sind nicht nur
Nationalratsabgeordnete und BundesrätInnen, sondern etwa auch die
Mitglieder der Bundesregierung und LandespolitikerInnen. Zuletzt
waren die PolitikerInnenbezüge im Juli 2008 erhöht worden.

Schuldenbremse: Auch Länder und Gemeinden müssen sparen

Mit der Verankerung einer verfassungsrechtlichen "Schuldenbremse"
will die Regierung einen Abbau der hohen Schuldenquoten bewirken
sowie Bund, Länder und Gemeinden künftig zu mehr Haushaltsdisziplin
zwingen. In diesem Sinn sind ergänzende Bestimmungen in der
Verfassung über die Haushaltsziele von Bund, Ländern und Gemeinden
und der verpflichtende Abschluss eines unbefristeten
innerösterreichischen Stabilitätspakts ab 2013 vorgesehen.

Konkret soll das strukturelle Defizit des Bundes ab dem Jahr 2017 auf
maximal 0,35% des BIP begrenzt werden, jenes der Länder und Gemeinden
auf maximal 0,1%. Allerdings ist es den Gebietskörperschaften
erlaubt, außergewöhnliche Konjunkturschwankungen "symmetrisch" zu
berücksichtigen. Zu diesem Zweck wird sowohl für den Bund als auch
für die einzelnen Länder und die Gemeinden ein "Kontrollkonto"
eingerichtet, auf dem vorübergehend höhere Defizite erfasst werden
sollen. Diese zusätzlichen Belastungen müssen spätestens dann
"konjunkturgerecht" zurückgeführt werden, wenn ein bestimmter
Schwellenwert - 1,25% für den Bund, 0,35% für die Länder und
Gemeinden - erreicht wird.

Im Falle von Naturkatastrophen und außergewöhnlichen Notsituationen,
die sich, wie es heißt, "der Kontrolle des Staates entziehen und die
staatliche Finanzlage erheblich beeinträchtigen", kann der
Nationalrat die vorgegebene Defizitgrenze für den Bund mit einfacher
Mehrheit lockern. Im Bereich der Länder und der Gemeinden wird dafür
die Zustimmung des jeweiligen Landtags benötigt. Entsprechende
Beschlüsse sind jeweils mit einem Schuldenabbauplan zu verbinden, der
die Rückführung der überhöhten Defizite in einem angemessenen
Zeitraum vorsehen muss. Verfassungsrechtlich verankert wird auch die
Verpflichtung der Länder, für eine transparente und dem Bund
vergleichbare Haushaltsführung zu sorgen.

Sollte die EU finanzielle Sanktionen verhängen, weil Österreich
budgetäre EU-Vorgaben nicht einhält, sieht der Gesetzentwurf eine
Aufteilung der Strafzahlungen zwischen Bund, Ländern und Gemeinden im
Verhältnis der Abweichung von den verfassungsrechtlich festgelegten
Defizitgrenzen fest.

Mit der Regierungsvorlage mitverhandelt wurden ein Antrag des BZÖ und
ein Entschließungsantrag der FPÖ, die zum einen vertagt und zum
anderen abgelehnt wurden. Das BZÖ will Bund, Länder und Gemeinden
durch eine Ergänzung der Verfassung ausdrücklich dazu verpflichten,
in ihrem politischen Handeln das Prinzip der Nachhaltigkeit zu
beachten und die Interessen künftiger Generationen zu schützen. Dazu
gehört für Abgeordnete Ursula Haubner und ihre FraktionskollegInnen
etwa auch ein Sozialversicherungssystem, das nachfolgende
Generationen beim Einlösen von Leistungsansprüchen nicht
benachteiligt. Die FPÖ wehrt sich vehement gegen die Einrichtung des
geplanten Euro-Schutzschirms und warnt vor einem "Milliardengrab" und
einer zu Lasten Österreichs gehenden "Transferunion".

Geschlossene Kritik der Opposition am Gesetzentwurf

Im Rahmen der Debatte kritisierte die Opposition geschlossen den
vorliegenden Gesetzentwurf. BZÖ und FPÖ bekannten sich zwar
grundsätzlich zur Verankerung einer Schuldenbremse in der Verfassung,
werteten die vorgesehene Form aber als untragbar. So meinte BZÖ-
Klubobmann Josef Bucher, dass eine Schuldenbremse ohne nachhaltige
Konsequenzen bei einem Verfehlen der Ziele wenig Sinn mache und
sprach vor diesem Hintergrund von einem "Bremsklötzchen". Er
bekräftigte außerdem erneut, dass für das BZÖ nur eine
ausgabenseitige Budgetsanierung in Frage komme, und verwies in diesem
Zusammenhang auf die rund 600 vom Rechnungshof vorgelegten
Reformvorschläge.

Im Einklang mit den anderen beiden Oppositionsparteien warf Bucher
Finanzministerin Fekter darüber hinaus vor, vor den Ländern in die
Knie gegangen zu sein. So zeigten Bucher und Grün-Abgeordneter Werner
Kogler etwa kein Verständnis dafür, dass die Länder die
Haushaltsregeln des Bundes nun doch nicht übernehmen müssen. Der
allgemeinen Kritik von Bucher schloss sich auch sein Fraktionskollege
Herbert Scheibner an, der von "Gummiparagraphen" sprach und den
Vorwurf, das BZÖ würde sich "zieren", zurückwies.

Seitens der Grünen wandte sich nicht nur Budgetsprecher Werner
Kogler, sondern auch Abgeordneter Albert Steinhauser gegen den
Gesetzentwurf. Es hindere die Regierung niemand, auch ohne
verfassungsrechtliche Schuldenbremse sinnvolle Sparmaßnahmen zu
ergreifen, argumentierten sie. Nach Meinung von Steinhauser kann die
Regierung außerdem nicht erwarten, dass ihr die Opposition einen
"Blankoscheck" ausstelle, ohne zu wissen, wie das geplante
Sparprogramm ausschaue. Er glaubt auch nicht, dass mit der
Schuldenbremse die Nervosität an den Finanzmärkten eingedämmt werden
kann. Sein Eindruck sei, dass gegen den Euro ein
"wirtschaftspolitischer Krieg" bar jeglicher Realität geführt werde,
sagte Steinhauser.

Kritik, wonach seine Fraktion verantwortungslos agiere, ließ
Abgeordneter Kogler nicht gelten. Er erinnerte daran, dass sich die
Grünen bei Verhandlungen zur Verwaltungsreform stets "sehr
konstruktiv" gezeigt hätten. Alle Reformprojekte seien schließlich
aber am internen Widerstand innerhalb der Koalitionsparteien, etwa
von Seiten der Länder, gescheitert. Das Prinzip der Grünen sei
jedenfalls "weniger Schulden durch sinnvolles Sparen und durch
gerechte Steuern", fasste er zusammen.

Auch Abgeordneter Alois Gradauer (F) wertete es als unzulässig, der
Opposition die Schuld am Scheitern der "Schuldenbremse" zu geben. Die
FPÖ habe bereits vor zwei Jahren einen derartigen Vorschlag gemacht
und stehe nach wie vor dazu, bekräftigte er. Das, was die Regierung
vorgelegt habe, sei aber "substanzlos". Ohne konkretes
Sanierungskonzept wird es seiner Ansicht nach nicht gelingen, die
Schulden nachhaltig zu senken. In diesem Zusammenhang machte Gradauer
darauf aufmerksam, dass Österreich jährlich bereits 8 Mrd. € an
Zinsen zahle, und sprach von "Feuer am Dach". Er und sein
Fraktionskollege Harald Stefan bekräftigten zudem den Standpunkt
ihrer Fraktion, dass es keine weiteren österreichischen Gelder für
den ESM und den EFSF geben dürfe.

Abgeordneter Kai Jan Krainer (S) wollte trotz der breiten ablehnenden
Front die Hoffnung nicht aufgeben, dass die Opposition im Nationalrat
der Schuldenbremse doch noch zustimmt. Seiner Ansicht nach gibt es,
was das Ziel betrifft, keinerlei Differenzen zwischen den Fraktionen.
Alle hielten es für richtig, die Schulden zurückzuführen, betonte er.
Dass es unterschiedliche Auffassungen über den Weg der
Schuldenreduktion gebe, sei klar, meinte Krainer, daran dürfe das
Gesetz aber nicht scheitern. Schließlich werde dieser Weg nicht in
der Verfassung verankert und müsse erst in den nächsten Jahren
ausdiskutiert werden. Er hoffe jedenfalls "bis zur letzten Minute",
dass sich die Oppositionsparteien "besinnen". Krainer wies auch
darauf hin, dass sich die vorliegenden Bestimmungen stark mit jenen
Deutschlands deckten.

SPÖ-Klubobmann Josef Cap sprach sich für "möglichst äquivalente"
ausgabenseitige und einnahmenseitige Maßnahmen zur Verringerung der
Schulden aus. Die verfassungsrechtliche Verankerung der
Schuldenbremse wäre seiner Ansicht nach ein nicht zu unterschätzendes
internationales Signal. Die Nulllohnrunde für PolitikerInnen wertete
Cap als symbolischen Beitrag der Politik, er machte aber geltend,
dass es grundsätzlich dringend notwendig wäre, die Arbeitsbedingungen
für die Abgeordneten zu verbessern.

Abgeordneter Konrad Steindl (V) legte den Gesetzesantrag zur Änderung
des Bundeshaushaltsgesetzes vor. Ziel des Antrags ist es, wie er und
Abgeordneter Krainer erklärten, das angestrebte Ziel eines maximalen
strukturellen Defizites des Bundes von 0,35% ab dem Jahr 2017
zumindest einfachgesetzlich zu verankern, sollte das
Verfassungsgesetz im Nationalrat keine Mehrheit finden. Er warb
allerdings vehement für die "Schuldenbremse" und gab zu bedenken,
dass damit stabile Finanzen über die laufende Legislaturperiode
hinaus sicher gestellt würden.

Abgeordneter Günther Kräuter (S) nahm zum Antrag der FPÖ Stellung und
machte darauf aufmerksam, dass es entweder katastrophale Folgen für
Österreich allein oder katastrophale Folgen für Österreich und die EU
gegeben hätte, wäre Österreich aus dem Euro-Rettungsfonds
ausgeschert.

Finanzministerin Maria Fekter erinnerte an die Genese der
"Schuldenbremse" und wies darauf hin, dass auf Grund der Entwicklung
in Ungarn und in Italien eine massive Ansteckungsgefahr für
Österreich gedroht habe. Der Zinsabstand zu Deutschland sei innerhalb
weniger Tage "explodiert" und das Zinsenniveau auf 3,8% gestiegen.
Österreich habe daher ein klares Signal setzen müssen und mit der
Schuldenbremse unter Beweis stellen wollen, dass es eine langfristige
stabile Finanzpolitik anstrebe. Bei einem enormen Anstieg der Zinsen
hätte Österreich erst recht ein Budgetproblem, skizzierte sie.

Fekter appellierte in diesem Sinn an die Opposition, der
verfassungsrechtlichen Verankerung der Schuldenbremse zuzustimmen.
Sie verstehe nicht, warum FPÖ, BZÖ und Grüne "so sperrig" seien,
meinte sie. Wenn jemand höhere Zinsen wolle, solle er das der
Bevölkerung laut sagen.

Kritik am Verhandlungsergebnis mit den Ländern wies Fekter zurück.
Sie machte darauf aufmerksam, dass sich die Länder bereit erklärt
hätten, den geltenden Stabilitätspakt abzuändern und angesichts der
dramatischen Situation mehr Haushaltsdisziplin an den Tag zu legen
als derzeit paktiert. Ebenso hätten die Länder zugestimmt, die
Prinzipien der Haushaltsführung des Bundes, wie Transparenz,
Vergleichbarkeit und mehrjähriger Budgetpfad, zu übernehmen. Dass die
Länder Zeit bräuchten, ihr Haushaltsrecht umzustellen, sei aber
verständlich. Überdies hätten die Länder zu Recht nicht in einen Topf
geworfen werden wollen. Es könne nicht sein, dass ein Land, das sich
"wohlverhält", für andere Länder mitzahlen müsse.

Staatssekretär Andreas Schieder gab zu bedenken, dass bei einer
verfassungsrechtlichen Verankerung der Schuldenbremse nicht nur
verbindliche Haushaltsziele für den Bund, sondern auch für die Länder
und die Gemeinden verankert würden. Überdies würde das Prinzip,
wonach derjenige, der Schulden mache, auch für etwaige Strafzahlungen
aufkommen müsse, verfassungsgesetzlich verankert. Für Schieder wäre
eine Schuldenbremse außerdem ein gutes Signal an die Finanzmärkte.
Auch Italien habe gestern mit überwältigender Mehrheit eine solche
Bremse beschlossen, schilderte er. (Fortsetzung Verfassungsausschuss)

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